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Eine abgelegene Insel im südlichen Alaska, die nur per Boot oder Wasserflugzeug zu erreichen ist, mit nichts in Sicht außer wilden Wäldern und schroffen Bergen. Hier hat Jim eine Holzhütte gekauft, um dort ein Jahr mit seinem dreizehnjährigen Sohn Roy, den er kaum kennt, alleine zu leben. Aber Jim ist jämmerlich unvorbereitet auf das Leben in der Wildnis: auf Bären, peitschenden Regen und Schnee und vor allem auf die Einsamkeit. Nachts muß der zunehmend verschreckte Roy das verzweifelte Schluchzen seines Vaters mitanhören. Roy will nichts als fort von der Insel, aber er fürchtet sich vor dem,…mehr

Produktbeschreibung
Eine abgelegene Insel im südlichen Alaska, die nur per Boot oder Wasserflugzeug zu erreichen ist, mit nichts in Sicht außer wilden Wäldern und schroffen Bergen. Hier hat Jim eine Holzhütte gekauft, um dort ein Jahr mit seinem dreizehnjährigen Sohn Roy, den er kaum kennt, alleine zu leben. Aber Jim ist jämmerlich unvorbereitet auf das Leben in der Wildnis: auf Bären, peitschenden Regen und Schnee und vor allem auf die Einsamkeit. Nachts muß der zunehmend verschreckte Roy das verzweifelte Schluchzen seines Vaters mitanhören. Roy will nichts als fort von der Insel, aber er fürchtet sich vor dem, was passiert, wenn er geht. Und so bleibt er, bis das Schicksal des Vaters und sein eigenes mit einem erschütternden Ereignis besiegelt ist.Mit dieser unvergeßlichen Geschichte über ein verheerendes Abenteuer tief in der Wildnis von Alaska ist David Vann eine bemerkenswert scharfsichtige Darstellung der komplizierten und spannungsgeladenen Beziehung zwischen Vätern und Söhnen gelungen. Er hat sich damit einen festen Platz unter den besten jungen amerikanischen Autoren erobert. Sein Roman wurde unter anderem mit dem Grace Paley Prize, dem California Book Award, dem Prix des Lecteurs de L'Express, und dem Prix Medicis Étranger ausgezeichnet.
Autorenporträt
Vann, David§David Vann wurde 1966 auf Adak Island/Alaska geboren. Seine Romane sind vielfach preisgekrönt und erscheinen in 22 Ländern. David Vann lebt in Neuseeland und ist derzeit Professor an der University of Warwick in England.

Mandelkow, Miriam§Miriam Mandelkow, 1963 in Amsterdam geboren, war nach ihrem Studium der Anglistik, Amerikanistik und Jewish Studies zunächst mehrere Jahre als Lektorin tätig, ehe sie sich dem literarischen Übersetzen zuwandte. Zuletzt erschienen in ihrer Übersetzung Werke von David Vann, NoViolet Bulawayo, Pat Barker und Anne Landsman. Miriam Mandelkow lebt in Hamburg.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.03.2011

„Tu mir das nicht an, du Arschloch“
David Vann verwandelt das Trauma nach dem Selbstmord seines Vaters in eine packende Novelle, den Albtraum eines gemeinsamen Jahres
„Legend of a Suicide“ heißt das Buch des Amerikaners David Vann, aus dem der Suhrkamp Verlag die zentrale Novelle ausgekoppelt hat, die er dem deutschen Lesepublikum unter dem Titel „Im Schatten des Vaters“ als eigenständigen Roman präsentiert. Doch „Sukkwan Island“, wie der Titel im amerikanischen Original lautet, ist tatsächlich eine Novelle. Sie befolgt deren Formgesetz geradezu mustergültig. Erbarmungslos steuert sie auf eine wahrhaft ungeheure Begebenheit zu, von deren Wucht sie gleichsam in Stücke gerissen wird: in ein Vorher, das trotz aller Düsternis noch Hoffnung kennt, und in ein Nachher von brutaler Ausweglosigkeit. In „Legend of a Suicide“ wird sie von fünf Kurzgeschichten flankiert, die sie gewissermaßen von außen stützen. Diese Form ist zwingend für das, was der Autor mit diesem Buch vorhatte: das zentrale Ereignis seiner Kindheit in verschiedenen Perspektiven so in Szene zu setzen, dass es beidem gerecht wird, der inneren Wahrhaftigkeit des Erlebten und der ganz anders gearteten Gesetzmäßigkeit der Literatur.
David Vann wurde 1966 auf Adak Island in Alaska geboren, wuchs in Ketchikan auf und lebt heute als Schriftsteller und Professor für Creative Writing in Kalifornien. Als er dreizehn Jahre alt war, beging sein Vater auf dramatische Weise Selbstmord. Während er mit seiner zweiten Frau, David Vanns Stiefmutter, telefonierte, die sich von ihm getrennt hatte, nachdem er sie genau so betrogen hatte wie seine erste Frau, schoss er sich mit einer 44er Magnum in den Kopf: „I love you but I’m not going to live without you“, soll er zu ihr gesagt haben.
