Marktplatzangebote
9 Angebote ab € 4,46 €
  • Gebundenes Buch

Ein Dichter von europäischem Rang ist zu entdecken, neu zu entdecken - Miodrag Pavlovic, der Grandseigneur der serbischen Gegenwartslyrik. Sein legendärer Lyrikband "87 Gedichte" machte ihn, den angehen Arzt, 1952 in Jugoslawien über Nacht berühmt. Mit seinem ?uvre von über 30 Gedichtbänden gehört er heute in eine Reihe mit Joseph Brodsky, Jan Skzcel und Zbigniew Herbert. Dieser vom Autor komponierte Auswahlband umspannt ein halbes Jahrhundert und präsentiert eine Vielfalt lyrischer Formen, Tonlagen, poetischer Ansätze - vom "Aufschrei am Rande der Existenz", den schockhaften lapidaren…mehr

Produktbeschreibung
Ein Dichter von europäischem Rang ist zu entdecken, neu zu entdecken - Miodrag Pavlovic, der Grandseigneur der serbischen Gegenwartslyrik. Sein legendärer Lyrikband "87 Gedichte" machte ihn, den angehen Arzt, 1952 in Jugoslawien über Nacht berühmt. Mit seinem ?uvre von über 30 Gedichtbänden gehört er heute in eine Reihe mit Joseph Brodsky, Jan Skzcel und Zbigniew Herbert.
Dieser vom Autor komponierte Auswahlband umspannt ein halbes Jahrhundert und präsentiert eine Vielfalt lyrischer Formen, Tonlagen, poetischer Ansätze - vom "Aufschrei am Rande der Existenz", den schockhaften lapidaren Gedichten des Anfangs, bis zu den ruhigen, zur Ursprungserzählung tendierenden späten Prosagedichten. Von den frühen traumatischen Erfahrungen mit Krieg und Revolution bis zur Tragödie Jugoslawiens in den 90er Jahren, die er in visionären Gedichten vorhergesagt hat, zieht sich ein Thema durch das gesamte Werk: das Verhältnis des Menschen zu seiner Geschichte.
Autorenporträt
Miodrag Pavlovic, geboren 1928 in Novi Sad, Studium der Medizin; mehrere Jahre Praxis als Arzt in Belgrad, dann Wechsel als Dramaturg zum Belgrader Nationaltheater. Lektor und Redakteur des Verlags Prosveta. Buchpublikationen seit 1952 - gilt heute als bedeutendster Vertreter serbischer Gegenwartslyrik. Der Autor lebt in Belgrad und auch in Süddeutschland. Im Jahr 2012 wurde Miodrag Pavlovic mit dem Petrarca-Preis für europäische Literatur ausgezeichnet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.10.2002

Die Schlangen aber sind schlechter weggekommen
Der Mündung des Schicksals entgegengehend, kommt Miodrag Pavlovic, geführt von seinem klugen und strengen Vers: Seine Gedichte in einer repräsentativen Auswahl
In dem Gedicht „Rückkehr des Sängers auf Erden” aus dem Zyklus „Groß­Skythien, Neu­Skythien” von 1969/70 lässt Miodrag Pavlovic einen Sänger vom Tode auferstehen: da dämmerte es ihm: / er erwacht nicht aus dem Schlaf, / sondern steht aus dem Tode auf / wie ein großer Fisch aus dem Wirbel. Er entdeckt seine „gesegnete Heimat” wieder. Doch was er wahrnimmt – dass es keinen Krieg mehr gibt, keine Seuchen –, steht in unauflöslichem Widerspruch zur Kunde, die ihm über Feuer und Hass jammernde Witwen überbringen: es gebe kein Dach mehr im Dorf, / keinen Obstgarten ohne Grab, / keine Brotkrume auf der Tafel.
