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Hegels Rechts- und Staatsphilosophie gilt im allgemeinen als konservative und reaktionäre Rechtfertigung der politischen Verhältnisse im Preußen der Restaurationszeit. Dennoch hat Hegel wie kein anderer die philosophische Diskussion der Grundstrukturen des modernen Staates bis heute nachdrücklich bestimmt. Obschon er seine Auffassung im Jahr 1820 in den Grundlinien der Philosophie des Rechts abschließend niedergelegt hat, finden sich in anderen Texten Hegels offenbar Abweichungen von der offiziellen Version der Grundlinien. In diesem Zusammenhang spielen seine Vorlesungen zur Philosophie des…mehr

Produktbeschreibung
Hegels Rechts- und Staatsphilosophie gilt im allgemeinen als konservative und reaktionäre Rechtfertigung der politischen Verhältnisse im Preußen der Restaurationszeit. Dennoch hat Hegel wie kein anderer die philosophische Diskussion der Grundstrukturen des modernen Staates bis heute nachdrücklich bestimmt. Obschon er seine Auffassung im Jahr 1820 in den Grundlinien der Philosophie des Rechts abschließend niedergelegt hat, finden sich in anderen Texten Hegels offenbar Abweichungen von der offiziellen Version der Grundlinien. In diesem Zusammenhang spielen seine Vorlesungen zur Philosophie des Rechts eine wichtige Rolle.

Mit der Mitschrift der Vorlesung aus dem Wintersemester 1821/22, die als Originalausgabe in der stw erscheint, können diese Vorlesungen vollständig dokumentiert werden.
Autorenporträt
Georg Wilhelm Friedrich Hegel wurde am 27. August 1770 in Stuttgart geboren und starb am 14. November 1831 in Berlin. Er wuchs in einem pietistischen Elternhaus auf. Vermutlich ab 1776 besuchte Hegel ein Gymnasium in Stuttgart, seit 1784 das Obergymnasium. Seine Interessen waren breit gestreut. Besonderes Augenmerk widmete er der Geschichte, insbesondere der Antike und den alten Sprachen. Ein weiteres frühes Interesse bildete die Mathematik. 1788 nahm Hegel an der Tübinger Universität das Studium der Theologie auf. Im September 1790 erhielt er den Grad eines Magisters der Philosophie, 1793 wurde ihm das theologische Lizenziat verliehen. Hegel profitierte viel von dem intellektuellen Austausch mit seinen später berühmten Zimmergenossen Hölderlin und Schelling. Sie hegten große Sympathie für die revolutionären politischen Ereignisse in Frankreich. Jedoch fand später durch das Scheitern Napoleons eine politische Umorientierung bei Hegel statt. Er wurde ein Anhänger der konstitutionellen Monarchie Preußens und söhnte sich mit den politischen Gegebenheiten aus. Hegels Philosophie erhebt den Anspruch, die gesamte Wirklichkeit in der Vielfalt ihrer Erscheinungsformen einschließlich ihrer geschichtlichen Entwicklung zusammenhängend, systematisch und definitiv zu deuten. In ihrer Wirkung auf die westliche Geistesgeschichte ist sie mit dem Werk von Platon, Aristoteles und Kant vergleichbar. Sein philosophisches Werk Phänomenologie des Geistes aus dem Jahre 1807 zählt zu den wirkmächtigsten Werken der Philosophiegeschichte überhaupt.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.06.2005

