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Seit vier Jahrzehnten stehen sie auf der Bühne, haben alle Krisen, alle Moden überlebt und sind bis heute die Rockband schlechthin: The Rolling Stones. Willi Winkler erzählt in diesem Buch, wie Mick Jagger und die Seinen die ganze Welt zum Wahnsinn treiben, und lässt eine einzigartige Erfolgsgeschichte Revue passieren. Natürlich geht es dabei um Sex und Drugs, vor allem aber um den Rock'n'Roll - der noch immer so lebendig ist wie eh und je ...
Vor nunmehr vierzig Jahren verheerten die Rolling Stones wie ein Hunnensturm erst England, dann das restliche Europa und schließlich die USA. Während
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Produktbeschreibung
Seit vier Jahrzehnten stehen sie auf der Bühne, haben alle Krisen, alle Moden überlebt und sind bis heute die Rockband schlechthin: The Rolling Stones. Willi Winkler erzählt in diesem Buch, wie Mick Jagger und die Seinen die ganze Welt zum Wahnsinn treiben, und lässt eine einzigartige Erfolgsgeschichte Revue passieren. Natürlich geht es dabei um Sex und Drugs, vor allem aber um den Rock'n'Roll - der noch immer so lebendig ist wie eh und je ...
Vor nunmehr vierzig Jahren verheerten die Rolling Stones wie ein Hunnensturm erst England, dann das restliche Europa und schließlich die USA. Während sie die Skandalpresse beschäftigten, machten sie die wildeste Musik der Sechziger, spielten wie Blitz und Donner, produzierten reinen, unverfälschten Lärm, eben Rhythm & Blues, und trieben die Teenager auf der ganzen Welt zum Wahnsinn.
Mick Jagger und Keith Richards haben einige der größten Hymnen der Rockgeschichte geschrieben: "Satisfaction", "The Last Time", "Paint It, Black" - absolute Musik. Das ist lange her, aber wenn sich die Stones wieder zu einer ihrer unwiderruflich letzten Tourneen aufraffen, füllen sie jedes Stadion. Willi Winkler erzählt die Geschichte dieser Ausnahmeband, die alle Stürme, alle Moden überlebt hat - und lässt damit, wie nebenbei, vier Jahrzehnte Popkultur lebendig werden.
Autorenporträt
Willi Winkler, geboren 1957, war Redakteur der 'Zeit', Kulturchef beim 'Spiegel' und schreibt seit vielen Jahren für die 'Süddeutsche Zeitung'. Er ist Autor zahlreicher Bücher, u.a. erschienen 'Karl Philipp Moritz' (2006), 'Deutschland, eine Winterreise' (2014) und 'Luther. Ein deutscher Rebell' (2016). Willi Winkler, der auch als Übersetzer hervorgetreten ist und etwa John Updike, Saul Bellow oder Fran Lebowitz ins Deutsche übertrug, wurde mehrfach für sein Schreiben ausgezeichnet, u.a. mit dem Ben-Witter-Preis, dem Otto-Brenner-Preis für kritischen Journalismus und dem Michael-Althen-Preis.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.12.2002

Delta-Blues
Von SZ-Autoren: Willi Winkler
erzählt vom Ritter Mick Jagger
Im Herbst 1961 stand der Student der Nationalökonomie Michael Philip Jagger vor der schwierigsten Entscheidung seines jungen Lebens: Sollte er weiter die London School of Economics besuchen oder doch lieber mit einer Gruppe bleichgesichtiger Enthusiasten den schwärzesten Delta-Blues singen? Da griff das Schicksal ein und lenkte alles zum Guten: Jagger traf den frühreifen Hipster Keith Richards, schloss Freundschaft mit der Bohème, ließ das Studium sausen und statt dessen sein Becken kreisen. Er sang mit den wulstigsten Lippen, die je ein Weißer auf der Bühne präsentiert hat, und schmeichelte sich unweigerlich in die Herzen der stolzesten Frauen. Wie unterwegs die Rolling Stones und einige der schönsten Lieder der gesamten Literaturgeschichte entstanden, wie schließlich aus dem 18-jährigen Studenten doch noch ein ausgekochter Geschäftsmann und sogar ein echter Ritter wurde – das alles und noch viel mehr erzählt Willi Winkler in seinem Buch „Mick Jagger und die Rolling Stones”.
SZ
WILLI WINKLER: Mick Jagger und die Rolling Stones. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2002. 288 S., 24,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.10.2002

