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Bis 1989 war Angela Merkel eine junge, unauffällige Physikerin, die an der Ostberliner Akademie der Wissenschaften über Kohlenwasserstoffe forschte. Gleich nach dem Mauerfall begann ihre einzigartige politische Karriere: Stellvertretende Sprecherin der ersten frei gewählten Regierung der DDR, Bundesministerin für Frauen und Jugend, Umweltministerin, Generalsekretärin, Partei- und Fraktionsvorsitzende der CDU - und jetzt Kanzlerkandidatin der Union. Aus "dem Mädchen", wie Helmut Kohl sie gern nannte, ist die mächtigste Frau Deutschlands geworden. Was aber hat "das Mädchen" in dieser Zeit mit…mehr

Produktbeschreibung
Bis 1989 war Angela Merkel eine junge, unauffällige Physikerin, die an der Ostberliner Akademie der Wissenschaften über Kohlenwasserstoffe forschte. Gleich nach dem Mauerfall begann ihre einzigartige politische Karriere: Stellvertretende Sprecherin der ersten frei gewählten Regierung der DDR, Bundesministerin für Frauen und Jugend, Umweltministerin, Generalsekretärin, Partei- und Fraktionsvorsitzende der CDU - und jetzt Kanzlerkandidatin der Union. Aus "dem Mädchen", wie Helmut Kohl sie gern nannte, ist die mächtigste Frau Deutschlands geworden. Was aber hat "das Mädchen" in dieser Zeit mit der Macht angestellt und was die Macht mit ihr? Evelyn Roll ist dieser Frage aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln nachgegangen. Entstanden ist ein brillant geschriebenes biographisches Porträt und zugleich eine scharfsinnige Analyse der Berliner Mediendemokratie und ihrer Protagonisten.
Autorenporträt
Evelyn Roll, Jahrgang 1952, ist leitende Redakteurin der "Süddeutschen Zeitung" in Berlin. Nach dem Studium der Politischen Wissenschaften bei Wilhelm Hennis in Freiburg schrieb sie zunächst als freie Autorin für verschiedene Zeitungen und Sender. Seit 1983 ist sie Redaktionsmitglied der "Süddeutschen Zeitung", zunächst als Lokalreporterin in München, dann als Korrespondentin in Frankfurt, schließlich als Leiterin des Berlinbüros. Seit 1999 arbeitet sie als Autorin und Reporterin der "Süddeutschen Zeitung" in Berlin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.09.2005

Das eiserne Mädchen aus der Uckermark
In neuen oder aktualisierten Biografien wird Angela Merkel mal als illoyale Karrieristin, mal als couragierte Reformerin beschrieben
Noch in der letzten heißen Phase des Wahlkampfs löst Angela Merkel Verwirrung aus. Als könne man es immer noch nicht fassen, dass die ostdeutsche promovierte Physikerin aus einem protestantischen Pfarrhaus, obendrein schon einmal geschieden und kinderlos, dabei ist, Kanzlerin zu werden. Ehrgeizig und mutig verfolgte die 1954 geborene Quereinsteigerin in den letzten 15 Jahren beharrlich dieses Ziel - gegen immense Widerstände in ihrer Partei. Aber nicht nur dort, in diesem männerbündischen, katholischen Milieu stößt ihre Lust an der Macht auf Abwehr. Aus dem lange unterschätzten „Mädchen Kohls” wurde alsbald das „Eiserne Mädchen”, die „Physikerin der Macht”, „die eiskalte, berechnende Lady”, die während ihres Aufstiegs am Wegesrand Berge gemeuchelter Männer hinter sich ließ.
Wenn eine Frau die unter Männern üblichen Mechanismen politischer Karrieren erfolgreich einsetzt, sich mit den richtigen Leuten umgibt, politische Konkurrenten kaltstellt und klug die Strippen zieht, gilt sie hierzulande als herzlos und machtbesessen. In ihren politischen Lehrjahren bei Helmut Kohl konnte sie sich just jene Taktiken und Strategien des Machterwerbs aneignen. Auch Frauen scheuen sich nicht, diese ungewöhnliche weibliche Biografie zu attackieren - wie die Wahlkampfintervention der Noch-Kanzler-Ehefrau zeigte. Dagegen waren Einlassungen über Schwitzflecken in Bayreuth, Schattierungen des Lidschattens oder den roten Blazer der Kandidatin nachgerade harmlos.
