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Tristan Egolfs Erstlingsroman ist eine grotesk-komische und berührend zornige Abrechnung mit Konformismus und Borniertheit der Provinz. Und da hat es John Kaltenbrunner schlecht erwischt. Wer in Baker, dem hinterwäldlerischen Industriekaff aufwächst, hat es vorzugsweise mit "Fabrikratten, Trolls, Schmalzköppen und Methodistenvetteln" zu tun. Und die Letztgenannten wollen John um sein Erbe bringen, versuchen seiner todkranken Mutter das von ihm aufgebaute florierende Gefügel- und Schafzuchtunternehmen abzuschwatzen. John Kaltenbrunner ist zwar erst fünfzehn, aber er ist nicht dumm; er kämpft um…mehr

Produktbeschreibung
Tristan Egolfs Erstlingsroman ist eine grotesk-komische und berührend zornige Abrechnung mit Konformismus und Borniertheit der Provinz. Und da hat es John Kaltenbrunner schlecht erwischt. Wer in Baker, dem hinterwäldlerischen Industriekaff aufwächst, hat es vorzugsweise mit "Fabrikratten, Trolls, Schmalzköppen und Methodistenvetteln" zu tun. Und die Letztgenannten wollen John um sein Erbe bringen, versuchen seiner todkranken Mutter das von ihm aufgebaute florierende Gefügel- und Schafzuchtunternehmen abzuschwatzen. John Kaltenbrunner ist zwar erst fünfzehn, aber er ist nicht dumm; er kämpft um sein Erbe, bis kein Stein mehr auf dem anderen steht.
Dies ist die Lebensgeschichte des John Kaltenbrunner. Wilde Spekulationen umranken die Legende vom genialischen, zähen "Ziegenjungen", der, allein mit seiner verwitweten, lethargischen Mutter lebend, eigenhändig aus der heruntergekommenen Farm der Familie in wenigen Jahren ein florierendes Geflügel- und Schafzuchtunternehmen macht. So einer kann nur anecken, in der Schule, im ganzen Leben. Schon gar, wenn er in Baker aufwächst, einem hinterwäldlerischen Industriekaff im Corn Belt, bewohnt von "Fabrikratten, Trolls, Schmalzköppen und Methodistenvetteln". Letztere bringen ihn um die Früchte seiner Arbeit; als Johns Mutter unheilbar erkrankt, sorgen die frommen Bettkantenhockerinnen routiniert dafür, dass die Sterbende ihnen rechtzeitig alles überschreibt. Klar, dass John sich wehrt. Auch wenn kein Stein auf dem andern bleibt und Bakers geballte Ordnungsmacht anrücken muss. Da ist unser Held gerade mal fünfzehn. Auch die weiteren Stationen dieser modernen Outlaw-Ballade verlaufen d rastisch. Nach jahrelanger Achterbahnfahrt führt ihn sein Leben schließlich zur Müllabfuhr, wo der schweigsame, unheimliche junge Mann seine geduckten Kollegen in einen Müllstreik führt, der die Stadt einen heißen Sommer lang in apokalyptische Zustände stürzt. Tristan Egolfs international erfolgreicher Erstlingsroman ist eine grotesk-komische und berührend zornige Abrechnung mit Konformismus und Borniertheit der Provinz. Und eine grimmige Ermunterung, sich niemals unterkriegen zu lassen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.12.2000