Man hatte viel, und doch war an allem etwas zuwenig
Die Rolling Stones, ein Fall für die Geschichtsschreiber: Stephen Davis und Willi Winkler berichten / Von Jochen Hieber

Die Schlachten sind geschlagen - und die Rolling Stones haben sie allesamt gewonnen. Die wievielte Welttournee ist es eigentlich, die sie vor gut vier Wochen in Boston begonnen haben und die bis weit ins kommende Jahr hineinreichen wird? Die fünfte, die zehnte? Die wievielte Tour überhaupt? Die dreißigste, die vierzigste? Wäre der Bassist Bill Wyman noch Mitglied der Band: Er wüßte es so genau wie die Anzahl der Mädchen und Frauen, die je sein Bett teilten und über die er mit der durchaus unaristokratischen Akkuratesse eines britischen Buchhalters Protokoll geführt hat. Aber Wyman, 1936 geboren, hat die Band vor zehn Jahren verlassen - und den verbliebenen Stones ist die schiere Statistik ziemlich egal. Uns auch. Sicher ist, daß Charlie Watts, zweiundsechzig Jahre alt, Keith Richards und Mick Jagger, jeweils neunundfünfzig, zusammen mit dem vier Jahre jüngeren Ron Wood und der Korona der Begleitmusiker wieder die Hallen und Stadien füllen und ihre Songs mal höchst engagiert, mal eher gelangweilt präsentieren. Am Ende der neuen Tour werden sie aufs neue Millionen von Menschen erreicht und Abermillionen von Dollars eingenommen haben.

Es ist jedoch beileibe nicht nur das Phänomen des Überdauerns, das diese dienstälteste Rockband des Universums so einzigartig macht. Singulär wurde sie auch durch die Werte - ja, Werte -, die sie selbst in die Welt setzte oder deren bisweilen bewußter, bisweilen auch ganz unabsichtlicher Repräsentant sie war. Keine neuen Werte freilich ohne das Attackieren der alten. Der Autor K.K. - Karl Korn, weiland Mitherausgeber und Feuilletonchef dieser Zeitung - hatte schon recht, als er im Frühherbst 1965 sein baß erstauntes Unvermögen artikulierte, diese "Londoner Beats" und ihre "halbwüchsigen Fans" auch nur im Ansatz verstehen zu können. Man wollte damals von den Herolden der Hochkultur auch gar nicht verstanden werden - und also stimmte die Kommunikation vollkommen, gerade weil sie, eine Zeitlang, gar nicht stattfand.

"Die haben nichts!" schrieb Korn, Jahrgang 1908, so flehentlich wie verzweifelt. Weit gefehlt. Man hatte, in der Tat, "keine elementare Not", wenn man ein Kind des Westens und nach dem Zweiten Weltkrieg geboren war, mehr noch: Man gehörte, wie der Amerikaner Stephen Davis in seiner Bandbiographie "Die Stones" notiert, zur "reichsten, am besten ausgebildeten, in jeder Hinsicht abgesicherten Generation in der Menschengeschichte". Das ist ja nicht nichts - und war trotzdem zuwenig. "I Can't Get No Satisfaction", sofort die Weltjugendhymne des Jahres 1965, ist, wie der Münchner Kritiker Willi Winkler in seinem feuilletonistischen Potpourri "Mick Jagger und die Rolling Stones" feststellt, "als Text . . . Konsumkritik von der lächerlichsten Sorte". Aber wen, das weiß er auch, interessierte der Text? Das Riff auf der verzerrten E-Gitarre, mit dem der Song beginnt und das Keith Richards in einer seiner frühen amerikanischen Nächte geträumt haben will, das Riff, dem Charlie Watts am Schlagzeug sofort die hämmernde Grundierung gibt und in das der Sänger Mick Jagger nach fünfzehn Sekunden mit der programmatischen Titelzeile einfällt: Diese kleine, kostbare Ewigkeit brachte ein Lebensgefühl auf den Punkt, das die Stones in den zwei, drei Jahren zuvor mit Stücken wie "I Just Want to Make Love With You", "Tell Me" oder "Little Red Rooster" präludiert hatten und das, um ein literarisches Exempel zu bemühen, etwa in Ingeborg Bachmanns Sprachriff "an allem ist etwas zu wenig" aus der Erzählung "Der Schweißer" seine Entsprechung fand.