Es ist ein Gedicht über die Verklärungsmacht des Todes. Jene, die durch den Tod gegangen sind, nehmen die Verwüstungen anders wahr als die Lebenden. In einem anderen Gedicht, wohl einem seiner berühmtesten, „Die Versammlung der Hunde von Knossos”, erhoffen sich die Hunde von den Eroberern, den Dorem, ein „besseres Leben”. Doch wird ihr Verlangen nach Fleisch – man wirft ihnen die Leiche des früheren Herrschers vor – und ihr Wunsch nach „großen Freiheiten” enttäuscht. Die Lage ist unter den neuen Herrschern schlimmer als zuvor. Die Hunde disqualifizieren sich schließlich durch ihren erbärmlichen Trost: „aber die Schlangen sind noch schlechter weggekommen: / die brieten sie am Spieß”.
In dem gewaltigen, durch eine Vielfalt lyrischer Formen und poetischer Ansätze schreitenden Werk von Miodrag Pavlovic, dem großen alten Mann der serbischen Gegenwartslyrik, gibt es Konstanten. Stets geht es um das vielschichtige Verhältnis von Individuum und Geschichte. Stoffe aus der Antike und dem Mittelalter, der slawischen Geschichte und der Mythologie werden vom Dichter skeptisch, oft ironisch geprüft und zur Formulierung aktueller Erfahrungen genutzt. Vasko Popa, Pavlovics etwas älterer Kollege aus dem Banat, hat dies in einigen genauen Sätzen auf den Punkt gebracht: „Die offenen, schonungslosen Beichten historischer und legendärer Personen klingen wie die Stimme eines einzigen Menschen, der die Last aller Menschen auf sich genommen hat. Der Mündung des Schicksals entgegengehend, kommt Miodrag Pavlovic, geführt von seinem klugen und strengen Vers, immer wieder an dessen Quelle selbst.'
Es ist dem Suhrkamp Verlag hoch anzurechnen, dass er eine frühere Gedichtauswahl – sie erschien 1968 in der edition suhrkamp – wieder aufgenommen hat, sie durch den Dichter revidieren und ergänzen ließ, so dass wir nun auch wichtige Proben aus den späteren Gedichtzyklen bis hin zu den erst 2001 geschriebenen Prosagedichten „Besuch der Osterinsel” vor uns haben. Peter Urban hat seine früheren Übersetzungen geringfügig, doch stets zum noch Besseren überarbeitet und die vielen neuen Texte einfühlsam übersetzt.
In seinem kurzen, etwas lieblosen, weil eher die eigenen Idiosynkrasien pflegenden als auf die Charakteristika der Pavlovicschen Lyrik eingehenden Nachwort zieht Peter Handke den nahe liegenden Vergleich zu dem großen polnischen Dichter Zbigniew Herbert. Ich möchte den Kreis möglicher Bezugspersonen gerne noch um den Griechen Konstantin Kavafis und den Tschechen Miroslav Holub erweitern. Mit Holub, wie Pavlovic Mediziner und Arzt, teilt er die rational­naturwissenschaftliche Betrachtung von allem, was uns umgibt, von den Mistkäfern bis zu den Sternen. Mit Herbert, stärker noch aber mit Kavafis teilt er den besonderen, illusionslosen Umgang mit Geschichte und Mythen, transzendiert das Private der geschichtlichen Gestalten in einen öffentlichen und universalen Bereich und schlägt so aus einer erloschenen Vergangenheit Funken. Viele von Pavlovics parabelhaften Gedichten halten Modelle bereit, wie mit dem Untergang umzugehen ist.
Daher werden sie auch wichtig sein für Generationen zukünftiger Dichter. Wie begegnet der Mensch, getäuscht, misshandelt, von Herrschern und Ideologien unterdrückt, all diesen Anfechtungen? Mit Gelassenheit. Er muss so wenig anfechtbar wie möglich sein: die einzige Rettung ist / glückliche Unempfindlichkeit / Was hast du verloren / als das Fleisch / Bekenntnis ablegte? / 0 Sklave / Schlafe / Kurz ist die Nacht, heißt es in einem der frühesten Texte. Diese Verse haben eine trockene Musikalität, die sich allem Melodischen sperrt Auch hier gibt es eine Verwandtschaft zur Sprödigkeit von Herbert oder Kavafis.