Entropie ohne Ende
Laut aber witzlos: Der Debütroman des Amerikaners Tristan Egolf
Vermarktet sich natürlich ideal: Junger Punkmusiker zieht von Amerika nach Europa, hat die Gitarre dabei, schreibt sich seine Wut von der Seele und wird in Paris als neue Stimme der Vereinigten Staaten entdeckt. Tristan Egolf kann nichts dafür, dass er halb als wildes Grunge-Idol, halb als Pariser Poet in der Nachfolge Hemingways verkauft wird. Aber ob man den New Yorker nach seinem Debütroman als die „Stimme einer Generation” preisen darf, wie das einige amerikanische Blätter getan haben?
Bis vor kurzem war Baker ein amerikanisches Kaff wie viele andere, unsere kleine Stadt in der Trash-Version: Ein Panoptikum der menschlichen Gemeinheit hockt da beieinander, das sich die Zeit mit Kindesmisshandlung, Alkohol und Dämmerschlaf vertreibt; der Sheriff ist ein Widerling aus dem Pöbel, und dieser Pöbel „ein zupackender, unstillbar melancholischer Mob aus sektiererischen Patrioten, die am liebsten die eigenen Nachbarn in Drahtkrawatten an den Hochfrequenzlaternen auf dem Weg zur Arbeit baumeln sähen. ” Und dann sind da noch die Methodistinnen, vertrocknete, geldgierige Witwen, die sich sofort einstellen, wenn es ans Sterben geht.
Nun aber herrscht in Baker der Ausnahmezustand: Schlimm genug, dass der Korngürtel der USA den ganzen Sommer über unter einer Hitzeglocke darbt. In Baker ertrinken noch dazu die Straßen im Müll. Zusammen ergibt das ideale Lebensbedingungen für alles Geschmeiß. Der Abfall scheint zu leben, so gärt es darin von Insekteneiern und Larven, und am Himmel kreisen die Aasfresser . Kurz: „In Baker sah es aus, als warte die Stadt auf die Ankunft der apokalyptischen Reiter”. Schuld daran ist John Kaltenbrunner, ein junger Mann mit alttestamentarischer Wut im Bauch, ein Kohlhaas der Independent-Generation.
Sechsjähriger Siedler
Johns Vater stirbt kurz vor der Geburt, die Mutter driftet seither in „Schockstarre” durch ihr Witwendasein und lässt den Hof verkommen. Der einsame Junge, der früh eine wilde, kantige Wut gegen seine Umwelt entwickelt, lebt in der Kindheit noch mal den Siedlermythos durch: Aus der Wildnis des verkommenen Anwesens baut der gerade mal schulreife Junge mit protestantischem Fleiß und großer Innovationsbegabung eine blühende Farm auf. Dann stirbt die Mutter, und die „Methodistenvetteln” wollen John den Hof klauen. Als er sich mit Waffengewalt gegen diese feindliche Übernahme zur Wehr setzt, wird er ins Gefängnis gesteckt. Die Eltern sind tot, Hof, Ehre und Freiheit sind ihm genommen. Im Western sind das die idealen Ausgangsbedingungen für den späteren Rachefeldzug eines Helden.
Tristan Egolf schreibt in einem packenden Furioso, barock, überbordend und mit großer Freude an dem Chaos, das John Kaltenbrunner schon bei der Verteidigung seiner Farm anrichtet. Und so folgt man diesem Außenseiter zunächst begeistert durch dessen Welterschaffung und die Schlacht gegen das Establishment. All das ist aber nur Vorbote für den eigentlichen Krieg des apokalyptischen Reiters in Jeans und Lederstiefeln.
Nach seiner Freilassung kümmert John am Rande der Bakerschen Wohlstandsgesellschaft vor sich hin: Vom „Arschloch der Schöpfung”, der widerwärtigen Geflügelfabrik des Ortes, geht es zur Müllabfuhr und den „Haldenschraten”. Ganz unten in Amerika. Bei denen, die keiner haben will, die aus jeder Pore nach dem Abfall riechen, den ihnen die Stadt auf die Straße stellt, „ein verlorener, praktisch hoffnungsloser Tunnelratten-Typus, eine Kreuzung aus degeneriert und unverwüstlich”. John gibt diesem Haufen halb bekloppter Müllmänner den Mut zurück, sich zu wehren, und es beginnt der anarchistische Rachefeldzug der Parias gegen das Establishment. Schade nur, dass man bis dahin schon fast alles Interesse am Verlauf der Handlung verloren hat.
Egolf hat als Punkmusiker angefangen. Die zentrale dynamische Forderung in der Punkmusik lautet: So laut wie möglich. Sehr laute Musik ist der Triebabfuhr förderlich, geht aber irgendwann auf die Nerven. Sprachmächtig, wollüstig entfesselt Egolf die Apokalypse in Baker. Der Übersetzer Frank Heibert, der Egolfs Ausbruch voller Neologismen und literarischer Anspielungen in wuchtigem Deutsch nachgedichtet hat, sagte, bei der Übersetzung dieses Romans habe er „bis zu den Ellbogen im Sprachmagma gewühlt”. Leider geht Egolf unter all den Eruptionen irgendwann der Bauplan seines Buches verschütt. Bezeichnet man ein Ereignis als eines der „unvergesslichsten und abstoßendsten Spektakel, die man je gesehen und gehört hat”, dann muss es, ganz egal, was da nun genau vorgefallen ist, einmalig bleiben. Das Buch bietet aber über fast 200 Seiten immer neue infernalische Rekorde und immer dieselbe Entropie im Endstadium, so dass sich die Beschreibungen des Ausnahmezustands irgendwann zäh wie Magma über die Seiten wälzen. So bleibt am Ende in all dem manischen Lärm nur leere Langeweile.
ALEX RÜHLE
TRISTAN EGOLF: Monument für John Kaltenbrunner. Aus dem Amerikanischen von Frank Heibert. Suhrkamp, Frankfurt/M. 2000. 502 S. , 49,80 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.01.2001

