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Sabine Neumann treibt in ihren Erzählungen ein raffiniertes Spiel mit den Geschlechterrollen, erzählt in ihren abgründigen Beziehungsgeschichten vom Verliebtsein, von Liebe, die zu Hass wird, von Abhängigkeiten, Ausbruchsversuchen und Versöhnungen.

Produktbeschreibung
Sabine Neumann treibt in ihren Erzählungen ein raffiniertes Spiel mit den Geschlechterrollen, erzählt in ihren abgründigen Beziehungsgeschichten vom Verliebtsein, von Liebe, die zu Hass wird, von Abhängigkeiten, Ausbruchsversuchen und Versöhnungen.
Autorenporträt
Geboren 1961 in Regensburg, Studium der Philosophie und Germanistik in Regensburg und Berlin, u.a. Tätigkeit als Deutschlehrerin in Finnland, 1995 Preisträgerin des Open Mike der Literaturwerkstatt Berlin, lebt in Berlin und Malmö/Schweden.
1996
Autorenstipendium des Berliner Senats
1997
Esslinger Bahnwärterstipendium
2000 Stipendiatin der Stiftung Künstlerdorf Schöppingen
2004 Arbeitsstipendium der Senatskulturverwaltung Berlin
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.02.2001

Putzmann gegen Schlampe
„Streit”: Mit drei Erzählungen gibt Sabine Neumann ihr literarisches Debüt
Der Streit beginnt mit dem Hausputz: Wer macht was wann sauber – und wie oft? Das Szenarium ist bekannt. Die mit Bedacht gelegten Sprengminen sind es auch, besonders sind nur die ungewöhnlich verteilten Rollen auf dem Liebes-Kampfplatz: Er ist der Putzer, sie die Schlampe. „Er hatte schon die Regale im Schlafzimmer abgewischt, sich zum x-ten Mal geärgert, dass sie da ihre leeren Kartons aufbewahrte, die weiß Gott keinen Nutzen mehr hatten, hatte sich gefragt, ob sie eigentlich schon mal in diesem Regal staubgewischt hatte (da hätte sie doch selbst drauf kommen müssen), hatte neben ihrem Kopfende vor dem Bett die angeschneuzten, zusammengeklebten Taschentücher aufgehoben und sich in seiner Gelassenheit gefallen. ”
Sabine Neumann beschreibt in der ersten Geschichte dieses Bandes präzise und eindrucksvoll den Ablauf eines Streits, in dem es keine neuen Winkelzüge oder Überraschungsangriffe gibt. Die souveräne Haltung des Putzers hält nicht an, denn sie liest Zeitungen, während er schrubbt, angeblich ordnet sie auf diese Weise den Stapel Altpapier. Was wäre, wenn er auch seine Papiere durchsähe, statt sich der Hausarbeit zu widmen? Er wischt auch den Schrank aus, wenn er mit der Küchenreinigung dran ist, sie tut das nie. Natürlich könnte man sich eine Putzfrau leisten (oder einen Putzmann, im Reinigungsgewerbe herrscht inzwischen durchaus Gleichberechtigung), aber es geht ums Prinzip, um Gerechtigkeit und grundsätzliche Anerkennung. Sie hasst das Putzen. Er liebt es. Dazwischen spielt sich ihr Paarleben ab mit all den „Du machst nie . . .” und „immer schon ich . . .” und „wenn ich so wie du . . .”.
Es geht um die Liebesfrage, wenn er das Bad säubert, obwohl er nicht an der Reihe ist, und sie darauf nur mit einer beiläufigen Bemerkung reagiert. Eigentlich möchte er großzügig sein, aber angesichts ihres Gleichmuts wächst sein Zorn. Ihr Kaffeefriedensangebot ist für ihn der blanke Hohn. Den gemeinsamen Konzertbesuch am Abend kann sie sich aus dem Kopf schlagen. „Es solle ihr ja nicht einfallen, die Karte an jemanden zu verkaufen, so brachte er sich ihr wieder ins Gedächtnis (es schien ja, als hätte sie ihn ganz vergessen!). Wie er das jetzt meinte? Fragte sie, und er hätte in die Luft gehen können über ihren unschuldigen Ton . . .”
Einer unausweichlichen Naturkatastrophe gleich gelangen Frau und Mann an den gefürchteten „point of no return”, jenen Augenblick, in dem man den anderen morden oder zumindest nie wieder sehen möchte.
Morden statt putzen?