Doch wichtiger als solche Wahlverwandtschaften sind Merkmale, die seine Lyrik einzigartig, seine Stimme unverwechselbar machen. Zum einen ist es die Grundierung durch slawische und serbische Geschichte, eine Folge von Konflikten, Unterdrückungen und brutalsten Zwistigkeiten bis hin zur, „jugoslawischen Tragödie” der neunziger Jahre, die Pavlovic in visionären Gedichten vorausgesagt hatte. Für ihn, der den zweiten Weltkrieg in Belgrad erlebte, die faschistische Okkupation, die Revolution und die ihr folgende stalinistische Diktatur bis zum Bruch Titos mit Moskau im Jahre 1948, bleibt der Krieg von 1940/41 das einschneidende Erlebnis.
Zum anderen ist es die allen Gedichten bis zu den jüngsten zugrunde legende Konzeption von Mythos und Geschichte als Prüfstein dichterischen Sprechens. Immer wieder gelingt es Pavlovic in bewundernswerter Weise, die alten Mythen durch die Frische seiner Imagination und neue Bedeutungen ganz in die Gegenwart zu holen. Er selbst hat das in einem Essay etwas steif so erklärt: „War der Gebrauch mythischer Bilder im vergangenen Jahrhundert vorwiegend dekorativen Charakters, so ist der Mythos heute einer Reihe von Dichtern Wegweiser zur tieferen Durchdringung, zu Vorstößen zum Wesen dichterischer Erfahrung.” Das ist reichlich abstrakt, aber seine Gedichte mit ihren ungeheuren Bildern sind von aller Gedankenlyrik weit entfernt: Ich hob die Hände um mich des Himmels zu vergewissern / und berührte die Brüste eines riesigen Vogels / der verendet, aber nicht herabgefallen war auf die Erde. / Durch sein Auge sah ich Schiffe im Kreise fahren; / Die altmodische Art Segel zu beerdigen... Diese Gedichte sind reich nicht an Landschaften, sondern an Welt. Sie geben uns in ihrer Absage an große Reden, in ihrer Schmucklosigkeit, ihrem verhaltenen Pathos doch Modelle des Menschseins. Ihre Kunst macht uns reicher und, auch dafür muss man sie rühmen, bewusster.
JOACHIM SARTORIUS
MIODRAG PAVLOVIC: „Einzug in Cremona”. Gedichte. Suhrkamp Verlag, Frankfurt/Main 2002. 184 S., 22,90 Euro.
Einige der schönsten Bilder des ausgehenden neunzehnten Jahrhunderts sind in Dänemark gemalt worden: dieses zum Beispiel, ein Gemälde mit dem munteren Titel „Hip. hip, hurra”, das den Freundeskreis des Malers in fröhlicher Runde im sommerlichen Skagen zeigt. Der Maler selbst, P. S. Krøyer (1851 bis 1909), ist – was man auch noch dem Bild ansieht – der Mittelpunkt der großen Künstlerkolonie, die sich in diesem Ort an der Nordspitze Jytlands versammelt hatte. Die Abbildung ist einem kleinen, hübsch illustrierten Band „P. S. Krøyer” von Claus Jacobsen entnommen, der in diesen Tagen im Kopenhagener Verlag Aschehoug erschienen ist (96 Seiten, 179,– dänische Kronen).
SZ
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Miodrag Pavlovic ist, da lässt Peter Hamm keinen Zweifel, der neben Vasko Popa bedeutendste serbische Nachkriegslyriker. Berühmt geworden sei er schon zu Beginn der sechziger Jahre mit seiner als regimekritisch sofort durchschauten Gedichtparabel "Versammlung der Hunde auf Knossos". Peter Urban, vom Rezensenten als "ebenso versierter wie engagierter Nachdichter" apostrophiert, hat nun eine Sammlung von 100 Gedichten Pavlovics herausgegeben, darin auch einiges aus dem, so Hamm, "noch ziemlich 'ungegenständlichen'" Frühwerk des Dichters, das in einem 1968 in deutscher Sprache erschienenen Band schon einmal zugänglich war. Ein Versäumnis hat der Rezensent jedoch zu beklagen, die Auslassung nämlich des "Schlüsselgedichts" "Epitaph des slawischen Urdichters". Zugestimmt wird dagegen dem kurzen Nachwort Peter Handkes, auch seiner Behauptung einer "Verwandtschaft" zum Polen Zbigniew Herbert.

© Perlentaucher Medien GmbH