1978, dreizehn Jahre nach "Satisfaction", erschien die LP "Some Girls". In "Respectable", dem zweiten Lied der zweiten Seite, zog Jagger ziemlich rüde über seine frisch entliebte Ehefrau Bianca her und zugleich lakonisch Bilanz: "Well now we're respected in society." Gesellschaftlich respektiert zu sein, so erzählt der Song, hieß, vom amerikanischen Präsidenten eingeladen zu werden, mit ihm über Drogen zu diskutieren und dabei erkennen zu lassen, daß man sich des Problems bewußt sei, es aber schon irgendwie in den Griff bekäme. Sechsmal war Keith Richards bis dahin wegen Rauschgiftdelikten verhaftet worden, in Kanada drohte ihm lebenslang Gefängnis. Die sieg-, aber auch verlustreichste Schlacht der Stones war die gegen die Sucht; fast zu einem Monument an Widerstandskraft gegen die selbst zugefügte Zerstörung sind sie darüber geworden.

Über weite Strecken liest sich die so getreulich wie konsequent Jahr um Jahr durchschreitende Bandgeschichte von Stephen Davis denn auch wie eine Chronologie des Koksens, Spritzens und Saufens, der Gerichtsverhandlungen, Entziehungskuren und Rückfälle. Wobei ihr stets zum Vorteil gereicht, daß sie weder moralisiert noch heroisiert. "Es war das erste Mal, daß ein berühmter Rockmusiker starb", resümiert Davis den Tod des Gitarristen Brian Jones, der die Gruppe 1962 gegründet hatte - auch für die lange Reihe früh verloschener Popsterne von Jimi Hendrix bis Janis Joplin haben die Rolling Stones die Originalversion geliefert. Jones starb in der Nacht des 2. Juli 1969 in seinem Swimmingpool, gut drei Wochen zuvor hatten ihn die übrigen Mitglieder aus der Band geworfen, weil sie seine suchtbedingte Unzuverlässigkeit endgültig leid waren. "Tod durch einen Unglücksfall in Verbindung mit einer Kombination von Drogen und Alkohol", lautete der offizielle Befund. Er ist bis heute von einem Legendenkranz umgeben, in dem von versehentlichem Totschlag bis zu glattem und geplantem Mord alle Versionen zu finden sind.

Daß die Geschichte der Stones naturgemäß voller Legenden steckt, darüber hinaus oft in mehreren Fassungen überliefert, ist für deren Chronisten nicht ohne Tücke, für die Leser aber ganz unterhaltsam. Über das Gratiskonzert im Londoner Hyde Park etwa, das längst für den 5. Juli 1969 anberaumt war und nun flugs zur Gedenkfeier für Brian Jones umgewidmet wurde, liest man bei Stephen Davis, es sei eine der schlechtesten Vorstellungen gewesen, die die Stones je gegeben hätten - "zweitausend weiße Nachtfalter" habe man dabei zu Ehren des Toten freilassen wollen, die meisten aber seien schon vorher in ihren Behältern erstickt oder zerdrückt worden: "Deshalb ging die geplante großartige Geste in die Hose, und die Bühne war anschließend mit toten Motten übersät."

Obwohl Willi Winkler zum richtigen Schluß gelangt, die Gruppe als Ganzes sei immer noch größer als ihr berühmtestes Mitglied, und zu Recht auch dessen solokarrieristische Versuche abwertet, haben er und der Verlag seinem Opusculum den deshalb etwas törichten Titel "Mick Jagger und die Rolling Stones" verpaßt. Nicht verpassen aber kann auch Winkler das Konzert für Jones. Es sei "so einigermaßen" gewesen, erfahren wir, den größten Schaden aber hätten damals "die Schmetterlinge" angerichtet: "Fünftausend von ihnen erhoben sich und fraßen in selbstloser Tag-und-Nacht-Arbeit den ganzen Hyde Park kahl."