Besteigung der Abfallhalde
Tristan Egolf ruft nach der Müllabfuhr · Von Friedmar Apel

Der Mittlere Westen, der Korngürtel der Vereinigten Staaten, ist für manch einen das wahre Amerika. "Dies ist das Land der Jesus-Aufkleber auf den Gewehrständern, hier ist die Kirche der Droh- und Angelpunkt des täglichen Lebens, die Automarke des Mannes stellt ein größeres Statussymbol dar als seine Frau, und Familienwurzeln reichen so tief wie Quellwasser und verschlingen sich zuweilen. Das Gemeindeleben dreht sich um Hochzeiten, Beerdigungen, Schulsport, die ewige Maxime ,Wenn ich nur härter arbeite, wird schon nichts Schlimmes passieren' und die allnächtliche Zuführung von so viel heimischem Gesöff, wie nur eben reingeht." Hier hat der Abschaum aus Europa die Ureinwohner früh und gründlich ausgerottet, und die Auserwählung der weißen Rasse erklärt man sich mit einfachen Erkenntnissen: "Die Neger haben alle so breite Nasen, weil Gott ihnen aufs Gesicht treten mußte, um ihnen die buschigen Schwänze abzureißen." Das Funktionieren der Gesellschaft und das Glücksstreben des einzelnen in ihr beruht auf einem erprobten System von Heuchelei, Korruption und Verdrängung jenseits der Rechtsverfassung.

Wehe dem, der da Außenseiter ist. John Kaltenbrunner ist einer, und dazu verfügt er über eine "außergewöhnliche hohe Empfänglichkeit für Unheil", um nicht zu sagen, er ist "ein lebendes Katastrophenzentrum", zugleich aber der "am außergewöhnlichsten befähigte Mensch" der ganzen Gegend. Als literarische Figur hat er viele Ahnen: Hiob, Simplicissimus, Michael Kohlhaas, Kapitän Ahab, Tom Sawyer, Donald Duck und Superman.

Seine Schicksale als Betrogener, Beschädigter und Ausgestoßener in dem Provinzstädtchen Baker führen ihn im Verlauf der Handlung von naiver Subversion und unerwünschter Tüchtigkeit zu einem unstillbaren Haß nicht nur gegen "Einzelpersonen, sondern gegen die Gemeinschaft, die ihn als gesichtsloses Ganzes" umschließt. Warum aber, so fragt sich sein Erzähler, geht er dann nicht einfach weg auf Nimmerwiedersehen? Etwas Besseres als den sozialen Tod findet man schließlich überall.

Der 1971 geborene Tristan Egolf müßte es eigentlich wissen. Er hat längere Zeit in Indiana gelebt und die Leute dort mit dem Interesse eines Insektenforschers und Punk-Ethnologen betrachtet. So klassifiziert er die Menschen in "Methodistenvetteln", "Soziopathinnen", "Läusetreter", "Schmalzköpfe" oder "Flußratten", insgesamt als Pöbel und menschlichen Müll. Er blieb, um diese Geschichte zu erzählen, sein Held aber muß vor allem seine Bestimmung als Vehikel der Sozialkritik erfüllen.