Was der Selbstmord eines nahen Verwandten für die Angehörigen bedeutet, davon hat David Vann in Interviews und Zeitungsartikeln berichtet, vom Gewirr aus Scham, Schuld, Wut, Verlassenheit und Verzweiflung, und auch davon, was der Tod seines Vaters bei ihm persönlich auslöste: Jahrzehnte der Schlaflosigkeit und des zwanghaften Gefühls, dessen Selbstmord wiederholen zu müssen. Zwei Wochen vor seinem Tod hatte der Vater ihn gefragt, ob er für ein Schuljahr zu ihm nach Fairbanks, Alaska, ziehen wollte. Doch er lehnte ab und blieb lieber bei seiner Mutter und der jüngeren Schwester in Kalifornien, wohin sie nach der Scheidung gezogen waren.
Angelehnt an Chaucers „The Canterbury Tales“, entwirft „Legend of a Suicide“ sechs Porträts des Vaters und des eigenen Verlusts. Erst zusammen bilden sie die ganze Geschichte. Doch „Sukkwan Island“ ist immerhin ihr Herzstück. Es verwandelt die zentralen Elemente der autobiographischen Erfahrung in ein packendes und brutales Stück Literatur, das auf der Suche nach Rettung in eine noch größere Katastrophe mündet.
Hätte er den Selbstmord des Vaters verhindern können, wenn er zu ihm nach Alaska gezogen wäre? Das ist die Frage, die diese Novelle bewegt, so unerbittlich, dass sie ihre eigene Logik entfaltet. David Vann verlegt das imaginierte Jahr der Gemeinsamkeit an einen Ort, der abgeschiedener nicht sein könnte: auf jene kleine Insel in Südostalaska, die der Novelle ihren Titel gibt. Schon im Flugzeug, das die beiden dorthin bringt, erfährt der 13jährige Roy die erste Lektion des nun anstehenden Privatunterrichts.
Die Welt, so erzählt der Vater, sei ursprünglich eine Scheibe gewesen. Tiere streunten dort herum, „die größeren Kreaturen fraßen die kleineren Kreaturen, und keiner fand was dabei. Dann kam der Mensch, und er kauerte sich an die Ränder der Welt, haarig, dumm und schwach, und er vermehrte sich und wurde so zahlreich und irre und blutrünstig vor lauter Warten, dass die Ränder der Welt sich zu krümmen begannen. Die Ränder bogen sich langsam nach unten, Mann und Frau und Kind kraxelten übereinander, um auf der Welt zu bleiben, und kratzten einander bei der Kletterei das Fell vom Rücken, bis alle Menschen nackt und kalt und blutrünstig waren und sich am Ende der Welt festklammerten.“
Mit dieser Umdeutung der Genesis zur Katastrophenerzählung der Kleinfamilie, die mit ihrem Gemetzel die natürliche Balance der Wildnis zerstört, hat David Vann das Spielfeld eröffnet, auf dem er Vater und Sohn aussetzt. Kaum auf der Insel angekommen, muss Roy feststellen, dass der Vater zwar eine Hütte und Vorräte gekauft hat, dass er aber nicht im mindesten darauf vorbereitet ist, was sie dort erwartet. Während sie Tag für Tag gegen die Unbilden der Natur kämpfen, gegen Regen, Sturm und Schnee, gegen nass werdendes Feuerholz, die Einrichtung und Vorräte vernichtende Bären, während sie beim Wandern und Jagen ihr Leben riskieren und hin und wieder auch Glücksmomente genießen, die Roy vor allem allein und beim Angeln empfindet, wird immer deutlicher, mit welchem Feind sie nicht zurechtkommen: mit der Depression des Vaters, seinem stechenden Kopfschmerz und dem nagenden Begehren nach seiner Ex-Frau Rhoda.
Grausamer als in dieser Wildnis lässt sich kaum darstellen, was familiärer Missbrauch bedeutet. Die Natur mit ihrer Logik des Fressens und Gefressenwerdens ist harmlos im Vergleich zu dem, was Roy aushalten muss: das nächtliche Schluchzen des Vaters, die Übergriffe, wenn er sein Seelenleben vor ihm ausbreitet, den emotionalen Druck, der ihn daran hindert, die Insel zu verlassen, jedes Mal, wenn das Flugzeug vorbeikommt, um sie mit dem Nötigsten zu versorgen.
Eines Tages kommt Roy von einem Spaziergang zurück und sieht seinen Vater mit einer Pistole in der Hand am Funkgerät sitzen. „Tu mir das nicht an, du Arschloch“, hört er Rhoda sagen. Der Vater schaltet das Gerät aus und lässt den Blick durchs Zimmer schweifen, „als wäre ihm irgendeine Kleinigkeit peinlich“. Achtlos reicht er Roy die Pistole und verlässt die Hütte.
