Marktplatzangebote
2 Angebote ab € 52,34 €
  • Gebundenes Buch

In nichts unterscheiden sich die europäischen und amerikanischen Ansichten so deutlich wie in der Sozialpolitik. Wie reagiert(e) ein Staat, der mit einer Vision der Freiheit des Individuums in einem noch weitgehend unerschlossenen Kontinent gegründet worden ist, auf soziale Herausforderungen, die mit dem Zeitalter der Industrialisierung und angesichts der fortschreitenden Globalisierung zum Kennzeichen des 20. Jahrhunderts geworden sind?
Erst als Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise gelang es dem New Deal Roosevelts in den 1930er Jahren, eine Politik begrenzter wohlfahrtsstaatlicher
…mehr

Produktbeschreibung
In nichts unterscheiden sich die europäischen und amerikanischen Ansichten so deutlich wie in der Sozialpolitik. Wie reagiert(e) ein Staat, der mit einer Vision der Freiheit des Individuums in einem noch weitgehend unerschlossenen Kontinent gegründet worden ist, auf soziale Herausforderungen, die mit dem Zeitalter der Industrialisierung und angesichts der fortschreitenden Globalisierung zum Kennzeichen des 20. Jahrhunderts geworden sind?

Erst als Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise gelang es dem New Deal Roosevelts in den 1930er Jahren, eine Politik begrenzter wohlfahrtsstaatlicher Interventionen zu begründen, die seit nunmehr siebzig Jahren in einem Spannungsverhältnis zu den traditionellen Freiheitsvorstellungen Amerikas steht. Anders als in Europa, wo soziale Sicherheit als Voraussetzung für politische Freiheit verstanden wird, bestehen in den USA auch heute noch Vorbehalte gegen einen Steuer erhebenden und Ressourcen umverteilenden, d.h. die Freiheit des Einzelnen beschränkenden Wohlfahrtsstaat. Diese Konfrontation wird hier auf breiter Quellenbasis untersucht. Das Buch liefert einen wichtigen Beitrag zum Selbstverständnis der amerikanischen Gesellschaft und zur Ausformung ihrer Sozialpolitik. Es zeigt darüber hinaus, dass die Möglichkeiten, wohlfahrtsstaatliche Vorstellungen von einem Land aufs andere zu übertragen, begrenzt sind.
Autorenporträt
Georg Schild, geb. 1961, Prof. Dr., studierte Neuere Geschichte an der Freien Universität Berlin und der University of Maryland, USA. Seit 2004 ist er Professor für Nordamerikanische Geschichte an der Universität Tübingen. Zahlreiche Publikationen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.06.2004

Andere Welt
In Amerika ist das Wachstum des Wohlfahrtsstaats gebremst - vorläufig

Georg Schild: Zwischen Freiheit des Einzelnen und Wohlfahrtsstaat. Amerikanische Sozialpolitik im 20. Jahrhundert. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2003, 429 Seiten, 62,20 Euro.

Aus der Feder des Bonner Politikwissenschaftlers Georg Schild liegt nunmehr eine umfassende Darstellung der Entwicklung der amerikanischen Sozialpolitik vor. Die Arbeit - ursprünglich eine Habilitationsschrift - quillt über von Details und Zitaten. Auch wird eine Art roter Faden erkennbar, indem die begrenzten Ambitionen der amerikanischen Sozialpolitik mit dem umfassenderen Ansatz kontinentaleuropäischer Sicherungs- und Umverteilungspolitik verglichen werden. Freilich wird gleich erkennbar, für wen das Herz des Autors schlägt: für die europäische Traditionslinie. Schild kann sein Bedauern über den, wie er sagt, bis heute nur "rudimentären" Ansatz der amerikanischen Wohlfahrtspolitik nicht verbergen.

