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Die Analyse kultureller Tatsachen führt ins Zentrum philosophischer und kulturwissenschaftlicher Begriffsbildung. Die in dem Band versammelten Studien greifen das historische, durch unglückselige Oppositionsbildungen abgedrängte Formulierungsangebot der Kulturphilosophie auf und erneuern es unter veränderten Bedingungen. Behandelt werden nicht nur systematische Aspekte, sondern auch rezeptionstheoretische Fragen sowie Formen und Figuren des Wissens.

Produktbeschreibung
Die Analyse kultureller Tatsachen führt ins Zentrum philosophischer und kulturwissenschaftlicher Begriffsbildung. Die in dem Band versammelten Studien greifen das historische, durch unglückselige Oppositionsbildungen abgedrängte Formulierungsangebot der Kulturphilosophie auf und erneuern es unter veränderten Bedingungen. Behandelt werden nicht nur systematische Aspekte, sondern auch rezeptionstheoretische Fragen sowie Formen und Figuren des Wissens.
Autorenporträt
Konersmann, RalfRalf Konersmann ist Professor für Philosophie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.01.2007

Umwege, die wir nicht vermeiden
Weit und voll: Ralf Konersmanns Formenlehre der Kulturphilosophie
Wer sich heute unter Kollegen als „Kulturphilosoph” bekennt, sieht sich ähnlichem Spott ausgesetzt wie der „Geschichtsphilosoph”. Während letzterer unter Selbstüberschätzung leide, verkörpere ersterer die laue Synthese, so die gängige Meinung. Immerhin ist der Kulturphilosophie in der Gestalt der „Kulturwissenschaften” eine weitausgreifende Helferin zugewachsen, die sich jedoch immer mehr als launig erweist. Wie viel „Philosophie” in der „Kultur” stecken dürfe, will die „Wissenschaft” bestimmen, nicht selten zuungunsten ihres eigenen Projekts.
Wie sehr dieses Bild einer Blickverengung entspringt, das versucht der Kieler Philosoph Ralf Konersmann seit einigen Jahren zu zeigen. 1999 verpasste er unter dem Buchtitel „Komödien des Geistes” seinem Anliegen eine menschlich-sympathische Bescheidenheit: „Kultur, das ist auch die Respektierung von Umwegen, die wir nicht vermeiden, von Fragen, die wir nicht beantworten, und von Ansprüchen, die wir nicht erfüllen können.” Vier Jahre später, in einer vielbeachteten „Kulturphilosophie zur Einführung”, legte Konersmann den eigenen Standpunkt so aus: „Kulturphilosophie ist die verstehende Auseinandersetzung mit der endlichen, von Menschen gemachten Welt – und das ist die Kultur.”
Lag in diesen Vorarbeiten der Schwerpunkt darauf, die gleichzeitige Weite und Fülle des „Kultur”-Begriffs als bedeutsamen Teil verschiedener philosophischer Traditionen auszuweisen, so widmet sich der neue Band der Stabilisierung dieses Nachweises. Er tut dies, indem er den Zuständigkeitsbereich der Kulturphilosophie konturiert: Es gehe ihr um „kulturelle Tatsachen”, das heißt, um „Zeugnisse menschlicher Selbst- und Weltverhältnisse, die gegenständliche Gestalt gefunden haben”. Konersmann sucht dann mittels einer „Gegengeschichte” (David Biale) zu einer vermeintlich von Hegel betriebenen Logifizierung des Denkens jene Traditionslinien auf, die aufgrund ihrer intellektuellen Offenheit von der „Philosophie” hin zum „Wissen” fortschritten.
Abgespeckte Varianten
Wie bereits in den früheren Arbeiten sind die Referenzautoren für eine solche „Aufmerksamkeitserweiterung” Leibniz, die französischen Enzyklopädisten, Simmel, Cassirer und Hans Blumenberg. Ihnen, so Konersmann sei „Kontingenz” nicht das Stillzustellende, sondern eine Herausforderung, Geschaffenes sei für sie der Nachweis „menschlicher Daseinsbewältigung”. „Kulturelle Tatsachen” betonen also den Werkcharakter menschlicher Kreativität im weitesten Sinne des Wortes. Doch dass es in Zeiten, die die Extreme lieben, um die Kategorien der Vermittlung nicht gut bestellt ist, weiß Konersmann sehr genau. Deshalb versucht er in 16 Studien eine Art Formenlehre zu entwickeln, die jene „kulturellen Tatsachen” als die „unsichtbaren Fäden” (Cassirer) ausweist, die uns mit der Vergangenheit verbinden und die gleichzeitig den Entwurf des Menschen auf die Zukunft hin positiv zu fassen sucht.