Als er zurückkommt, findet er den Körper seines Sohnes, „den Körper, nicht wirklich seinen Sohn, denn der Kopf fehlte.“ Er hebt die 44er Magnum auf und setzt sich neben dessen Überreste. „Nicht mal umbringen kannst du dich, sagte er laut. Du kannst nur so tun, als ob. Du bist die nächsten fünfzig Jahre deines Lebens wach und wirst jede einzelne Minute daran denken. Das hast du davon.“
Die eigentliche Spannung der Novelle entsteht aus der Verschränkung widerstrebender Gefühle. Denn „Sukkwan Island“ ist beides zugleich: ein Fall von nachgetragener Liebe, bei dem der Sohn den Selbstmord des Vaters so unbedingt zu verhindern versucht, dass er schließlich keinen anderen Weg weiß, als ihn an sich selbst zu vollziehen, und ein Rachefeldzug von archaischer Grausamkeit. All die Bilder, die in David Vanns Kopf herumspuken mögen, hetzt er dem überlebenden Vater auf den Hals.
Mit dem Torso des Sohnes als Unterpfand seines Scheiterns lässt er ihn wochenlang auf der Suche nach Hilfe umherirren. Jim fühlt sich verpflichtet, den toten Sohn zur Mutter zurückzubringen, damit er im Familienkreis bestattet werden kann. Kein grausames Detail des Verwesungsprozesses wird ausgelassen, vom blutigen Stumpf des Halses, über die Fliegen, die sich daran zu schaffen machen, bis hin zum unerträglichen Geruch und der Fäulnis, die aus dem Schlafsack suppt, in den er den Leichnam gesteckt hat, weil sich ein Müllsack von selbst verbot.
„Legend of a Suicide“ kam 2008 in kleiner Auflage in der University of Massachusetts Press heraus. Erst mit der Publikation bei Viking Penguin als Roman begann der Erfolg des mittlerweile in sechs Sprachen übersetzten und in fünfzig Ländern erschienen und vielfach preisgekrönten Buches, dessen Widmung den autobiographischen Bezug explizit macht. Nicht jedes Stück Literatur verlangt nach der Kenntnis biographischer Details, manchmal schadet das auch.
Doch in diesem Fall kann man die gewaltige Transformation des realen Ereignisses, deren Energie die von Miriam Mandelkow stilsicher ins Deutsche übertragene, zutiefst amerikanische Novelle antreibt, nur wahrnehmen, wenn man davon weiß. Es ist falsch verstandener Purismus, sie derart nackt auf den deutschen Markt zu schicken, ohne den Hinweis auf die Biographie und vor allem ohne die flankierenden Kurzgeschichten.
MEIKE FESSMANN
DAVID VANN: Im Schatten des Vaters. Roman. Aus dem Amerikanischen von Miriam Mandelkow. Suhrkamp Verlag, Berlin 2011. 185 Seiten, 17,90 Euro.
Ursprünglich war die Welt eine
Scheibe – bis die Menschen kamen
und die Ränder sich krümmten
Um den Suizid des Vaters zu
verhindern, vollzieht er ihn
an sich selbst
„Dann kam der Mensch, und er kauerte sich an die Ränder der Welt, haarig, dumm und schwach, und er vermehrte sich und wurde so
zahlreich und irre und blutrünstig vor lauter Warten, dass die Ränder der Welt sich
zu krümmen
begannen.“
Aus Sätzen wie diesen setzt David Vann (unten links) die Weltsicht der Vaterfigur in seinem Roman zusammen.
Foto: Diana Matar (unten links), Gary Schultz/Alaska Stock LLC
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Tief beeindruckt ist Meike Fessmann von David Vanns Novelle "Im Schatten des Vaters". Dass der Suhrkamp-Verlag dieses Stück aus dem Buch "Legend of a Suicide" sozusagen ausgekoppelt hat und als eigenständigen Roman präsentiert, die flankierenden fünf Kurzgeschichten des Bandes aber unter den Tisch fallen lässt, kann sie nur missbilligen. Schließlich ergeben diese Geschichten, die das traumatische Erlebnis des Suizids von Vanns Vater aus verschiedenen Perspektiven schildern, für sie erst zusammen die ganze Geschichte. Trotzdem hat das Werk Fessmann sichtlich fasziniert. Fesselnd und erbarmungslos erzählt Vann für sie die imaginierte Geschichte eines letzten gemeinsamen Jahres des 13-jährigen Roy mit seinem depressiven Vater in der Wildnis Alaskas, das indes nicht im Suizid des Vaters, sondern in dem des Sohnes mündet, und den Vater mit dem Problem konfrontiert, Roys verwesenden, kopflosen Leichnam zur Mutter zurückzubringen, um ihn angemessen zu bestatten. Mit Lob bedenkt die Rezensentin die souveräne Übersetzung vom Miriam Mandelkow. Ihr Fazit: ein höchst intensive Darstellung dessen, was emotionaler familiärer Missbrauch bedeutet.

© Perlentaucher Medien GmbH
»David Vann kann Gefühle bei lebendigem Leib sezieren und die Schmerzen des Sezierens dabei noch einarbeiten. Das, was man neben seiner Sprachkunst am meisten an dem Buch bewundert, ist seine Unerschrockenheit. Man fühlt sich beim Lesen wie auf einer Expedition durch etwas wirklich Gefährliches. Und das Gefährliche ist nicht Alaska. Das ist man selbst.«
Dirk Knipphals, taz. die tageszeitung 17.03.2011