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Von der Generation Golf über die Generation X bis hin zu Frank Schirrmachers Methusalem-Komplott: Die Konjunktur des Generationskonzepts ist unübersehbar. Während jedoch der Begriff in seiner Geschichte über ein reiches Bedeutungsspektrum verfügt, wird davon im gegenwärtigen Streit um Generationengerechtigkeit oder in der soziologischen Definition der Generation als Erlebnisgemeinschaft nur ein geringer Anteil manifest. Diese Monographie unternimmt erstmals eine umfassende Wissenschafts- und Kulturgeschichte des Konzepts in seinen biologischen, politischen, pädagogischen, historiographischen…mehr

Produktbeschreibung
Von der Generation Golf über die Generation X bis hin zu Frank Schirrmachers Methusalem-Komplott: Die Konjunktur des Generationskonzepts ist unübersehbar. Während jedoch der Begriff in seiner Geschichte über ein reiches Bedeutungsspektrum verfügt, wird davon im gegenwärtigen Streit um Generationengerechtigkeit oder in der soziologischen Definition der Generation als Erlebnisgemeinschaft nur ein geringer Anteil manifest. Diese Monographie unternimmt erstmals eine umfassende Wissenschafts- und Kulturgeschichte des Konzepts in seinen biologischen, politischen, pädagogischen, historiographischen und literarischen Dimensionen. Das Spektrum reicht dabei von der antiken Begriffsbildung bis hin zu aktuellen demographischen und biomedizinischen Debatten.
Autorenporträt
Stefan Willer, geboren 1970, ist Doktorand am Institut für deutsche Philologie (Neuere deutsche Literatur) der Universität Münster. Arbeitsschwerpunkte: Sprachtheorie der Romantik, klassische Moderne und Gegenwartsliteratur.

Ulrike Vedder ist Literaturwissenschaftlerin am Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin. Promotion zur Mediengeschichte des Liebesdiskurses. Forschungen zu literarischen Erbschaften und Testamenten, zur Geschichte des Generationenkonzepts und zur kulturellen Transformation von Dingen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.03.2008

Ich bin von heute, Sie sind von gestern
Erfreulich respektlos: Eine Kulturgeschichte des Vexierworts "Generation"

Von Generation sowie Generationen im Plural kann auf irritierend unterschiedliche Weise die Rede sein. Man kennt Generationengerechtigkeit, Zellgenerationen in der Natur oder im Reagenzglas, Produktgenerationen, lost generation, "zweite" und "dritte" Generation von Migranten oder Überlebenden des Holocaust - und im Stile eines populären Markenzeichens: die Generation Golf. Blickt man in die Geschichte, wird die Sache nicht einfacher. Und gerade das ist interessant.

Einer von Sigrid Weigel geleiteten Forschungsgruppe am Zentrum für Literaturforschung in Berlin ist es zu verdanken, dass auf die bemerkenswerte Vieldeutigkeit (bei gleichzeitiger Dauerkonjunktur) der Generationenbegrifflichkeit in den letzten Jahren Licht fällt. Nach zahlreichen Aufsatzpublikationen und einer programmatischen Monographie unter dem Titel "Genea-Logik", geschrieben von Weigel selbst, bieten nun der Wissenschaftshistoriker Ohad Parnes und die Literaturwissenschaftler Ulrike Vedder und Stefan Willer eine Art Landkarte: Wo und wie kommt es vor, das "Konzept der Generation"?

Verzicht auf Pompöses

Die Autoren greifen weit aus, was der Materiallage offenkundig angemessen ist. Behandelt werden die Übersetzungs- und Begriffsgeschichte im engeren Sinne, das genealogische Denken im Mittelalter, im Mythos, in der frühen Neuzeit - Menschen, Göttergeschlechter, aber auch Sprachen erscheinen hier im Herkunftsschema der Generation. Erst die frühe Physiologie des 17. Jahrhunderts stiftet im Rückgriff auf Aristoteles einen stofflichen Naturalismus der Generation - bevor um 1800 die moderne Biologie auftritt, und zwar zeitgleich mit einem neuen Pathos der Gegenwart und "künftigen" Generationen in der Geschichtsphilosophie.

Auch im Geniebegriff, das arbeiten die Autoren mit Nachdruck heraus, stecken deutliche Verweise auf die Generation: Zeugung, Fruchtbarkeit, Weitergabe. Die Ästhetik enthält folglich an der Wende zum 19. Jahrhundert eine "physiologische Spur" - und als in der Folgezeit, mit Francis Galton und anderen, die Vererbungslehre den Geniebegriff in sich aufnimmt, beherrschen in der schönen Literatur wiederum Familien- und Verwandtschaftsdramen das Bild. Mit Kapiteln über das Generationskonzept in der Soziologie sowie der Eugenik der zwanziger und dreißiger Jahre, über die "Generationenkluft" als Topos der Nachkriegszeit, über die Traumaforschung und ihre Modelle der Übertragung von Verletzungen über Generationen hinweg wird auch das 20. Jahrhundert inspiziert. Das letzte Kapitel des Buches widmet sich ganz der Literatur: zum einen der literarischen Verarbeitung des Themas Klonen, zum anderen der Figur des Hermaphroditen. Gegenwärtig zeigen Romane von Michel Houellebecq, Kazuo Ishiguro, Jeffrey Eugenides vertraute Generationenmuster wie auch vertraute Geschlechterzuschreibungen in der Krise.