Zeit, Leben, Denken, Lesen und Sprache werden dem Kulturphilosophien zu transparenten Manifestationen des Geistes. Das heißt, dass diese Kategorien ebenso flüchtig und vorübergehend sind, wie sie als etablierte Festschreibungen aus dem klassischen Antwortregister ernstzunehmen sind.
Konersmann entwickelt seine Formenlehre folglich immer in einem Doppelschritt: Der Modulation bekannter Zusammenhänge tritt stets die Absicht zur Seite, den Problemcharakter jeder Konklusion prominent zu machen. Dazu bedient er sich eines ganzen Ensembles von Methoden: Begriffsgeschichte, historische Semantik, Rezeptionsgeschichte und Hermeneutik. Er liefert abgespeckte Varianten dieser Vorgehensweisen, um in den Phänomenen selbst das Potential zur Befriedigung und Schlichtung aufsuchen zu können. Kulturphilosophie, so verstanden, ist das Gegengift zur Formelsprache derer, die sich in philosophischen Ausnahmezuständen eingerichtet haben.
Dass das Insistieren auf Ausgleich, Konzillianz und Synthese keineswegs mit dem zumeist „faulen” Kompromiss gleichzusetzen ist, dazu liefert Konersmann unterschiedlich gut gelungene, aber stets mit hoher Aufmerksamkeit für die historischen Details geschriebene Essays. Besonders jene Untersuchungen, die sich als Teil der „Vernunftarbeit” begreifen, sind empfehlenswert.
Hingegen gelingt weder die Einzäumung Walter Benjamins noch die des französischen Denkers Vladimir Jankélévitch. Unzweifelhaft ist es Konersmann gewesen, der mit der Herausgabe von dessen „Das Verzeihen” im Jahre 2003 dem deutschsprachigen Publikum einen großen widerspenstigen Geist präsentierte. Doch der hier abgedruckte Text ist allzu deutlich für den Tag verfasst und fällt daher enttäuschend aus. Doch diese fünf Seiten sind der einzige Ausreißer in einem Band, der auf gelehrte und kluge Weise dort anknüpft, wo die Kulturphilosophie in Deutschland durch den Zivilisationsbruch endete. Der Blick auf die Möglichkeit, in dem Gewebe der drei Zeitebenen das genuin Menschliche der „kulturellen Tatsachen” zu entdecken, ist Konersmanns großes Verdienst. Kulturphilosophie ist nicht länger ein Unternehmen der Vergangenheit. THOMAS MEYER
RALF KONERSMANN: Kulturelle Tatsachen. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2006. 406 Seiten, 14 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Ralf Konersmann führt sein Projekt fort, den Kultur-Begriff als wichtigen Teil philosophischer Traditionen herauszuarbeiten. Im vorliegenden Band, so Rezensent Thomas Meyer, gebe der Autor eine Art "Gegengeschichte" zu einer an Hegel orientierten Philosophietradition mit "offenen" Denkern wie Leibniz, den französischen Enzyklopädisten, Simmel, Cassirer und Hans Blumenberg. "Kulturelle Tatsachen" seien in dieser Traditionslinie "transparente Manifestationen des Geistes", und Ralf Konersmann versuche in 16 Studien eine Art "Formenlehre" zu präsentieren. Diesen Ansatz, der mit einer Vielfalt von Methoden des Verstehens einhergehe, versteht der Rezensent als "Gegengift" zu philosophischer "Formelsprache". Die Essays würden historische "Details" stets sehr genau berücksichtigen und insbesondere die Arbeiten zur "Vernunftarbeit" haben dem Rezensenten gut gefallen. Einzig die Texte zu Walter Benjamin und Vladimir Jankelevitch seien weniger gelungen. Ralf Konersmanns großes Verdienst sei es, Kulturphilosophie als Disziplin der Gegenwart zu etablieren.

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