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Die Wittgenstein-Schülerin Elizabeth Anscombe zählt zu den einflussreichsten Philosophinnen des 20. Jahrhunderts. Mit der Monographie "Absicht" begründete sie die analytische Handlungstheorie, viele ihrer Abhandlungen gelten als Klassiker, aber nur wenige liegen bislang in deutscher Übersetzung vor. Der vorliegende Band füllt diese Lücke: Er versammelt zwölf von Anscombes wichtigsten Aufsätzen, die thematisch von der praktischen Philosophie über die Metaphysik und die Philosophie des Geistes bis hin zu Aristoteles- und Wittgenstein-Interpretationen reichen, also das ganze Spektrum ihres…mehr

Produktbeschreibung
Die Wittgenstein-Schülerin Elizabeth Anscombe zählt zu den einflussreichsten Philosophinnen des 20. Jahrhunderts. Mit der Monographie "Absicht" begründete sie die analytische Handlungstheorie, viele ihrer Abhandlungen gelten als Klassiker, aber nur wenige liegen bislang in deutscher Übersetzung vor. Der vorliegende Band füllt diese Lücke: Er versammelt zwölf von Anscombes wichtigsten Aufsätzen, die thematisch von der praktischen Philosophie über die Metaphysik und die Philosophie des Geistes bis hin zu Aristoteles- und Wittgenstein-Interpretationen reichen, also das ganze Spektrum ihres Denkens repräsentieren. Die Anmerkungen und Erläuterungen der Herausgeber sowie das Nachwort von Anselm W. Müller erschließen die Texte und bieten zusätzliche Einblicke in das facettenreiche Werk dieser solitären Denkerin.
Autorenporträt
Gertrude Elizabeth Margaret Anscombe (1919¿2001) war Professorin für Philosophie an der Universität Cambridge.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Auch wenn einige der hier enthaltenen Aufsätze der britischen Philosophin G.E.M Anscombe schon über 50 Jahre alt sind, kann Rezensent Dominik Perler ihnen in der "vorzüglichen" deutschen Übersetzung eine ganze Menge abgewinnen. Äußerst scharfsinnig scheint ihm die Autorin etwa in der Hinterfragung der Legitimation der Moralphilosophie in säkularisierten Zeiten. Hier fasziniert den Rezensenten die gnadenlose Zurückweisung jeglichen Sinns moralischer Pflichten durch die Autorin und ihre Versuche neue Legitimationen zu erkunden. Wenn Anscombe dabei bei Aristoteles landet, findet Perler dies mitnichten unkritisch antimodern, sondern bewundert die glasklare Diagnose und genießt deren schrittweisen Nachvollzug beim Lesen und die Vervollständigung von Anscombes eher skizzenhaften Löungsvorschlägen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.12.2014

Was soll das sein, eine moralische Pflicht?
Glasklar: Elizabeth Anscombe bringt auf sehr lehrreiche Weise philosophische Kartenhäuser zum Einsturz

Philosophie gleicht einem Kartenhaus. Mühsam werden einzelne Gedanken wie Karten aufeinandergeschichtet, und plötzlich bricht das ganze Haus zusammen, weil eine Karte ins Rutschen gerät. Die britische Philosophin Elizabeth Anscombe war eine Meisterin darin, Häuser aus Gedanken zum Einstürzen zu bringen. In ihren scharfsinnigen Aufsätzen, die nun in einer vorzüglichen deutschen Übersetzung vorliegen, zeigte sie immer wieder, dass angeblich sichere Theoriegebäude auf wackligen Fundamenten stehen.

Eines dieser Gebäude ist die Moralphilosophie. Es scheint selbstverständlich, dass es moralische Pflichten gibt, die für alle gelten. Ebenso selbstverständlich scheint es, dass die Moralphilosophie erklären sollte, worin diese Pflichten bestehen. Doch mit welchem Recht sprechen wir von moralischen Pflichten? Anscombe argumentiert, dass diese Redeweise einen christlichen Hintergrund hat. Traditionellerweise wurde angenommen, dass man bestimmte Dinge tun und andere unterlassen sollte, weil es einen göttlichen Gesetzgeber gibt, der dies vorschreibt. Doch was geschieht, wenn ein solcher Gesetzgeber in Frage gestellt oder ganz aufgegeben wird? Die Rede von moralischen Pflichten wird dann sinnlos. Wird in einer säkularisierten Welt der Gesetzgeber abgeschafft, werden auch die Pflichten hinfällig. Und dann ist es auch abwegig, sie in einer besonderen philosophischen Disziplin zu untersuchen. Daraus folgert Anscombe nüchtern, "dass es derzeit zwecklos ist, Moralphilosophie zu treiben".

Das ist starker Tobak. Man könnte einwenden, dass es doch Alternativen zum göttlichen Gesetzgeber gibt. Kann man nicht gegenüber einem weltlichen Gesetzgeber Pflichten haben? Natürlich, aber dann stellt sich gleich die Frage, ob noch ein Unterschied zwischen moralischen und rechtlichen Pflichten besteht. Gibt es nicht auch Pflichten gegenüber dem eigenen Gewissen? Sicherlich, aber das Gewissen ist keine feste Instanz, sondern verändert sich stets und ist leicht manipulierbar. Kann man dann nicht durch eine innere Gesetzgebung ein für alle Mal Pflichten festsetzen? Wohl kaum. Woher sollte man die erforderliche Autorität haben? Und wie sollte ein und dieselbe Person sich selbst Gesetze geben und sie befolgen? Dies wäre, wie Anscombe süffisant bemerkt, als würde eine Person zuerst im Inneren eine Abstimmung durchführen und dann der Mehrheitsentscheidung folgen.

