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Umfang und Formen der europäischen Migration nach Nordamerika sind sowohl für die Kolonialzeit als auch für das 19. Jahrhundert gut bekannt. Die Jahre von der Gründung der USA bis zum Einsetzen der Bundeseinwanderungsstatistik im Jahr 1820 sind hingegen bislang noch nicht wissenschaftlich untersucht worden. Diese Forschungslücke wird mit dem vorliegenden Buch geschlossen. Ausgehend von zeitgenössischen Schätzungen, werden das Volumen und die Strukturmerkmale der Einwanderung von den britischen Inseln und aus Mitteleuropa in die USA für den damaligen Haupteinwanderungshafen Philadelphia und, in…mehr

Produktbeschreibung
Umfang und Formen der europäischen Migration nach Nordamerika sind sowohl für die Kolonialzeit als auch für das 19. Jahrhundert gut bekannt. Die Jahre von der Gründung der USA bis zum Einsetzen der Bundeseinwanderungsstatistik im Jahr 1820 sind hingegen bislang noch nicht wissenschaftlich untersucht worden. Diese Forschungslücke wird mit dem vorliegenden Buch geschlossen.
Ausgehend von zeitgenössischen Schätzungen, werden das Volumen und die Strukturmerkmale der Einwanderung von den britischen Inseln und aus Mitteleuropa in die USA für den damaligen Haupteinwanderungshafen Philadelphia und, in einem zweiten Schritt, für das gesamte Land spezifiziert.
Die ökonomischen Aspekte von Auswanderung und Auswanderertransportgeschäft werden vor der Folie außen- und binnenwirtschaftlicher Daten analysiert. Darüber hinaus geht es darum, die Auswirkungen sowohl staatlicher Normierung als auch individuellen, informationsgestützten Handelns auf den Migrationsprozeß aufzuzeigen.

Im Ergebnis kann festgestellt werden, daß die Jahre um 1820 migrationsgeschichtlich das Ende der vorindustriellen Ära markieren, wenngleich sich der Umbruch zur neuzeitlichen Massenwanderung im gesamten Untersuchungszeitraum vollzogen hat. Mit Register.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.05.2002

Die weiße Sklaverei rückt vor
Ein migrationsgeschichtlicher Wurf: Hans-Jürgen Grabbe über europäische Amerika-Auswanderer

Selbstbewußt verkündete Präsident James Monroe in seiner Botschaft an den Kongreß vom 2. Dezember 1823, die in ihrem außenpolitischen Teil als "Monroe-Doktrin" in die Geschichte eingehen sollte, daß Amerikas Bevölkerung seit Gründung der Republik von drei auf zehn Millionen Menschen angewachsen sei. Nicht die Einwanderung, sondern die "natürliche Vermehrung" der bereits im Land Lebenden hätten zu dieser Entwicklung beigetragen. Ebenfalls im Jahr 1823 erschien in London ein Buch, in dem es hieß, ein "beispielloser Sturzbach" an europäischen Emigranten habe sich in den letzten vierzig Jahren über die Vereinigten Staaten von Amerika ergossen.

Wer hatte Recht? Um diese Frage zu beantworten, muß erst ermittelt werden, wie hoch die Einwanderung überhaupt in der Frühphase des amerikanischen Nationalstaats gewesen ist. Hans-Jürgen Grabbe geht diesem Thema in seinem Buch "Vor der großen Flut" gründlich nach. Wer einen Einblick gewinnen möchte, was es heißt, historische Grundlagenforschung zu betreiben, wird in den ersten Kapiteln dieses Buches bestens bedient. Denn für den Zeitraum, dem sich der Historiker zuwendet, existieren keine nationalen Statistiken. Vor dem Aufstieg New Yorks als Tor zur neuen Welt war Philadelphia der Hafen, über den die meisten Einwanderer die Vereinigten Staaten erreichten. Aus Aufzeichnungen der Hafen-, Zoll- und Gesundheitsbehörden sowie Zeitungen rekonstruiert Grabbe für Philadelphia und sein Umland am Delaware die Zahl der Einwanderer, um sie dann anschließend für die gesamten Vereinigten Staaten hochzurechnen. Zwischen 1783 und 1819 waren demnach in die Delaware-Region rund 132000, in die Staaten insgesamt 364000 Menschen eingewandert. Grabbe kann damit in neuerer Zeit publizierte Angaben bestätigen, die von einer relativ hohen Einwanderung ausgingen. Dennoch hatte auch Präsident Monroe Recht, denn in der frühen nationalen Phase erlebte Amerika in der Tat einen wahren Babyboom. Erst ab der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts wurde das Bevölkerungswachstum "ganz entscheidend durch die Masseneinwanderung" beeinflußt.