Eine der besten Anekdoten aus dem nun vier Jahrzehnte währenden Heldenalltagsleben der längst klassisch gewordenen Musikanten ist indes ganz eindeutig überliefert. Bis in die Details identisch vermelden mithin beide Jubiläumsbücher jene Szene vom Oktober 1984, in der, wir sind in einem Amsterdamer Hotel, ein betrunkener Mick Jagger morgens um fünf Charlie Watts aus dem Schlaf klingelt und lallt: "Wo ist mein beschissener Drummer?" Watts steht auf, rasiert sich, wirft sich in seinen Maßanzug, zieht seine maßgefertigten Schuhe an, kommt zu Jagger, schlägt ihn mit einem linken Haken k.o. und sagt dann seelenruhig: "Nenn mich nie wieder deinen Drummer. Du bist mein beschissener Sänger." Charlie Watts, besser war es nicht zu demonstrieren, ist der eigentliche Gentleman der lauten Gang, auch wenn die Königin von England nun Mick Jagger zu ihrem Ritter schlägt.

Stephen Davis' nahezu siebenhundert Seiten dickes Kompendium quillt vor gut recherchiertem Material schier über. Dabei ist es nie langweilig, obwohl - nein: weil - es keine Tournee und keine Studiosession ausläßt, auf kaum eine Frauengeschichte verzichtet, jede neue Villa und nicht wenige Parties beschreibt, die wichtigen merkantilen Coups schildert und natürlich jedem Album, aber auch jedem einzelnen einigermaßen passablen unter den Hunderten von Songs der Rolling Stones Gerechtigkeit widerfahren läßt. Geschrieben in einem erträglich boulevardesken Ton, macht das Buch gerade in seiner unermüdlichen Ausführlichkeit am Ende etwas vom Geheimnis der Stones sichtbar, bildet ihr bewundernswertes Beharrungsvermögen ab und zeigt, daß es eine Mischung aus permanentem Chaos, dauerhaften Krisen und einer riesigen Portion Schicksalsdusel war, die sie produktiv machte und bleiben ließ.

Willi Winklers bescheidenerer Ansatz nervt immer dann ein wenig, wenn uns der Autor kumpelhaft ins Vertrauen zieht, also "Sie haben es erraten" oder ähnlich Anbiederndes zu uns sagt. Sein Buch ist dafür weit opulenter bebildert, hat auch die spannenderen Fotos. Daß er seinen Text nach den Lebensläufen der einzelnen Bandmitglieder gliedert, dann aber aus Gründen der Gruppenchronologie doch zwischen ihnen hin und her springen oder von allen zusammen erzählen muß, macht die Sache etwas holprig. In einer Passage erzählt Winkler von sich selbst, um "die Gegenwart des Numinosen" zu bezeugen, der er im Sommer 1978 bei einem Stones-Konzert in Los Angeles teilhaftig wurde. Ja, das konnte einem schon passieren - und manchmal gibt es diese magischen Momente immer noch. Sehr irdisch hingegen ist seine hübsche Geschichte über Erwin Krause, der 1965 Verkehrsminister der DDR war und nach dem West-Berliner Waldbühnenauftritt der fünf "Londoner Beats" dem feindlichen Senat eine Rechnung über 197 198 Westmark zustellte, "fällig für den Schaden, den die Fans an der ostzonalen S-Bahn angerichtet hatten". Es war, notabene, auch jene Tournee, die Karl Korns Glosse provozierte.