Zweideutig wie gehabt
Die letzte der Mitschriften von Hegels Rechtsphilosophie
Dass einmal ein Buch mit dem umständlichen, zudem leicht tautologischen Titel „Grundlinien der Philosophie des Rechts oder Naturrecht und Staatswissenschaft im Grundrisse” zu den Schlüsseltexten der Moderne zählen würde, dürfte wohl nicht einmal sein Verfasser, der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel, geahnt haben. Selbst als er schon eine Berühmtheit war, musste sich der „preußische Staatsphilosoph” in seinem Berliner Hörsaal, wo er neben Schleiermacher, Savigny, Ranke und dem jungen Schopenhauer lehrte, mit ein paar Dutzend Hörern zufrieden geben. Es kam hinzu, dass der Titelbegriff seiner „Rechtsphilosophie”, die im Jahr 1820 als selbstständige Schrift herauskam, noch kein Vierteljahrhundert alt war, also für damalige Verhältnisse ein Neologismus. So schien zunächst alles auf die Entlegenheit gelehrter Spezialprobleme hinzudeuten, von denen sich bestenfalls Fachleute angesprochen fühlen mochten.
Die ersten Reaktionen auf die Druckfassung fielen entsprechend dürftig aus - so dürftig, dass noch zehn Jahre später der Hegel-Schüler Eduard Gans die Neuauflage der Schrift mit der Klage über das „ungemeine Mißverhältnis” einleitete, „welches zwischen dem substantiellen Werthe des vorliegenden Buches und seiner Anerkennung und Verbreitung liegt”. Das war im Frühjahr 1833, anderthalb Jahre nach Hegels Tod. Es war zugleich der Beginn eines neuen Kapitels in der Rezeption, denn nun begann der Kampf der Schüler um das Erbe Hegels.
Auf der einen Seite fochten die „Freunde des Verewigten”, Konservative und Nationalliberale, die den Institutionalismus hochhielten und, mit Folgen bis weit in die Realgeschichte des 20. Jahrhunderts hinein, aus der „Rechtsphilosophie” die Unantastbarkeit des Staates herauslasen, wie er nun einmal war. Auf der anderen Seite standen die Linkshegelianer, Ferdinand Lasalle und vor allem der junge Marx, der in seiner „Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie” die Dialektik auf Hegel selbst zurückbezog, um mit Hegel gegen Hegel zu streiten. Auch dieser Aneignungsversuch erwies sich als folgenreich. Marx pries Hegel als den Entdecker sachlogischer Antinomien und Widersprüche, als denjenigen, der, wenngleich in „idealistischer” Verkehrung, die Distanz zwischen philosophischer Theorie und Wirklichkeit beseitigt habe. Mit seiner Rechtsphilosophie, so Marx, habe Hegel in Deutschland als einziger „mit der offiziellen modernen Gegenwart al pari” gestanden.
Doch nicht totalitär?
Man muss diese frühen Inanspruchnahmen vor Augen haben, um die besondere Strahlkraft zu begreifen, die bis heute von Hegels Schrift ausgeht. Geradezu idealtypisch bestätigt sich an der „Rechtsphilosophie” die Einsicht, dass in der Philosophie die Rezeption über den Rang eines Werkes entscheidet. Das Interesse an Hegel hat seine Konstante in einem Gedanken, den schon die historischen Kommentatoren Gans und Marx geäußert haben: dass mit den „Grundlinien der Philosophie des Rechts” erstmals eine umfassende philosophische Theorie der Moderne vorgelegt worden sei.
Es ist dieser Elementarbefund gegenwartsbezogenen, modernitätsbewussten Philosophierens, dem die Hegel-Lektüren und speziell die Lektüren der „Rechtsphilosophie” bis heute ihre Brisanz verdanken. Allerdings sind die groben Striche des 19. Jahrhunderts inzwischen differenzierteren Betrachtungen gewichen. Nachdem Joachim Ritter 1957 den ideologisch eingefärbten Hegelianismus der Vergangenheit als Vereinseitigung von Perspektiven verworfen hatte, die der Text in sich selbst ausbalanciert oder, um mit Hegel zu sprechen, „versöhnt”, haben Jaques D’Hondt, Karl-Heinz Ilting und Dieter Henrich zwischen einem offiziellen und einem konspirativen Hegel unterschieden. Es war der Versuch einer Nobilitierung Hegels mit den Mitteln der Philologie. In seinen Vorlesungen zur Philosophie des Rechts, die er seit 1817/18 regelmäßig hielt, habe er, so die These, den offenkundigen Etatismus der mit Rücksicht auf die Zensur entstandenen Druckfassung durch deutlich liberalere, ja staatskritische Äußerungen relativiert. Der Vorwurf des Totalitarismus, wie er spätestens seit Popper im Raum steht, sei in Wahrheit noch von Hegel selbst in seinen Vorlesungen vorgreifend entkräftet worden.
