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Produktdetails
  • edition suhrkamp 2329
  • Verlag: Suhrkamp
  • Seitenzahl: 384
  • Deutsch
  • Abmessung: 20mm x 108mm x 177mm
  • Gewicht: 235g
  • ISBN-13: 9783518123294
  • ISBN-10: 3518123297
  • Artikelnr.: 12057513
Autorenporträt
Dr. Annette Schavan, Jahrgang 1955, Politikerin. Sie lebt in Ulm und Berlin. Von 2005-2013 war sie Bundesministerin für Bildung und Forschung. Sie studierte Erziehungswissenschaften, kath. Theologie und Philosophie. Seit 2009 ist sie Honorarprof. der FU Berlin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.03.2004

Gefühle der Leere
Annette Schavan versammelt Experten der Bildungspolitik
Die Schule ist ein träges System, doch Weitermachen gilt nach Pisa nicht mehr. Zumindest das darf man als Konsens voraussetzen. Die Schule aber lässt sich nicht loslösen von der Familie, der Jugendarbeit, der Gesellschaft. Insofern ist es richtig, dass der von Baden-Württembergs Kultusministerin Annette Schavan herausgegebene Band „Bildung und Erziehung” Ärzte, Neurobiologen, Jugendforscher und Theologen zu Wort kommen lässt. Sie beschreiben die atmosphärischen Bedingungen für gutes Lernen, etwa: „Bildung ist nachhaltig nur im Junktim mit Bindung.” Das heißt, Kinder und Jugendliche lernen nur, wenn sie im Vertrauen und Selbstvertrauen aufgewachsen sind, ansonsten prallen Inhalte an ihnen ab wie Wassertropfen an einer Scheibe. Auch Gefühle sind notwendige Voraussetzung für erfolgreiches Lernen.
Das klingt einleuchtend. Doch die Realität macht deutlich, dass der Bildungsanspruch nicht leicht einzulösen ist: Leistungs- und Schulverweigerung tritt in immer früheren Jahren auf, oft hervorgerufen durch Gefühle der inneren Leere, Identitätslosigkeit, Vertrauensverlust. Und gerade mit den besonders benachteiligten Jugendlichen, die ohnehin ständig beschämt worden sind, müssen Pädagogen und Therapeuten immer wieder neu verhandeln. Menschen, die ihr Leben als eine Kette von Misserfolgen erlebt haben, sind selten bereit, sich auf Neues einzulassen. Doch der lange gehegte Bildungsoptimismus hat unterschätzt, wie stark sich wirtschaftliche, soziale und kulturelle Bedingungen auf den Wissenserwerb auswirken, und verkannt, dass Risikojugendliche eine milieuangemessene Bildung brauchen.
Vernachlässigt hat die Politik auch eine gute Familienförderung. Die Kosten für Betreuung und Schulen gelten nicht als Investitionen; sie werden als Posten in den Haushalten behandelt, die beliebig gekürzt werden können. So entsteht schnell der Eindruck, Kinder und Jugendliche seien eine öffentliche Last. Auch fühlen sich viele Eltern alleine gelassen, finanziell und moralisch. Dabei legen sie die Grundlagen für Bindungs- und damit Bildungsfähigkeit.
So weit die vielschichtige und größtenteils gelungene Diagnose mit einigen Handlungsanleitungen. Die Diagnose freilich ist immer einfacher als eine Therapie, vor allem wenn sie konkrete Verbesserungen der Schule verspricht. Die Lektüre des zweiten Teils „Impulse für eine Modernisierung der Schule” befriedigt deshalb kaum. Hartmut von Hentigs Beitrag, ein sammelbandtypisches Recyclingprodukt, lässt den Leser ratlos zurück. Denn Hentig hadert mit Pisa, mit den viel zitierten Vorbildern Finnland und Schweden – und bietet letztlich, wenig überraschend, als einzige Alternative die von ihm gegründete Laborschule Bielefeld an. Die Moraltheologin Regina Ammicht-Quinn bläst ins gleiche Horn der Furcht, über Pisa könnte der grundlegende Bildungsbegriff verloren gehen. Bildung als „cultivating humanity” ist schön gesagt, aber ebenso schnell verflogen, wenn es um konkrete Anforderungen an die Schule geht. Standards, Qualitätssicherung und neue Lehrpläne bleiben dann die wesentlichen, aber wenig überraschenden Impulse.
Ein Sammelband lebt in der Regel vom Patchwork. Vielleicht krankt „Bildung und Erziehung” ein wenig daran, dass dieses Patchwork zu einförmig ist, weil fast alle Autoren aus dem Dunstkreis von Baden-Württemberg oder dessen Bildungsrat stammen. Das Ländle mag sich durch eine solide und weitsichtige Schulpolitik auszeichnen. Doch herausragende Bildungsexperten soll es auch anderswo geben.
JEANNE RUBNER
ANNETTE SCHAVAN (Hrsg.): Bildung und Erziehung. Perspektiven auf die Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2004, 300 Seiten, 11,50 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Durchwachsen findet Rezensentin Jeanne Rubner diesen von der Baden-Württembergischen Kultusministerin Annette Schavan herausgegebenen Band, der Beiträge von Ärzten, Neurobiologen, Jugendforschern und Theologen zum Thema "Bildung und Erziehung" versammelt. Während sich Rubner von den "vielschichtigen" und "größtenteils gelungenen" Diagnosen im ersten Teil des Bandes durchaus überzeugt zeigt, hält sie den zweiten Teil, der "Impulse für eine Modernisierung der Schule" geben will, kaum für zufriedenstellend. Hartmut von Hentigs Beitrag etwa nennt sie ein "sammelbandtypisches Recyclingprodukt", das den Leser ratlos zurücklasse. Auch Regina Ammicht-Quinns Klage, über Pisa könne der grundlegende Bildungsbegriff verloren gehen, kann Rubner nichts abgewinnen. Insgesamt erscheint ihr der Band "zu einförmig", was nicht weiter verwundert, stammen doch fast alle Autoren aus dem Kreis von Baden-Württemberg oder dessen Bildungsrat. "Das Ländle mag sich durch eine solide und weitsichtige Schulpolitik auszeichnen", resümiert die Rezensentin, "doch herausragende Bildungsexperten soll es auch anderswo geben."

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