Was die Autoren fasziniert, können sie auch reichhaltig belegen: Die Rede von der "Generation" ist tatsächlich in vielen Feldern zu Hause - und dies, ohne dass sich eine Grundbedeutung dingfest machen ließe oder auch nur ein eindeutiges Herkunftsfeld. Die Autoren nennen das "nicht reduzierbare Vielgestaltigkeit": Von Anfang an meint das Wort ebenso sehr einen genealogischen Sachverhalt (dabei die Zeugung oder Schöpfung selbst wie auch das Resultat derselben) wie eine temporale Struktur und - beides miteinander verbindend - das Namhaftmachen einer Gegenwartsgemeinschaft oder Zeitgenossenschaft. Lediglich, dass wir inzwischen technische Produktreihen als Generationen bezeichnen, stellt wohl eine moderne Bedeutungsfacette dar.

Wenn das Buch eine These hat, dann ist es die, dass das Vexierwort "Generation" insbesondere zwischen einerseits naturalistischen und andererseits historisch-symbolischen Kontexten hin- und herwandert. Das disziplinär ungebundene Generationskonzept unterlaufe die "Demarkationslinien, die zwischen Natur-, Sozial- und Geisteswissenschaften gezogen sind", heißt es im Text. Was es dabei nun allerdings tut, ob es Diskurse vermittelt oder anstiftet oder einfach nur überall vorkommt und jeweils für die Mitanwesenheit des einen im anderen symptomatisch ist, lassen die Autoren - auch dort, wo sie nah ans Material herangehen - weitgehend offen. Das hat den Effekt, dass man als Leser eintaucht, aber unterwegs dann merkt, dass dies nicht geschah, um irgendwann wiederaufzutauchen.

Dass sie angesichts der Übermacht heterogener Befunde im Zweifel lieber Verzicht auf pompöse Thesen üben, ehrt die Autoren. Enthält nicht sogar das Wort "heterogen" die Genesis und damit die Generation? Der implizite Anspruch des Buches ist atemberaubend genug: Es unternimmt eine kulturwissenschaftliche Bestandsaufnahme, die sich inter-, ja eigentlich transdisziplinär verhält und die überdies nicht nur Theorie- und Alltagssprache, sondern auch literarische Fiktion als gleichberechtigte Reflexionsform des "Unabgegoltenen" historischen Erzählens miteinbeziehen möchte, um daraus "das" Konzept der Generation zu gewinnen.

Viel Staunenswertes

Eben hier würde man - träte das Buch mit stärkeren Thesen auf - sicherlich fragen: Welche methodologische Perspektive wird angestrebt? Was genau heißt Konzept? In welchem Sinne kann man tatsächlich von einer Einheit des Generationssyndroms sprechen? Weigel hat im selben Zusammenhang den Ausdruck "Genea-Logik" geprägt. Das legt einen latenten - logischen? eigenlogischen? - Zusammenhang der vielen Felder und Diskurse nahe, die der Generationsbegriff im Laufe der Jahrhunderte durchquert. Parnes, Vedder und Willer verweisen zwar auf Weigels Terminus, verwenden ihn aber kaum. Sie belassen es bei einer Art negativer Konzeptgeschichte, die einfach vieles in vielem wiederfindet. Auf diese Weise zeigt man Staunenswertes, aber in der Analyse wird so wenig festgelegt, dass es bei einem Panorama der Querverbindungen bleibt.

Das Buch geht auf der Ebene der Materialsichtung erfreulich respektlos mit üblichen Epocheneinteilungen und sehr angemessen auch mit dem Nationalsozialismus und den Nachkriegsdiskursen um. Namentlich im Blick auf das 19. und 20. Jahrhundert entsteht jedoch der Gesamteindruck einer eigentümlichen Harmonie. Liegt es am Untersuchungsobjekt, oder ist das der Preis für den Verzicht auf große Thesen? Jedenfalls scheint es, als legten die vielen Befunde in Sachen "Generation" letztlich eine Art Homöostase frei: ein Fließgleichwicht, das immer wieder neu für Wechselwirkungen und für Ausgleich sorgt - zwischen naturalistischen und kulturalistischen Tendenzen, zwischen Naturwissenschaften, Sozial- und historischen Wissenschaften, zwischen disziplinärem Wissen und Literatur.

PETRA GEHRING

Ohad Parnes, Ulrike Vedder, Stefan Willer: "Das Konzept der Generation". Eine Wissenschafts- und Kulturgeschichte. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008. 395 S., br., 14,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Mit einigen Ungereimtheiten lässt Christian Welzbacher die Leser seiner Rezension zurück. Viel verrät er nicht darüber, was die drei Autoren Ohad Parnes, Ulrike Vedder und Stefan Willer in ihrer kulturwissenschaftlichen Studie zum Generationenkonzept zusammentragen. Welzbacher selbst extemporiert recht allgemein zum Thema, um schließlich der Studie recht knapp zu bescheinigen, ungewollt in "totaler Verwirrung" zu enden. Außerdem stört er sich an der Beliebigkeit der Quellen, an der Interpretationswut der Autoren, an einer "Unschärfe der Darstellung" und am nichtssagenden Generationenbegriff. Ein Verriss also? Nein. Welzbacher nennt die Studie "spannend, gleichwohl zäh lesbar."

© Perlentaucher Medien GmbH