Der besondere Reiz an Anscombes Argumentation liegt darin, dass sie gnadenlos alle Versuche zurückweist, der Rede von moralischen Pflichten einen Sinn abzugewinnen. Sie zeigt, bildlich gesprochen, dass eine wacklige Karte nicht stabiler wird, wenn man sie durch andere wacklige Karten zu stützen versucht. Damit bleibt auch das ganze Kartenhaus instabil. Natürlich sind seit dem Erscheinen des englischen Originaltexts vor über fünfzig Jahren immer wieder Stabilisierungsversuche unternommen worden. Aber die Schwierigkeit, die Anscombe auf den Punkt gebracht hat, bleibt bestehen: Woher erhalten moralische Pflichten eine normative Kraft? Es reicht nicht aus, einfach auf die Rationalität einer Person oder einer ganzen Kommunikationsgemeinschaft zu verweisen, die moralische Prinzipien einsieht und sich selbst Pflichten auferlegt. Dann taucht sogleich die weitere Frage auf, woher denn die Rationalität eine normative Kraft bezieht. Solange diese Frage unbeantwortet bleibt, droht das ganze Kartenhaus einzustürzen. Man könnte nun versucht sein, ganz die Finger von der Moralphilosophie zu lassen. Was jederzeit in sich zusammenfallen kann, sollte besser nicht berührt werden. Doch das ist nicht der Schluss, den Anscombe zieht - mit gutem Grund. Sie fordert dazu auf, beim Nachdenken über moralische Fragen neu anzusetzen. Zum einen sollte man untersuchen, wie eine Person überhaupt dazu kommt, bestimmte Handlungen auszuführen und andere zu unterlassen. Welche Überzeugungen, Wünsche und Absichten bringen sie dazu? Und wie wirken alle diese Faktoren zusammen? Will man diese Fragen beantworten, muss man zunächst Moralpsychologie betreiben und sollte nicht von Anfang an unterstellen, dass sich Handlungen an moralischen Pflichten ausrichten.

Zum anderen ist es auch entscheidend, historisch hinter die Erfindung der ganzen Rede von Pflichten zurückzugehen und sich einer Moralphilosophie zuzuwenden, die das gute Leben und das Gelingen eines solchen Lebens durch einen tugendhaften Charakter in den Vordergrund stellt. Das heißt konkret: Man sollte auf Aristoteles zurückgehen. Diese Aufforderung könnte leicht als ein Antimodernismus verstanden werden. Es ist daher nicht erstaunlich, dass Anscombe ein unkritischer Traditionalismus vorgeworfen worden ist. Dies ist aber verfehlt, denn sie flieht nicht vor der Moderne, sondern diagnostiziert glasklar Begründungsdefizite der modernen Moralphilosophie und greift deshalb auf eine alternative Konzeption zurück. Sie bastelt, wieder bildlich gesprochen, nicht am bestehenden Kartenhaus weiter, sondern wendet sich einem älteren Haus zu, das stabiler wirkt. Im Rahmen der Tugendethik, die den Charakter und die Natur der handelnden Person in den Vordergrund stellt, ist dieses Haus in den letzten Jahren kräftig ausgebaut worden. Ob es nicht auch hier wacklige Karten gibt, gilt es freilich zu prüfen. So stellt sich die Frage, ob man von der Natur einer Person sprechen kann, ohne ihr so etwas wie natürliche oder gar wesentliche Eigenschaften zuzuschreiben. Doch was geschieht, wenn man die Existenz derartiger Eigenschaften anzweifelt und das aristotelische Fundament der ganzen Theorie in Frage stellt? Dann gerät auch dieses Kartenhaus ins Wanken.

Es gibt wohl kein absolut stabiles Kartenhaus. Doch es bleibt faszinierend, Anscombes Attacke auf die moderne Moralphilosophie Schritt für Schritt nachzuvollziehen. Ihre Argumentation hat nichts an Frische und Originalität eingebüßt. Auch in den anderen Aufsätzen, die von der Wahrnehmungstheorie über die Philosophie des Geistes bis zur Metaphysik reichen, fällt auf, wie direkt und unverhohlen sie die fundamentalen Probleme anspricht, die in Spezialdebatten gerne verdeckt werden. Ihre eigenen Lösungsvorschläge sind nicht immer leicht erkennbar und liegen häufig nur in Skizzen vor. Aber es lohnt sich, die Skizzen zu vervollständigen. Dann wird deutlich, warum einige Kartenhäuser einstürzen müssen, damit Platz für neue Häuser entsteht.

DOMINIK PERLER

G.E.M. Anscombe: "Aufsätze".

Hrsg. und aus dem Englischen von Katharina Nieswandt und Ulf Hlobil. Mit einem Nachwort von Anselm W. Müller.

Suhrkamp Verlag, Berlin 2014. 400 S., br., 18,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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» ... es bleibt faszinierend, Anscombes Attacke auf die moderne Moralphilosophie Schritt für Schritt nachzuvollziehen. Ihre Argumentation hat nichts an Frische und Originalität eingebüßt.« Dominik Perler Frankfurter Allgemeine Zeitung 20141210