Marktplatzangebote
2 Angebote ab € 4,00 €
  • Broschiertes Buch

Der Autor fängt in diesen erzählerischen Miniaturen die Atmosphäre der sowjetischen Endzeit ein. Die Kulissen, aus denen seine Figuren hervortreten, gleichen denen der k. u. k. Epoche; der Zerfall eines großen Reiches ist überall zu ahnen.Der Ich-Erzähler durchforstet Städte und Szenenmilieus, Familien und Landschaften, mitunter auch Friedhöe. Sein Blick fördert den vegetabilischen Untergrund der Gesellschaft zutage.

Produktbeschreibung
Der Autor fängt in diesen erzählerischen Miniaturen die Atmosphäre der sowjetischen Endzeit ein. Die Kulissen, aus denen seine Figuren hervortreten, gleichen denen der k. u. k. Epoche; der Zerfall eines großen Reiches ist überall zu ahnen.Der Ich-Erzähler durchforstet Städte und Szenenmilieus, Familien und Landschaften, mitunter auch Friedhöe. Sein Blick fördert den vegetabilischen Untergrund der Gesellschaft zutage.
Autorenporträt
Oleg Jurjew, geboren 1959 in Leningrad, ist Lyriker, Dramatiker, Essayist und Erzähler. Veröffentlicht seit 1980. Seit 1991 lebt er in Frankfurt am Main. 1992 Stipendium der Akademie Schloß Solitude. Aufsehen erregte 1993 sein Stück "Kleiner Pogrom am Bahnhofsbuffet" während der Berliner Festwochen. Im Jahr 2010 wurde ihm der Hilde-Domin-Preis für Literatur im Exil verliehen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.07.2002

Petersburger Halluzinationskultur
Unbehaust kreativ: Oleg Jurjew kämpft mit Kleidungsstücken

Der russische Autor Oleg Jurjew, ein seit 1991 in Frankfurt lebender Petersburger, ist nach einigen Romanen und einem Theaterstück in deutscher Übersetzung nun auch mit einem schmalen Band von Erzählungen auf dem deutschen Buchmarkt präsent. Die Texte sind vor zehn Jahren im Original erschienen. Sie beschreiben, zumeist anhand von jüdischen Figuren, das Intellektuellendasein in der schon scheintoten Sowjetunion und wirken dennoch, ungeachtet ihrer historischen Entrücktheit, heute gespenstisch lebendig.

Vierundzwanzig Prosaminiaturen entwerfen - mit einem wiederkehrenden Personal von glücklosen Schriftstellern, unattraktiven Dichterinnen und obskuren Regisseuren- eine Reihe von exzentrisch depressiven Lebensfacetten. Sie spielen in Moskau, Leningrad, in der russischen Provinz, im sozialistischen Ungarn, im kapitalistischen New York sowie auf Zügen und Schiffen, die wie ein Mobile verbunden-unverbunden aneinanderhängen und sich allmählich zu jenem kleinen kaleidoskopischen Roman zu runden scheinen, welchen der Autor als Gattungsbezeichnung gewählt hat.

Jurjews unbehaust kreative Figuren nomadisieren in verlassenen Redaktionen und lichtlosen Proberäumen, sie kämpfen mit volkseigenen Schlafstätten, sanitären Defiziten und widerspenstigen Kleidungsstücken ungeliebter Frauen. Die spürbar von der Petersburger Halluzinationskultur und dem nordischen Licht gespeisten Texte veranschaulichen die alte Erfahrung, wonach materieller Mangel besonders leuchtende Visionen hervorbringt. Die nervöse Sinnlichkeit des Autors, welche Menschen vorübergehend mit Vögeln, Insekten oder Hunden die Maske tauschen läßt, wird klassizistisch diszipliniert durch den Kanon der russischen Literatur, der mit gleichsam phosphoreszierenden Erinnerungen an Gogol, Belyj oder Bulgakow noch die banalste Episode überwölbt. Freilich entlädt sich die Spannung zwischen Irdischem und Überirdischem dank dem entwaffnenden russischen Zynismus immer wieder auch im Kurzschluß, wenn etwa ein vom anderen Geschlecht enttäuschter Schriftsteller-Held ganz platonisch androgyn werden will, um sich selbst oral befriedigen zu können.

Daß die skizzierten Lebensfäden unfruchtbar verlorene Lichtquellen zurückwerfen und sich auf vorgezeichneten Satellitenbahnen bewegen, suggeriert auch das Mondlicht, das die Stücke begleitet. Des Autors Wissen um Nachleben und Tod seiner Figuren, das er gelegentlich einfließen läßt, macht seine Sprachkunstwerke vollends zu Szenenbildern der Vergänglichkeit. Zwingende Kraft verleiht ihnen ein musikalischer Impuls, der in vielen Stücken disparate Wahrnehmungsfetzen in einem Finale im Crescendo rekapituliert, vor allem aber die beklemmende Delikatesse von Jurjews realistisch surrealer Beschreibungsweise. Sie wird vermittelt durch die großartige Übersetzung von Birgit Veit, in der es, was selten geworden ist, keine Spur gibt von unverdauter russischer Syntax und Idiomatik und deren kristallfein wuchernde Prosa den Leser in sich hineinzieht, als wäre es ein deutsches Original.

KERSTIN HOLM

Oleg Jurjew: "Spaziergänge unter dem Hohlmond". Kleiner kaleidoskopischer Roman. Aus dem Russischen übersetzt von Birgit Veit. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2002. 133 S., br., 8,50 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Als "Szenenbilder der Vergänglichkeit" beschreibt Rezensentin Kerstin Holm diese 24 Texte. Sie ist begeistert von der "beklemmende Delikatesse" und "zwingenden Kraft", die sie besonders durch den musikalischen Impuls der Sprache von Autor Jurjew bekommen haben. Besonders die "nervöse Sinnlichkeit" dieser "spürbar von der Petersburger Halluzinationskultur und dem nordischen Licht gespeisten Texte" hat die Rezensentin beeindruckt. Die Geschichten beschreiben ihren Informationen zufolge - "zumeist anhand von jüdischen Figuren" - das Intellektuellendasein in der "schon scheintoten Sowjetunion". Als Schauplätze nennt die Rezensentin Moskau, Leningrad, die russische Provinz, das sozialistische Ungarn und das kapitalistische New York. "Wie ein Mobile" seien die Prosaminiaturen verbunden-unverbunden aneinander gehängt, und allmählich sieht Kerstin Holm, wie sie sich zu jenem "kleinen kaleidoskopischen Roman" runden, welchen der Autor als Gattungsbezeichnung gewählt hat. Vor zehn Jahren sei das Buch im Original erschienen. Nun hat Birgit Veits "großartige" Übersetzung" mit ihrer "kristallfein wuchernden Prosa" die Rezensentin in die Geschichten hineingezogen, "als wäre es ein deutsches Original".

© Perlentaucher Medien GmbH"