Daß die Schlachten aber geschlagen sind, weiß Winkler so gut wie Davis. Ihre Urteile unterscheiden sich kaum. Klar, das musikalische Genie war bei den Beatles, der betörendere Lärm und das bessere, ergo schlechtere Image waren bei den Stones. Klar, als Wiedergänger des Rhythm & Blues waren die Rolling Stones auf der Höhe ihres Könnens, ihre bedeutendsten Alben - "Between the Buttons", "Beggar's Banquet", "Sticky Fingers" und "Exile on Main Street" - sind alle mehr als dreißig Jahre alt. Aber ihre Backlist ist eben enorm, und das eine oder andere gute Lied ist seit 1972 schon hinzugekommen. Sie haben die Revolte der endsechziger Jahre mit "Jumpin' Jack Flash" und "Street Fighting Man" atmosphärisch mitgeprägt, sie haben maßgeblich dazu beigetragen, den Graben zwischen U- und E-Kultur zuzuschütten und die Globalisierung des verstehenden Geschmacks voranzutreiben. Keith Richards ist dabei der anarchistische Haudegen geblieben, der er immer war, Mick Jagger muß für den baldigen Ritterschlag die aristokratische Versuchung nicht mehr eigens entdecken. Die Rolling Stones sind seit langem ein, so Davis, "kapitalistisches Offshore-Unternehmen". Sie haben den Lebensrhythmus mindestens einer Generation entscheidend vorgegeben und sind nun, mitten in ihrer und unserer Gegenwart, Geschichte geworden. Also haben sie auch ihre Geschichtsschreiber verdient. Der Rest ist Zugabe.

Stephen Davis: "Die Stones". Aus dem Amerikanischen von Helmut Dierlamm und Cäcilie Plieninger. Europa Verlag, Hamburg 2002. 688 S., Abb., geb., 28,90 [Euro].

Willi Winkler: "Mick Jagger und die Rolling Stones". Rowohlt Verlag, Reinbek 2002. 289 S., Abb., geb., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Die Biografie eines Fans
"Die Rolling Stones sind nicht bloß eine Gruppe, sondern ein Lebensgefühl", sagte ihr Manager Andrew Loog Oldham einst über die vielleicht größte Rock-Band aller Zeiten und dürfte damit eine Interpretationshilfe für all diejenigen geleistet haben, die dem Phänomen Rolling Stones nicht auf die Spur kommen. Seit 40 Jahren stehen sie nun auf der Bühne, feiern einen Erfolg nach dem anderen und gingen - entgegen früherer Aussagen - auch dieses Jahr wieder auf Tournee. Wer begreifen will, was diese Band auszeichnet, wer ihre Entstehungs- und Erfolgsgeschichte nachvollziehen will, der ist mit Willy Winklers Buch Mick Jagger und die Rolling Stones bestens beraten.
Schön gestaltet, ausgezeichnet bebildert
Die aufwendig und liebevoll gestaltete Band-Biografie besticht nicht zuletzt durch zahlreiche Fotos, die größtenteils bisher noch nicht zu sehen waren: die Stones beim Studiotermin 1965, bei der Landung in Berlin-Tempelhof, auf Tournee, in Hotels, als Partygäste - mit Marianne Faithfull, mit Anita Pallenberg oder mit Andy Warhol. Es macht Spaß, sich durch die Seiten zu blättern und so Zeuge einer Entwicklung zu werden. Die Stones als Milchbubis der frühen 60er Jahre faszinieren dabei gleichermaßen wie die Stones als betagte Herren mit zerfurchten Gesichtern.
Vom Rebell zum Ritter ihrer Majestät
Winkler hat sein Buch nach den Lebensläufen der Bandmitglieder gegliedert. Er weiß einiges zu berichten, beispielsweise, dass Tina Turner Mick Jagger das Tanzen beigebracht hat, oder dass Mick Jagger als erstes seinen Vater anrief, als er erfuhr, dass die Queen ihn zum Ritter schlagen wollte (Juni 2002). Es sind gerade diese Anekdoten, die Winklers Buch zu einem Lesevergnügen machen und auch für eingefleischte Fans noch die eine oder andere Neuigkeit bereit halten dürften.
(Eva Hepper, literaturtest.de)
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Harald Martenstein hat eine Menge Fragen zu den Rolling Stones und ihrem Frontmann Mick Jagger. Was das Besondere an ihrer Musik ist, wüsste er gerne, warum ausgerechnet sie zur Konkurrenz der Beatles geworden sind, und warum sie nicht aufhören wollen? Keine seiner Fragen sieht er bei Willi Winkler beantwortet, findet sich aber stattdessen mit einer Menge unerwünschter Informationen und Details konfrontiert. Ein Dilemma, zumal Winklers Buch nicht etwa die enzensbergersche Schläue eines Essays aufweise, mit keiner vollständigen Biografie aufwarten könne oder wenigstens grundsolide Musikanalysen liefere, die Martensteins auf andere Fragen fixiertes Interesse wecken könnten. "Wen's interessiert", zuckt da der Rezensent enttäuscht und vielleicht etwas überheblich die Achseln.