John Kaltenbrunners Stunde nämlich naht, wenn er - als Müllmann auf der untersten Stufe der sozialen Leiter angekommen - im Panoramablick von der Abfallhalde herunter zur Erkenntnis kommt, wie die Sintflut heute auszusehen hätte. So überredet er seine Kollegen zu einem Entsorgungsstreik, der im Spätsommer bei Temperaturen von 35 Grad die Apokalypse über Baker hereinbrechen läßt. Nun verwandelt sich die Gegend in das, was sie für den Erzähler metaphorisch schon gewesen ist: in einen zum Himmel stinkenden, von Schmarotzern und Aasfressern bevölkerten Haufen Exkremente. Das alles nützt Kaltenbrunner nicht viel, er fährt doch in die Grube, und ein Schwein stürzt sich hinterdrein, immerhin aber hat er sich gerächt. Aber die Geschichte entkommt den amerikanischen Klischees nicht wirklich, sie ist Abweisung der amerikanischen Mythologie und ihre Gestaltung zugleich, ganz innerhalb des Musters, das von den Beat Poets bis zu Bruce Springsteen zum Arsenal der amerikanischen Selbstreflexion gehört.

Egolfs vulgärpsychologisch getränkte Fäkalsprache schöpft aus einem ebenso verbreiteten vermischten Soziolekt, sie wird aber in der barocken Übertreibung zu einem Kunstmittel. Nicht selten geht das dem europäischen Leser auf die Nerven, so zum Beispiel, wenn ein gewöhnliches, wenngleich widerborstiges Schaf als "das unbestritten älteste, fetteste und weitaus übellaunigste Tier, das er je gesehen" hatte, bezeichnet wird. Frank Heiberts tapfere Übersetzung steigert diese Künstlichkeit gelegentlich durch wenig zeitgemäße Ausdrücke wie "verteufelter Satansbraten" oder "unverschämter Flegel". Im ganzen steht die Einfalt der Handlung und ihr aufdringlicher Parabelcharakter in einem Mißverhältnis zum Aufwand an Adjektiven und der hysterischen Aufladung der Schilderung gewöhnlicher Situationen, aber auch zu einer passagenweise sehr beeindruckenden Detailliertheit und geschickten Ausbreitung von Kenntnissen. Das erzeugt manchmal Komik, häufig aber Überdruß, ebenso wie die souveräne Mißachtung der Erzählperspektive und anderer nützlicher Regeln des Handwerks, die der Autor offenbar als vitalen Einspruch gegen die Standardisierung des amerikanischen Erzählens durch creative wiriting-Seminare versteht (das College hat er imagegerecht "geschmissen"). Es sind aber neben der Grobschlächtigkeit der Sozialkritik gerade die aufgesetzten erzählerischen Wutausbrüche, die dem Leser die Freude am Debüt dieses begabten Erzählers zwischenzeitlich verderben.

Tristan Egolf: "Monument für John Kaltenbrunner". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Frank Heibert. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2000. 502 S., geb., 49,80 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Jörg Häntzschel klingeln regelrecht die Ohren bei diesem Landwirtschaftswestern, von dem ein geschätztes Fünftel "Massenschlägereien" ausmachen. Auch wenn er unter dem "schmerzhaften Dezibel-Level" leidet, ist er zunächst von dem "fulminanten ersten Drittel" des Romans beeindruckt und sieht in den angelegten Motiven und Konflikten des streitbaren Farmers Kaltenbrunner großes Potential. Doch nach und nach werden ihm die "maßlosen Vergleiche" und die Extremsituationen, die der amerikanische Autor entwirft, einfach zuviel. Das Buch verliere an "Kraft" und hinter den bizarren Details werde der "dürftige Inhalt und die ungeschlachte Ausführung" bewusst, moniert der Rezensent. Nach der eindrucksvollen Exposition laufe der Roman ins Leere und treibe den Leser dazu, den Rest so schnell wie möglich hinter sich zu bringen, fasst der Rezensent seine Lektüreerfahrung zusammen. Trotz dieser geharnischten Kritik aber lobt er ausdrücklich die "glänzende" Übertragung ins Deutsche durch Frank Heibert.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Monument für John Kaltenbrunner ist ein fruchtbares und faszinierendes Werk, das sich abhebt durch Farbigkeit, Überschwang, hervorragende Komposition und Erfindungsreichtum." Benjamin Wagener Times Literary Supplement