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Produktdetails
  • Polnische Bibliothek
  • Verlag: Suhrkamp
  • Seitenzahl: 215
  • Abmessung: 22mm x 114mm x 179mm
  • Gewicht: 248g
  • ISBN-13: 9783518410936
  • ISBN-10: 3518410938
  • Artikelnr.: 08198381
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Stephan Wackwitz geht in seiner ausführlichen Rezension zunächst auf das auch heute in Polen noch recht populäre Nationalepos "Pan Tadeusz" von Adam Mickiewicz ein, dem er anschließend "Beniowski" gegenüber stellt. Slowackis Verhältnis zu Mickiewicz sei - so meint Wackwitz - etwa mit dem von Jean Paul zu Goethe vergleichbar. Gleichzeitig fühlt er sich bei "Beniowski" an Laurence Sternes "Tristram Shandy" erinnert, bei dem ebenfalls der Reiz mehr in den ironischen und parodistischen Ausschweifungen liegt, als in der eigentlichen Handlung. Wackwitz betont stark die komischen und skurrilen Elemente in Slowackis Versepos, was ihn andererseits aber wenig zu wundern scheint. Schließlich sei der Held, der eigentlich Móricz Beyovszky hieß, und seinerzeit ein "überall in Europa berühmter Abenteurer" war (Wackwitz zählt einige Lebensstationen dieses Mannes auf, der u. a. "Karriere" als Pirat, Herrscher von Madagaskar und österreichischer Söldner gemacht hat), bestens dafür geeignet, ein komisches Vorbild für Slowackis Epos zu sein. Dieser habe mit großer Viruosität einen "Schlawiner" in eine "patriotischfaustische Figur" verwandelt. Großes Lob hat Wackwitz auch für den Übersetzer übrig, der seiner Ansicht nach nicht nur die komischen, sondern auch poetischen und ernsten Momente des Originals treffend ins Deutsche übertragen hat.

© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.03.2000

Enzyklopädie der polnischen Romantik
Juliusz Slowackis historisches Epos „Beniowski”
Zwei große Künstler hat Polen 1849 verloren: Chopin und Slowacki. Erst vierzig Jahre alt war der Dichter Juliusz Slowacki, als er im Pariser Exil starb. Seit 1831 hatte er dort, mit Unterbrechungen, gelebt, oft in fast völliger Isolation.
Aus dem ukrainischen Kremenez gebürtig, hatte er in Wilna, wo sein Vater, ein Dichter und Literaturkritiker, eine Professur innehatte, Jura studiert. Von der Mutter (die mit ihrem zweiten Mann einen vielbesuchten Musiksalon führte) verwöhnt, begabt und kapriziös, zählte er sich zu den Auserwählten. Zudem war er früh schon von der Tragik des eigenen Lebens überzeugt: Nach dem Tod des Vaters und dem tödlichen Unfall des Stiefvaters (der von einem Blitz getroffen wurde) musste er auch noch die unglückliche Liebe zu einer älteren Frau und den Selbstmord seines Freundes verkraften.
Den Ausbruch des „Novemberaufstands” (1830) begrüßte Slowacki mit einer zündenden Hymne – zu aktiver Teilnahme am Kampf war er aber nicht fähig (was er sich sein Leben lang vorwarf). Er verließ Polen, ging nach England, in die Schweiz, nach Paris, wo er sich nach vielen Enttäuschungen und Demütigungen die Anerkennung als Dichter erkämpfte. Dass ihm weder die ersten beiden Bände mit Verserzählungen und Dramen (1832) noch seine späteren Dramen, Kordian, Balladyna oder Lilla Weneda den ersehnten Erfolg gebracht hatten, war einerseits seiner für jene Zeit ungewöhnlichen Poetik zuzuschreiben, zum anderen seinem übersteigerten Selbstbewusstsein, das ihn unter den polnischen Exilanten unbeliebt machte. Ein Übriges tat, mit einem Verdikt, der bei ihnen hochangesehene, schon zu Lebzeiten zum Nationaldichter erhobene Adam Mickiewicz, als dessen Rivale sich Slowacki von Anfang an betrachtete. Mickiewicz hatte Slowackis Dichtung einmal mit einer schönen Kirche verglichen, in der Gott fehle.
Nach einer vorübergehenden Annäherung zwischen den Rivalen schrieb Slowacki Ende 1840 die ersten fünf Gesänge seines Epos Beniowski um und publizierte sie im Mai 1841: Es war eine deutliche Herausforderung an Mickiewicz: Beniowski sollte dessen Pan Tadeusz (1834), das Versepos über die Zeit der Napoleonischen Kriege, übertreffen!
Seinen Titelhelden fand Slowacki in dem ungarischen Abenteurer Móricz Benyovszky (1746–1786), der aus Ungarn nach Polen hatte fliehen müssen, wo er sich 1768 einer Verschwörung des patriotischen Adels gegen den König Poniatowski anschloss, dafür nach Sibirien verbannt wurde, von wo er unter abenteuerlichen Umständen floh. Später avancierte er zum Herrscher über Madagaskar; nach vielen weiteren Abenteuern kam er dort bei einem Gefecht ums Leben. 1790 erschienen in London seine aus dem französischen Manuskript übersetzten Memoiren. Das Buch war in mehreren Ländern, auch in Deutschland, erfolgreich, und der Autor galt alsbald sowohl den Ungarn als auch den Polen als Nationalheld.
Die Gestalt Benyovszkys, die Slowacki stark polonisierte („Moritz Kasimir Zbigniew – die drei Namen / Trug unser Held; Beniowski hieß sein Haus. ”), und die Handlung sind allerdings nicht das Wichtigste an dem Epos. Von weit größerem Belang sind die vielen Abschweifungen: subjektive Reflexionen zur Vergangenheit Polens, mystische Divagationen und polemisch-satirische Ausfälle gegen die persönlichen Feinde des Dichters.
Die Titelfigur selbst erscheint als ein Held von allgemein menschlicher Größe, den die Kritik heute zwischen Goethes Faust und Byrons Don Juan platziert. Der Rang des Dichters wurde aber auch von den Zeitgenossen erkannt. Zwar blieben die Finessen seines parodistischen Spiels mit den literarischen Konventionen, die Raffiniertheit seiner Reime, Bilder und Vergleiche, sein Witz und seine (Selbst-)Ironie manchem verborgen. Doch immerhin wusste man sein Talent, seine Sprach- und Verskunst, die von Ariosts Rasendem Roland und Tassos Befreitem Jerusalem inspiriert waren, endlich zu schätzen.
Den ersten fünf Gesängen folgten im Herbst 1841 fünf weitere, die zwar nie im Druck erschienen, mit Ausnahme des sechsten aber fast vollständig erhalten blieben. Vermutlich zwischen 1842 und 1846 setzte Slowacki das Epos fort, arbeitete aber auch die vorhergehenden Gesänge teilweise um.
Dem philologischen und dichterischen Können von Hans-Peter Hoelscher-Obermaier ist es zu verdanken, dass nun erstmals die von Slowacki selbst publizierten fünf Gesänge in ungekürzter Form sowie einige Auszüge aus dem handschriftlichen Nachlass auf deutsch vorliegen. Eines der Hauptwerke der polnischen Romantik und zugleich eines der großen Digressions-Epen des slawischen Sprachraums – neben Puschkins Jewgeni Onegin – wird damit hiesigen Lesern bekannt gemacht. Zwar bietet Puschkins „Roman in Versen” eine in sich geschlossene Handlung, während Beniowski, am englischen pikaresken Reiseroman orientiert, aus lose verbundenen Episoden besteht. Doch wie Jewgeni Onegin nach dem Urteil eines Zeitgenossen als eine „Enzyklopädie des russischen Lebens” anzusehen ist, könnte man Beniowski durchaus, mit Hoelscher-Obermaier, als „Enzyklopädie der polnischen Romantik” bezeichnen.
MARTA KIJOWSKA
JULIUSZ SLOWACKI: Beniowski. Eine Versdichtung. Hrsg. und aus dem Polnischen übersetzt von Hans-Peter Hoelscher-Obermaier. Polnische Bibliothek. Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M. 1999. 216 Seiten, 34 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.06.2000

Zähne knacken wie Ostereier
Ironisches Nationalepos der Polen: Juliusz Slowackis "Beniowski"

