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Die technisierten Gesellschaften befinden sich in einem rapiden Umbau der Natur und des Menschen, der beständig tiefgreifende Irritationen auslöst. Ohne Kriterien dafür, was an der bisherigen Natur und dem »ererbten« menschlichen Körper wertvoll ist, kann die Ethik zur Beantwortung dieser drängenden Fragen wenig beitragen. Moderne Ethiken sind jedoch zumeist begrenzt auf zwischenmenschliche Pflichten und universale Schmerzvermeidung. Demgegenüber beruht das alltägliche ethische Urteilen nach wie vor auf Vorstellungen einer besseren oder schlechteren Welt. In diesem Buch wird der Versuch…mehr

Produktbeschreibung
Die technisierten Gesellschaften befinden sich in einem rapiden Umbau der Natur und des Menschen, der beständig tiefgreifende Irritationen auslöst. Ohne Kriterien dafür, was an der bisherigen Natur und dem »ererbten« menschlichen Körper wertvoll ist, kann die Ethik zur Beantwortung dieser drängenden Fragen wenig beitragen. Moderne Ethiken sind jedoch zumeist begrenzt auf zwischenmenschliche Pflichten und universale Schmerzvermeidung. Demgegenüber beruht das alltägliche ethische Urteilen nach wie vor auf Vorstellungen einer besseren oder schlechteren Welt. In diesem Buch wird der Versuch unternommen, solche Vorstellungen im Rahmen einer holistischen Ethik zu präzisieren. Die Grundlagen einer Ethik der »guten Welt« werden im ersten Teil in metaethischen Kapiteln zur moralischen Sprache, zur Motivationstheorie, zu Formen der Begründung in der Ethik und zu einer empirisch fundierten Werttheorie gelegt. Von diesen aus werden im zweiten Teil, der konkreten Ethik, Kriterien für die Probleme der Bio- und Medizinethik sowie der Kultur- und Sozialethik entwickelt.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.04.2004

Güte, abgewogen
Dieser Wert der ganzen Welt: Ludwig Sieps konkrete Ethik
Je mehr der Mensch kann, desto intensiver muss er darüber nachdenken, was er tun oder lassen soll. Dieser triviale Satz lässt den Boom an „angewandter Ethik” verständlich werden, der seit 1970 weltweit zu beobachten ist. Der in Münster lehrende Philosoph Ludwig Siep spricht lieber von „konkreter Ethik”. In seinem „holistischen Konzept von Ethik” will Siep ein Reflexionsgleichgewicht zwischen allgemeineren „Kriterien des Guten” und je besonderen situationsethischen Urteilen beachten.
Überkommene allgemeine Kriterien sollen im Lichte neuer kollektiver Erfahrungen verändert werden, sodass Siep auch von einer „Wechselwirkung” zwischen Allgemeinheit und Besonderheit spricht. Das Allgemeine bestimmt er denkbar weit. Gegen einen modernen Anthropozentrismus, der ethische Reflexion auf die Regeln des Zusammenlebens freier menschlicher Subjekte und ihre Rechte wie Pflichten einschränke, will Siep Ethik wieder „zur Welt als ganzer” hin öffnen.
Doch wie lassen sich normativ hilfreiche Begriffe der „ganzen Welt” denken? Siep macht Anleihen bei diversen Evolutionstheorien, will gegen die Verwissenschaftlichung der Ethik das „ethische Alltagsdenken” mit der Vorstellung einer schlechteren oder besseren Welt rehabilitieren und greift den Begriff der „Schöpfung” auf, den er im Sinne einer „Wertvorstellung der Welt” überhaupt fasst. Er kämpft gegen eine dualistische „Trennung des Wertes und des moralischen Status des Menschen vom ‚Rest der Welt’”. Dieser Wertbegriff wird allerdings nirgends systematisch erläutert. Deutlich wird nur die Polemik gegen eine neukantianische Unterscheidung von analytisch-deskriptiven und normativ-wertenden Sätzen. „Holismus” meint insoweit eine allumfassende „intellektuelle Zusammenschau”: Im wohl geordneten „Ganzen einer guten Welt” sei kein Teil unabhängig von anderen oder vom Ganzen überhaupt ethisch bestimmbar. Oberster Maßstab menschlichen Handelns sei die Förderung der „Güte des Ganzen”. Folglich muss Siep dem Menschen eine „Fähigkeit zur unparteilichen Betrachtung des Ganzen” zuerkennen. Doch wie lässt sich Perspektivität ausschließen, wenn der Mensch als Teil der scala naturae bestimmt wird?
Jenseits der komplexen, widersprüchlichen Ganzheitsmetaphysik empfiehlt sich Siep als ein überaus sensibler, behutsam abwägender Ethiker. Seinen Holismus konkretisiert er in einer „graduellen Konzeption des werdenden Menschen und seiner Schutzansprüche”. Individueller Autonomie zieht er durch einen gemäßigten Paternalismus des Wohlergehens Grenzen. Gegen die in Deutschland herrschende bioethische Arroganz, als Weltmeister der moralischen Gewissheit Andersdenkenden Vorschriften über Lebensschutz und Grenzen der Forschung machen zu können, betont Siep die Offenheit der Diskussionslage, die noch keinen Konsens zwischen Konfessionen, Kulturen und Rechtsordnungen erkennen lasse. Zumeist plädiert er für graduelle Schutzkonzepte, sodass er die Forschung an embryonalen Stammzellen einschließlich möglichen therapeutischen Klonens unter bestimmten Bedingungen für verantwortbar hält.
Auch in der Frage der Selbstbestimmung des Menschen im Sterbeprozess verwirft er die konventionellen Unterscheidungen von aktiver und passiver Sterbehilfe zugunsten individueller Autonomie. Der philosophische Ethiker habe in all diesen schwierigen Fragen keine unbedingt gültigen, verbindlichen Antworten. Hier helfe nur die „Kunst des Abwägens”. In solcher Güterabwägung hat Siep eine Kunstfertigkeit entwickelt, die selbst die Schwächen seiner holistischen Wertmetaphysik vergessen lässt.
FRIEDRICH WILHELM GRAF
LUDWIG SIEP: Konkrete Ethik. Grundlagen der Natur- und Kulturethik. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2004. 395 Seiten, 14 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Ludwig Sieps "Konkrete Ethik" stellt nicht eben ein Desiderat dar - diesen Eindruck hat jedenfalls der "zyk" zeichnende Rezensent. Schon die Unterscheidung der "konkreten Ethik", die sich an einem "realistischen wertethischen Holismus" orientiert, von einer "angewandten Ethik" überzeugt ihn nicht. Gemäß der von Siep gegebenen Definition - wonach "die allgemeinen Begriffe, Werte und Normen im Prinzip von konkreten Problemlösungen und historischen Erfahrungen mit diesen Normen" müssten korrigiert werden können - gäben sich wohl viele Ethiker als konkrete zu erkennen. Sieps Credo lautet, dass in der Ethik von einer guten Welt die Rede sein müsse statt nur von Personen und ihren Rechten. Wenn diese Forderung jedoch hinausläuft auf die Feststellung: "Besser wäre eine Welt, in der es keine Kriege und keinen Hunger gäbe, keine Umweltverschmutzung und keine Klimakatastrophe, kein Artensterben und keine Abholzung des Regenwaldes usw.", dann fällt dem Rezensenten dazu nicht mehr ein als: "Wohl wahr."

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