Umfassende Sozialpolitik gibt es auf Bundesebene erst seit dem "New Deal" (1933 bis 1936). Damals wurde von Präsident Franklin D. Roosevelt ein soziales Sicherungssystem nach preußisch-deutschem Vorbild durchgezogen, gegen heftigen Widerstand des konservativen Amerika. Das war eine Revolution, denn, wie Schild schreibt, persönliches Eigentum wird in den Vereinigten Staaten moralisch und fast religiös überhöht. "In Amerika hat sich die Vorstellung nicht durchsetzen können, daß demokratisch legitimierte Regierungen zum größeren Wohl aller Bürger agierten, indem sie die Menschen vor den Auswirkungen eines ungeregelten Marktes schützten, sozial absicherten und Gemeinschaftsprojekte wie Krankenhäuser, Schulen und Kindergärten errichteten und dazu Steuern erhoben und Einkommen umverteilten."

Der Rooseveltsche Ansatz wurde vor allem von Präsident Lyndon Johnson in großem Stil weitergeführt. Mit Ronald Reagan kam dann der konservativ-liberale "Rückschlag". Dieser war jedoch, verglichen mit den Ambitionen des Präsidenten, eher bescheiden. So blieb das - wegen vergleichsweise geringer Umverteilungselemente - populäre Social-Security-System bis heute bestehen, auch wenn immer wieder von Privatisierung die Rede ist. Das Sozialbudget stieg unter der Reaganschen Regierung sogar, zumindest absolut, weiter an. Unter dem opportunistischen Reformer Bill Clinton kam es zu einer grundlegenden Reform der Sozialhilfe, erleichtert durch die günstige Arbeitsmarktlage. Dieses Wohlfahrtsgesetz setzt souverän durch, was in Deutschland "aktivierende Sozialhilfe" genannt wird. Es ging vor allem darum, Sozialhilfebiographien durch den Anreiz zur Arbeit zu unterbrechen und besonders auch nicht mehr länger den Status lediger Mütter und eheflüchtiger Väter zu subventionieren. In Amerika hält sich bis heute die in Deutschland kaum erörterte Unterscheidung zwischen "deserving" und "non-deserving poor", das heißt zwischen jenen, die wegen Arbeitsunfähigkeit auf öffentliche Hilfe angewiesen sind, und denen, die sich durch eigene Arbeit selber helfen könnten. Bis heute hat sich in den Vereinigten Staaten auch keine allgemeine Krankenversicherungspflicht durchgesetzt. Clintons Reformversuch scheiterte: Die Mehrheit der Amerikaner war einfach dagegen.

Die fleißig recherchierte, theoretisch allerdings nur schwach strukturierte Arbeit des Bonner Wissenschaftlers schließt mit den Bemerkungen: "Für Amerikaner stehen freedom und welfare-state noch immer in einem Spannungsverhältnis. Zusätzliche soziale Leistungen beruhen auf höheren Leistungen derjenigen, die arbeiten. Um dem einen zu geben, muß dem anderen genommen werden. Dazu sind die Amerikaner auch heute noch widerstrebend und nur in Krisenzeiten bereit." Doch besteht ein solches Spannungsverhältnis wirklich?

GERD HABERMANN

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Georg Schilds "Zwischen Freiheit des Einzelnen und Wohlfahrtsstaat " ist, so Rezensent Gerd Habermann, "fleißig recherchiert", "theoretisch allerdings nur schwach strukturiert". Die Arbeit biete einen von Details und Zitaten überquellenden Abriss der amerikanischen Sozialpolitik, die "mit dem umfassenderen Ansatz kontinentaleuropäischer Sicherungs- und Umverteilungspolitik verglichen" werde. Von Präsident Franklin D. Roosevelt über Lyndon B. Johnson, Reagan und Clinton folge Schild der Geschichte des "sozialen Sicherungssystems nach preußisch-deutschem Vorbild" in den USA. Dieses habe in konservativen Kreisen immer einen schweren Stand gehabt, da persönliches Eigentum in den Vereinigten Staaten "fast religiös überhöht" werde. Für die Amerikaner, so zitiert Habermann den Bonner Wissenschaftler Schild, stehen "freedom und welfare-state noch immer in einem Spannungsverhältnis". Habermann jedoch ist skeptisch, ob ein solches Spannungsverhältnis wirklich besteht.

© Perlentaucher Medien GmbH