Es gibt eine europäische Nationalliteratur, in deren Zentrum die patriotische Literaturpolitik des neunzehnten Jahrhunderts allen Ernstes und mit einigem Erfolg ein Epos gestellt hat. Es ist die polnische und das romantische Epos, das in ihr den Platz des "Faust" oder des "Hamlet" einnimmt, ist Adam Mickiewiczs Versroman "Pan Tadeusz". In den letzten Monaten füllten sich die Kinos in Warschau, Krakau und Danzig allabendlich bis auf den letzten Platz mit Zuschauern, die Andrzej Wajdas Verfilmung des "Pan Tadeusz" sehen wollen, ein merkwürdiges opernhaftes Filmunternehmen, in dem historisch gekleidete Starschauspieler vor grandiosen Landschaften Verse sprechen: Man muss es sich ein bisschen so vorstellen, als hätte Volker Schlöndorff Goethes "Hermann und Dorothea" verfilmt und jeder Bundesbürger sich den Film mindestens einmal angesehen.

Nun könnte man dieses bemerkenswerte Nachleben einer untergegangenen Form einerseits auf die verunsicherte Identität eines jahrhundertelang geteilten und gedemütigten Landes zurückführen. In ihrer Not der Selbstdarstellung, so könnte es scheinen, hat die polnische Nation zu den schwersten verfügbaren Zeichen gegriffen. Doch kann diese literatursoziologische Überlegung nicht erklären, mit welcher Kraft Mickiewiczs "Pan Tadeusz" auch moderne Leser oder Filmzuschauer zu rühren vermag, wie schön und zwingend dieser Versroman sich auch in den zwangsläufig kompromittierenden Übersetzungen liest und welches vitale Nachleben er - zumindest in Polen - zu führen im Stande ist. Mickiewiczs "Pan Tadeusz" ist eine empirische Widerlegung gattungspoetischer Grundgesetze, die im Westen von Hegel, von Georg Lukács und von Jorge Luis Borges für unumstößlich gehalten worden sind.

Freilich hat Adam Mickiewicz, der Dichterheros der polnischen Nation, durchaus auch der mystischen Züge nicht entbehrt. Und der Preis, den auch ein großer und ausnahmehafter literarischer Ehrgeiz für die Wiederbelebung einer antiken Form in der Moderne dann eben doch entrichten muss, wird spätestens deutlich über der Lektüre des zweiten definitiven Versepos der polnischen Romantik, Juliusz Slowackis "Beniowski", einer Versdichtung, die die polnische Bibliothek Suhrkamp nun in einer Übersetzung vorlegt, die Hans-Peter Hoelscher-Obermaier mehr als eine schlaflose Nacht bereitet haben muss. Jener Preis ist die romantische Ironie. Juliusz Slowacki (1809 bis 1849), dessen Emigrantenschicksal dem Mickiewiczs bis in Details gleicht, steht seinem großen Rivalen literarisch etwa in dem Verhältnis gegenüber, das Jean Pauls Abstand zu Goethe markiert.

Nicht die idyllische Sehnsucht nach einem idealen Ausgangspunkt vor der politischen Katastrophe wie in Mickiewiczs Hauptwerk ist die Atmosphäre des "Beniowski". Slowackis Verdichtung ist auf einen aufsässig-ironischen, parodistischen Ton gestimmt. Die ersten fünf Gesänge des eigentlich viel umfangreicher angelegten Buchs sind der kuriose und nur durch die Konstellationen der polnischen Romantik ermöglichte Sonderfall eines frühmodernistischen Epos. Modernistisch ist schon die aus der komischen Literatur stammende Technik der endlosen Abschweifung. Wie Laurence Sternes Tristam Shandy mit seiner Erzählung der basics seitenlang nicht zu Rande kommt, wie seinem Erzähler in den entscheidendsten und rührendsten Momenten die triviale Wirklichkeit (have you wound the clock?) dazwischenfunkt, so verwandelt sich auch der epische Atemzug des "Beniowski" in ein kurzatmig-komisches Schnaufen, weil der Epiker sich aufs Kunstvollste nicht zwischen dem Wald und den Bäumen entscheiden kann und so virtuos vom Hölzchen auf Stöckchen kommt, dass er - auch dies ein modernistischer Zug - in der Beschreibung des Kleinsten und Abwegigsten seinen eigentlichen Gegenstand findet. Die Haupt- und Staatsaktionen des Helden lassen uns meistens kalt. Im Gedächtnis dagegen bleiben Stellen wie diese: "Als knackten Perlen gegen Diamant / Gleich Ostereiern beim Zusammenprall / So knackten ihre Zähnchen aus Kristall."