Zum Glück für die Leser gibt sich Grabbe nicht mit diesen spröden Datenanalysen zufrieden. Nach dem quantifizierenden Teil wendet er sich sowohl den wirtschaftlichen und staatlichen Voraussetzungen für die Migration als auch den eigentlichen Migrationsprozessen zu. Die Fülle der Informationen läßt ein plastisches, lebendiges Bild von den Motiven der Auswanderung, von der Tätigkeit der Werber, von den Kommunikationswegen zwischen Einwanderungsland und Auswanderungsregionen, von den zeitweise katastrophalen Zuständen in den europäischen Hafenstädten, von den Schrecken der Überfahrten entstehen.

Wer sich im Sommer 1817 als Auswanderer für die Überfahrt mit dem Schiff "April" entschieden hatte, sollte Teil einer ungeahnten Auswanderertragödie werden. Mit vierhundert Passagieren lag die "April" in dem Amsterdam vorgelagerten Den Helder vor Anker. Um die Überfahrt profitabel zu gestalten, warb man weitere Auswanderer an. Auf dem rund dreißig Meter langen und acht Meter breiten Schiff wurden schließlich annähernd tausend Menschen zusammengepfercht. Während der Wartezeit erhielten sie ausschließlich vitaminarme Kost. Passagiere schleppten Typhus ein. Angesichts der katastrophalen Zustände ließ die holländische Provinzregierung die Passagiere noch einmal ausschiffen. Dennoch kamen noch vor Abfahrt fast vierhundert Menschen ums Leben. Bei der Überfahrt der sechshundert Überlebenden im Oktober 1817 starben weitere hundert Menschen.

Die Tragödie brachte das seit Jahrzehnten bestehende "Redemptionersystem", bei dem die Auswanderer ihre Überfahrt nicht bezahlten, sondern sich verpflichteten, in Übersee ihre Passagekosten abzuarbeiten, in Verruf. Allerdings war dieser Mitleidseffekt nur ein kleiner Riß innerhalb des Redemptionersystems. Von weit größerer Bedeutung erwies sich, daß durch das Überangebot an "Redemptioners" nach 1817 viele Geschäftsleute ihre Fahrtkosten nicht wieder eintreiben konnten. Außerdem war es für die aufstrebende moderne Industrie wesentlich günstiger, je nach Konjunkturlage Beschäftige einzustellen oder zu entlassen, statt sich langfristig an Redemptioners zu binden.

Auch die öffentliche Meinung schlug um, und das Schlagwort der "weißen Sklaverei" machte die Runde. Als schließlich nach 1820 die Passagekosten drastisch fielen, wurde es für die europäischen Unterschichten möglich, die Überfahrt selbst zu zahlen. Der Niedergang des Redemptionersystems stand damit am Anfang der Masseneinwanderung. Grabbes Buch belegt in seiner differenzierten Argumentation und seiner breiten Quellenbasis eindrücklich, daß aus migrationsgeschichtlicher Perspektive "das achtzehnte Jahrhundert bis etwa 1820 reichte". Ein umfangreicher Dokumentenanhang über das Schicksal der "April" sowie das Redemptionersystem runden den Band ab.

JÜRGEN SCHMIDT.

Hans-Jürgen Grabbe: "Vor der großen Flut". Die europäische Migration in die Vereinigten Staaten von Amerika 1783 bis 1820. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2001. 458 S., 12 Abb., geb., 71,- €.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Die ersten Kapitel von Grabbes Studie sind, findet der Rezensent Jürgen Schmidt, geradezu mustergültige "historische Grundlagenforschung". Grabbe recherchierte in Behördenaufzeichnungen vom Anfang des 19. Jahrhunderts und rekonstruierte so annäherungsweise Zahlen zur Einwanderung nach Amerika. Auf das Zahlenmaterial folgen Informationen zu den Hintergründen der Migration, es ergibt sich, lobt der Rezensent, ein "plastisches Bild" nicht zuletzt der Hürden, die die Auswanderer zu überwinden hatten. So starben 1817, an Einpferchung und Typhus, vierhundert Überfahrtwillige noch vor Abfahrt des Schiffes "April" in Amsterdam. Beschrieben werden das Finanzierungssystem der "Redemption", das darin bestand, dass die Passagiere die Fahrtkosten in der neuen Heimat abarbeiten, und das Ende dieses Systems. Jürgen Schmidt bescheinigt dem Band eine "breite Quellenbasis" und "differenzierte Argumentation".

© Perlentaucher Medien GmbH
"This book deserves to become a standard reference." (American Historical Review)

" ... a fine study - Grabbe offers convincing analysis of the redemptioner system in the framework of foreign trade in general. In addition, he offers fine chapters of correlation between immigration and economic cycles both as to trade abroad and domestic cycles in the economy. Good bibliography, index." (Newsletter Society for German American Studies)

"This study affirms his place in the vanguard of German-American, and German Atlantic, historians and deserves an enthusiastic and appreciative readership." (International Review of Maritime History)

"This work, with all its scholarly complexity and detail, makes an important contribution and should find a place on the list of significant works in immigration history." (The Journal of American History)"Das vorliegende Buch ist als großer Wurf zu bezeichnen." Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 57, 2007
"Das vorliegende Buch ist als großer Wurf zu bezeichnen." Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 57, 2007