Wer, fragen die Biografen beiderlei Geschlechts, ist diese Frau aus der Uckermark, die solch unerhörte Karriere gemacht hat - obwohl sie in ihrer Sprödigkeit und insistierenden Sachlichkeit dem um mediale Aufmerksamkeit ringenden Habitus der westdeutschen politischen Klasse nicht entspricht? „Sie ist schon immer von außen gekommen, aus einer anderen Welt. Und immer musste sie deswegen schon die Beste sein”, heißt es einmal. Als Pfarrerstochter im Arbeiter- und Bauernstaat kompensierte sie die daraus resultierenden Nachteile mit großem Ehrgeiz. In der Schule saß sie hinten, enthielt sich widerspenstiger politischer Äußerungen und schwieg über das, was in ihrer Familie debattiert wurde.
Beatles und Richard Wagner
So lernte sie früh, zwischen öffentlichem und privatem Sprechen und Handeln strikt zu unterscheiden. Nach ihrem Physik-Studium in Leipzig und der Promotion 1985 arbeitete Angela Merkel bis 1990 in Berlin-Adlershof an der Akademie der Wissenschaften als „illusionslose Jungwissenschaftlerin” - so Gerd Langguth. Sie war fleißig, feierte gerne, versuchte sich als Barkeeperin im studentischen Club, verehrte die Beatles, Richard Wagner und das Theater und nutzte alle Möglichkeiten zu Forschungsreisen. Ihr großes Idol ist Marie Curie. Und sie liebt bis heute ihre Heimat, die brandeburgische Uckermark.
In der Beschreibung ihres Lebenswegs bis 1990 sind sich die Biografen noch einig. Wenn es jedoch um Merkels Karriere in der CDU geht, scheiden sich die Blickwinkel entlang des Geschlechts. Aus ihrem Elternhaus nahm sie mit, dass die Wiedervereinigung Deutschlands ein hohes politisches Ziel sein müsse:„Wir hatten zu Hause immer den Spruch: Wenn die Mauer mal weg ist, gehen wir ins Kempinski Austern essen”, sagt Merkel rückblickend. 1990 entschloss sie sich, ihrer Sehnsucht nach Freiheit folgend, die Enge des DDR-Wissenschaftsbetriebs zu verlassen und in der Politik ein Experimentierfeld für sich selbst zu erobern. Sie legte sich in ihrer pragmatischen und unideologischen Art weder auf den sozialliberalen noch den rechtskonservativen Flügel der CDU fest.
„Ihren Aufstieg verdankt sie einer Reihe von Zufällen, der Gunst von Förderern, ihrem politischen Talent und ihrem außergewöhnlichen Mut, Chancen beherzt wahrzunehmen”, schreibt Jacqueline Boysen. Blieb sie als Bundesministerin unter Kohl bis 1998 eher unspektakulär, so sorgte im folgenden Jahr ihr öffentlicher Aufruf als Generalsekretärin, die Spendenaffäre wahrheitsgemäß aufzuklären, für großen Furor. Während die Biografinnen darin eine außerordentlich mutige Intervention sehen, deutet sie Langguth als einen „Akt der Illoyalität” gegenüber dem damaligen Ehrenvorsitzenden Kohl und Parteivorsitzenden Schäuble, die kurz hintereinander ihre Posten räumen mussten. Eher abschätzig begegnet er - selbst einmal Mitglied des Bundesvorstands der CDU - Merkels Auftreten als Parteivorsitzende, Fraktionsvorsitzende und später Kanzler-Kandidatin, trotz des zuweilen eingestreuten Lobs in seiner peniblen Biografie.
Ärgerlich sind nicht nur seine Unterstellungen über angebliche Stasi-Verstrickungen ihres Vaters. Schulmeisterlich und waghalsig psychologisierend zeichnet er zusammenfassend ein ressentimentgeladenes Porträt: die einsame, vom unbedingten Willen zur Macht getriebene, kühl den Kriterien der Effizienz und Rationalität folgende Frau ohne Vision. „Ein Bild der Zukunft hat sie nicht”, behauptet er kühn.
„Zweite Gründerjahre”
Die Biografien aus weiblicher Feder beschreiben dagegen eine couragierte Persönlichkeit. Mut hatte Merkel schon bewiesen, als sie im Februar 2003 zu Zeiten des Irak-Kriegs gegen die Regierung und den Mainstream in der Bevölkerung ein proamerikanisches Bekenntnis in der Washington Post ablegte. Der Wille, die Republik wie die eigene Partei zu modernisieren und den Anforderungen der Globalisierung anzupassen, finden sich bereits in ihrer Rede „Quo vadis, Deutschland?” vom Dezember 2003. In ihrem Plädoyer für den Umbau des Sozialstaats, den freien Wettbewerb, für weniger Staat und mehr Bürgerverantwortung stellt sie die Freiheit in der Wertehierarchie über die Solidarität und Gerechtigkeit. Ähnlich den Anstrengungen beim Wiederaufbau nach dem Krieg stünden „zweite Gründerjahre” auf der Agenda.