Die einsichtigen Selbstreflexionen über das gemeinsame Putz- und Liebesleben helfen nicht, sondern führen geradewegs in einen Gewaltausbruch. Der Mann prügelt, die Frau verzeiht. Ein Alptraum mit freundlichem Ausgang. „Sie fragte, ob er jetzt lieber in seinem Arbeitszimmer schlafen wolle (sie wusste, dass er nach der Beendigung eines Streits mehr Abstand brauchte als sie, dass er dem Frieden misstrauischer gegenüberstand, dass er auch mindestens zwei Tage brauchte, bis er wieder mit ihr schlafen konnte). ” Und wenn sie nicht gestorben sind oder ein anderer dazwischen gekommen ist, werden sie zu einem jener Ehepaare, von denen es an anderer Stelle heißt, sie neigten zu besonderer Aufgeräumtheit, „als wollten sie verbergen, dass sie ihres Lebens überdrüssig geworden sind, als wollten sie beweisen, dass sie zu einer solchen Heiterkeit noch in der Lage sind. Aber jedes Wort gerät daneben, jeder Ton ist zu laut, jedes Lachen hier nahe am Schrei . . .”
In den empfindungsklugen Geschichten der 1961 geborenen Autorin geht es um die Liebe, um das, was sie mit den Menschen macht, um die fehlgeschlagenen Versuche glücklich zu werden, um die Fehler, die man vermeiden wollte, um das Verliebtsein mit all seinen Schrecken und falschen Hoffnungen. „Als wäre die Sehnsucht das eigentlich Wichtige im Leben. ”
Die Protagonisten dieser Erzählungen sind Mitte dreißig, „Frauen, die irgendwann einmal nichts mehr gefürchtet haben, als in einem Leben zu landen, wie ihre Eltern es vorgelebt haben”, die „was Sinnvolles machen wollten”, deren Leben „beziehungsmäßig” ein Desaster ist. Männer, die auf der Suche nach dem richtigen Leben grundsätzlich den falschen Weg einschlagen. Aber „was ist ein ,eigenes‘ Leben?” Da trifft ein erfolgreicher Werbeagenturbesitzer mit 60 Arbeitsstunden in der Woche seine frühere Geliebte wieder, die sich immer noch der Karriere verweigert. Und beider Existenz ist gleichermaßen furchtbar.
In diesen – trotz aller Liebestrostlosigkeit – komisch-grotesken Erzählungen und Psychogrammen tauchen die gelassenen Golf-Fahrer und -Spieler, die flächendeckend zu dieser Generation gehören sollen, nur als Schemen auf. Jeder für sich und alle vereint sind sie dagegen im Widerstand gegen die „Tyrannei des allgemeinen Glücksstrebens”. Es bleibt keine Hoffnung auf ein gutes Ende, konstatiert wird höchstens eine Sucht nach dem Happy End, und die entspricht einem Krankheitsbild.
Die Autorin hätte damit gute Chancen, zum neuen literarischen Sprachrohr ihrer Generation ausgerufen zu werden. Jenseits aller augenblicklich grassierenden Kritiker-Lust auf das literarische Fräuleinwunder lohnt die Lektüre der Genauigkeit und der Erzählhaltung wegen, mit denen Sabine Neumann auf die Liebenden, auf ihre seltsamen Bewegungen und Verrenkungen schaut, als wären es emsige Ameisen auf der Suche nach der Wahrheit, die immer noch nicht wissen, dass „dieses Wort Freiheit . . . ja auch nur gut für einen Lacher” ist.
MANUELA REICHART
SABINE NEUMANN: Streit. Drei Erzählungen. Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M. 2000; Suhrkamp Taschenbuch 3119; 174 Seiten, 16,90 Mark.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Wenn es nach Manuela Reichart ginge, so kann die Autorin gut und gerne "zum neuen literarischen Sprachrohr ihrer Generation" werden. Besonders gut hat der Rezensentin die Erzählung gefallen, in der es um das leidige Thema der Putz-Zuständigkeit in Beziehungen geht - nur sind diesmal die Rollen vertauscht: der Mann hat den Putzfimmel, die Frau hasst das Saubermachen. Reichart gefällt es, wie die Autorin anhand dieses Themas mit großer Genauigkeit psychologische Mechanismen aufzeigt, die aus einer Liebesbeziehung eine eingefahrene, biedere Angelegenheit machen, in der die hehren Ideale von einst bestenfalls einer nach außen zur Schau gestellten "Aufgeräumtheit" weichen. Das Anwachsen einer zunächst latenten Spannung (der Mann sieht seine Putz-Leistung nicht ausreichend gewürdigt, grollt, es fallen Sätze wie `du machst nie...`, `wenn ich so wie du` etc.) bis zum "point of no return", wo selbst ein Mord denkbar wäre, sieht die Rezensentin hier "eindrucksvoll" eingefangen. Insgesamt ein Band, in dem es viel um Sehnsucht, Stagnation und unerfüllte Hoffnungen in Beziehungen geht, so Reichart.

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