Das souveräne Amt der Kritik
Die nunmehr sechs Vorlesungsprotokolle, die seit den siebziger Jahren erschienen sind, beziehen ihre Relevanz aus dieser Forschungsthese. Hat Hegel im mündlichen Vortrag den Tenor der Druckfassung zurückgenommen, hat er ihn verändert, gar revidiert? Die vorliegenden Mitschriften bleiben den eindeutigen Nachweis schuldig, ebenso wie die neueste Publikation, die - bemerkenswert genug - nunmehr die letzte Lücke in der Reihe der rechtsphilosophischen Vorlesungen Hegels schließt.
Wie Herausgeber Hansgeorg Hoppe darlegt, gibt das anonyme Manuskript den Vortragstext des Jahres 1821/22 wieder, also die erste Vorlesung nach Erscheinen der Druckfassung. Zwanzig Jahre hat Hoppe gebraucht, um in minutiöser Kleinarbeit aus einem Manuskript voller Abkürzungen und orthographischer Eigenwilligkeiten, das 1984 in der damaligen Pädagogischen Hochschule in Kiel gefunden wurde, einen brauchbaren Lesetext zu machen. Die Indizien weisen das Kieler Manuskript als unkorrigierte Mitschrift aus, die, aus unbekannten Gründen, mitten in der Eröffnung des Staatsrechts-Kapitels nach gut zweihundert Seiten unvermittelt abbricht.
Wie die Buchversion setzt auch das Kieler Manuskript mit einer Selbstpositionierung ein, die konkurrierende Auffassungen knapp charakterisiert und zurückweist. Die „Peinlichkeit” (Ludwig Siep) der berühmten Vorrede, die wir aus der Druckfassung kennen, und ihre hämischen Bemerkungen über die ohnehin angeschlagenen liberalen Reformer ist gemildert, weil Namen diesmal fehlen. Hegel vergleicht Konzepte, nicht Köpfe.
Gleichwohl kann auch diese Sondierungsarbeit den altbekannten Eindruck tiefer Zweideutigkeit nur bestätigen. Das Vernünftige ist wirklich, das Wirkliche vernünftig, heißt es wie gehabt; „der Staat ist das Gebäude des Geistes in der Gegenwart und sein Werk ist das Werk der Vernunft.” Fast scheint es, als müsse die Philosophie den Sachverhalt nur noch bestätigen und den „Glauben des unbefangenen Gemüts” rechtfertigen, dass es in der Welt vernünftig zugegangen sei und noch immer zugehe.
Aber dann fällt Hegel sich doch selbst ins Wort. Der vorhandene Staat sieht sich durch die Philosophie mit „seiner wahrhaften Wirklichkeit” konfrontiert, mit „seinem inneren Leben”. Über die Idee des Rechts bringt Hegel die Selbstständigkeit der Vernunft ins Spiel und bekräftigt die Forderungen der Philosophie. „Das Vernünftige soll gelten”, heißt es auf den letzten Blättern; „das was geschehen soll, soll vernünftig bestimmt sein.” Hegels Modernität zeigt sich darin, daß er auf diesem Punkt beharrt. Seine Rechtsphilosophie, und gerade sie, erhebt Anspruch auf das souveräne Amt der Kritik.
RALF KONERSMANN
GEORG WILHELM FRIEDRICH HEGEL: Die Philosophie des Rechts. Vorlesungen von 1821/22. Hrsg. von Hansgeorg Hoppe. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2005. 237 S., 11 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

War Hegel wirklich der Anwalt der Unantastbarkeit des Staatsgedankens, oder eignet seine "Philosophie des Rechts" sich im Gegenteil gar zur modernistischen Kritik an staatlichen Konstrukten? Es bleibt auch bei der Lektüre der Vorlesungsmitschriften von 1821/22 beim "altbekannten Eindruck tiefer Zweideutigkeit", befindet Ralf Konersmann. 20 Jahre hat der Herausgeber, Hansgeorg Hoppe, einem anonymen Vorlesungsprotokoll gewidmet, das sich in der Pädagogischen Hochschule in Kiel fand. Bei aller Umfänglichkeit bleibt das schwer entzifferbare Manuskript ein Fragment, in der Eröffnung des Staatsrechts-Kapitels bricht es ab. Doch zumindest eines belegt diese Neuveröffentlichung: Hegels Modernität. Erhebt der Philosoph doch nachdrücklich, so der Rezensent, "Anspruch auf das souveräne Amt der Kritik".

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