Komisch aber ist schon Slowackis Held, Móricz Beyovszky, wie die Originalbeschreibung seines Namens lautet, war ein zu seiner Zeit überall in Europa berühmter ungarischer Abenteurer, der vor gerichtlicher Verfolgung aus Oberungarn, der heutigen Slowakei, nach Polen fliehen musste, wo er an einer Adelsverschwörung teilnahm, von den Russen nach Kamtschatka verbannt wurde, dort ein Schiff kaperte, floh, sich vom französischen König zum Herrscher von Madagaskar einsetzen ließ, österreichischer Söldner sowie amerikanischer Bürger wurde und schließlich, wieder in Madagaskar, im Kampf gegen französische Soldaten ums Leben kam. Im alten Europa, wo für viele Lesesüchtige eine Reise in die nächste Kreisstadt ein großes Ereignis darstellte, wurde sein Lebenslauf ein Vorläufer der Romane Karl Mays. Seine Erinnerungen erlebten von 1790 bis 1816 zwanzig Buchstaben in sieben Sprachen, allein auf Deutsch wurden sie ein dutzendmal gedruckt. August Kotzebue und Christian August Vulpius dramatisierten das Leben des spätfeudalen Crocodile Dundee; seine Geschichte gehörte zu den Büchern, die die Deutschen lasen, während ihre Klassiker schrieben.

Slowacki scheint das poetische Programm vorgeschwebt zu haben, die Fahrten, Verwicklungen und zum Teil entschieden slapstickhaften Weiterungen dieses populären Helden ins Faustisch-Prometheische zu wenden, durch poetische Behandlung patriotisch-metaphysisch zu nobilitieren. Dass er schließlich an der Seite Mickiwiczs - als eine Art Schiller neben diesem polnischen Goethe - ins Pantheon der klassischen polnischen Literatur aufgenommen wurde, weist darauf hin, dass zumindest seine Zeitgenossen und deren Folgegenerationen dem merkwürdigen Werk einen derartigen Rang tatsächlich zugebilligt haben.

Moderne Leser freilich scheinen an Slowackis Epos eher den Spaß haben zu können, den uns die Lektüre des Jean Paul'schen "Titan" oder der Goethe'schen "Wanderjahre" bereitet. Wir genießen in solchen Büchern (deren eigentliche Intention wir nicht mehr recht nachvollziehen können, die wir aber trotzdem nicht vergessen haben) die frühe Erscheinung literarischer Möglichkeiten, die in der Moderne zu sich gekommen sind. Slowackis Virtuosität, Zähnchen in Ostereier zu verwandeln, das Triviale in Metaphysik, einen Schlawiner in eine patriotischfaustische Figur, können wir in unserer Zeit bei Italo Svevo wiederfinden, bei Calvino, Joyce oder bei Eckhard Henscheid.

Die Übersetzung Hans-Peter Hoelscher-Obermaiers macht bei diesem Spaß mit: "Exkurse nerven" übersetzt er oder "Ein smarter Typ, gerissen" oder "stets säuft er wie ein Loch". Und immer wieder gelingt es ihm, etwas von der poetischen Melancholie, dem plötzlich einbrechenden Ernst wiederzugeben, der neben jenen parodistischen und komischen Purzelbäumen die Qualität und Würde des Originals ausmachen muss: "Wer des Germanensklaven Marmorbild / In Rom je sah in stiller Trauer stehen. / Der weiß, was ein Gesicht - sei's tierisch, wild - / An Schmerz birgt, wenn die Stürme erst verwehen / Vom alten Land das Denken wird erfüllt / Zur alten Freiheit nun die Träume gehen . . ." Solche Passagen lassen den Leser ahnen, dass es nationale Erfahrungen gibt, die Schriftsteller noch zur Zeit Balzacs mit einigem Recht zu dem schweren Zeichen der historisch schon untergegangenen epischen Form greifen ließ.

STEPHAN WACKWITZ

Juliusz Slowacki: "Beniowski". Eine Versdichtung. Übersetzt und herausgegeben von Hans-Peter Hoelscher-Obermaier. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1999. 216 S., geb., 34,- DM.

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