An die Westdeutschen gerichtet sagte sie einmal: „Ihr wisst gar nicht, wie viel sozialistische Elemente Ihr habt.” Die SPD grüßte sie anlässlich ihres 40-jährigen Bestehens mit den Worten: „Wer auch heute noch an seinem alten Misstrauen gegen die Kraft der Freiheit und das Prinzip des Wettbewerbs festhält und wer auch heute noch die in Staat, Gewerkschaften und Verbänden organisierten Interessen in das Zentrum seines Denkens und Handelns stellt, nicht aber den einzelnen Menschen, der hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt und bleibt in der Industriegesellschaft stecken.”
Im Wahlkampf hörte man solch deutliche Worte allerdings nicht vor ihr. Und der Slogan ihrer Partei - „Sozial ist, was Arbeit schafft” - nährt wieder die alte Lebenslüge, eine Regierung könne Arbeitsplätze schaffen und die Vollbeschäftigung aus alten Zeiten herbeizaubern. Aber mit der Wiedervereinigung ist nicht nur der Sozialismus der alten DDR, sondern auch das alte BRD-Modell des rheinischen Kapitalismus untergegangen. Trotz ihrer protestantischen Ehrlichkeit bleibt sie, so lange sie sich nicht aus der Deckung wagt und offen legt, wie sie Deutschland „dienen” will, eine schillernde Projektionsfigur. „Sie ist keine Reformerin, die kompromisslos Änderungen durchzusetzen plant. Sie ist eine Frau der Mitte, eine moderate Politikerin und ganz sicher keine Margaret Thatcher. Ihre Vision ist das Machbare, nicht der Griff nach den Sternen”, schlussfolgert Nicole Schley. Doch ihre Stärke liegt bis heute darin, immer wieder unterschätzt worden zu sein. Es bleibt die Frage, ob sie im Falle ihrer Kanzlerschaft es wagt, eine Politik zu machen, in der sich Freiheit und Demokratie nicht nur im so lieb gewonnenen Sozialstaat erschöpfen.
ULRIKE ACKERMANN
GERD LANGGUTH: Angela Merkel. dtv, München 2005. 399 S., 14,50 Euro. JACQUELINE BOYSEN: Angela Merkel. Eine Karriere, Ullstein, Berlin 2005 (aktualisierte Neuausgabe). 280 S., 8,95 Euro.
EVELYN ROLL: Die Erste. Angela Merkels Weg zur Macht. Rowohlt, Reinbek 2005 (aktualisierte Neuausgabe) , 363 S., 9,90 Euro.
NICOLE SCHLEY: Angela Merkel. Deutschlands Zukunft ist weiblich. Knaur, München 2005. 206 S., 7,95 Euro.
Auf den Spuren von Angela Merkel (im Uhrzeigersinn von oben links): Ein Klassenzimmer der von ihr besuchten Waldschule, ihr Haus in Hohenwalde sowie ein Hinterhof und eine Hausfassade in Templin.
Fotos: Plambeck/laif
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

"Was will Merkel mehr als die Macht?" Und wie viel DDR steckt eigentlich noch in ihr? Die Figur der Angela Merkel gibt Fragen auf, und zur Klärung ebendieser Fragen empfiehlt der Rezensent Jens König gleich zwei neu erschienene Biografien - Gerd Langguths "Angela Merkel" und Evelyn Rolls "Die Erste" -, die zwar zu einer ähnlichen Einschätzung gelangen, dies jedoch auf "grundverschiedene" und sich ergänzende Weise zuwegebringen. Schon in der DDR sei Merkel aufgrund ihrer Herkunft (sie stammt aus einer protestantischen Pfarrersfamilie) eine Außenseiterin gewesen und habe brillieren müssen um sich zu behaupten oder überhaupt zu bestehen. Aus diesem ständigen, prägenden und mit Ehrgeiz gepaartem "Fremdheitsgefühl" erkläre sich ihre "Unnahbarkeit" und ihr "effizientes, 'kaltes' Politikverständnis". Roll gehe dabei insofern nicht den typischen biografischen Weg, als sie sich weder um Chronologie noch Vollständigkeit bemühe. In ihrem Porträt gelinge es ihr, so der Rezensent, Merkels Werdegang "anschaulich, lebendig und mit dem außergewöhnlichen Gespür für jedes noch so kleine Detail" nachzuzeichnen. Manchmal jedoch wirke das Buch "fast zu schön", gerade wenn konkrete Recherche gefragt sei (etwa bei der Frage, inwiefern Merkel am Sturz von Wolfgang Stäuble beteiligt war), und sich die Autorin anstattdessen eher in Formulierungskünsten übe.

© Perlentaucher Medien GmbH
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Evelyn Roll - Angela Merkels beste Biographin! Die Welt