© Perlentaucher Medien GmbH
Man hatte viel, und doch war an allem etwas zuwenig
Die Rolling Stones, ein Fall für die Geschichtsschreiber: Stephen Davis und Willi Winkler berichten / Von Jochen Hieber

Die Schlachten sind geschlagen - und die Rolling Stones haben sie allesamt gewonnen. Die wievielte Welttournee ist es eigentlich, die sie vor gut vier Wochen in Boston begonnen haben und die bis weit ins kommende Jahr hineinreichen wird? Die fünfte, die zehnte? Die wievielte Tour überhaupt? Die dreißigste, die vierzigste? Wäre der Bassist Bill Wyman noch Mitglied der Band: Er wüßte es so genau wie die Anzahl der Mädchen und Frauen, die je sein Bett teilten und über die er mit der durchaus unaristokratischen Akkuratesse eines britischen Buchhalters Protokoll geführt hat. Aber Wyman, 1936 geboren, hat die Band vor zehn Jahren verlassen - und den verbliebenen Stones ist die schiere Statistik ziemlich egal. Uns auch. Sicher ist, daß Charlie Watts, zweiundsechzig Jahre alt, Keith Richards und Mick Jagger, jeweils neunundfünfzig, zusammen mit dem vier Jahre jüngeren Ron Wood und der Korona der Begleitmusiker wieder die Hallen und Stadien füllen und ihre Songs mal höchst engagiert, mal eher gelangweilt präsentieren. Am Ende der neuen Tour werden sie aufs neue Millionen von Menschen erreicht und Abermillionen von Dollars eingenommen haben.

Es ist jedoch beileibe nicht nur das Phänomen des Überdauerns, das diese dienstälteste Rockband des Universums so einzigartig macht. Singulär wurde sie auch durch die Werte - ja, Werte -, die sie selbst in die Welt setzte oder deren bisweilen bewußter, bisweilen auch ganz unabsichtlicher Repräsentant sie war. Keine neuen Werte freilich ohne das Attackieren der alten. Der Autor K.K. - Karl Korn, weiland Mitherausgeber und Feuilletonchef dieser Zeitung - hatte schon recht, als er im Frühherbst 1965 sein baß erstauntes Unvermögen artikulierte, diese "Londoner Beats" und ihre "halbwüchsigen Fans" auch nur im Ansatz verstehen zu können. Man wollte damals von den Herolden der Hochkultur auch gar nicht verstanden werden - und also stimmte die Kommunikation vollkommen, gerade weil sie, eine Zeitlang, gar nicht stattfand.

"Die haben nichts!" schrieb Korn, Jahrgang 1908, so flehentlich wie verzweifelt. Weit gefehlt. Man hatte, in der Tat, "keine elementare Not", wenn man ein Kind des Westens und nach dem Zweiten Weltkrieg geboren war, mehr noch: Man gehörte, wie der Amerikaner Stephen Davis in seiner Bandbiographie "Die Stones" notiert, zur "reichsten, am besten ausgebildeten, in jeder Hinsicht abgesicherten Generation in der Menschengeschichte". Das ist ja nicht nichts - und war trotzdem zuwenig. "I Can't Get No Satisfaction", sofort die Weltjugendhymne des Jahres 1965, ist, wie der Münchner Kritiker Willi Winkler in seinem feuilletonistischen Potpourri "Mick Jagger und die Rolling Stones" feststellt, "als Text . . . Konsumkritik von der lächerlichsten Sorte". Aber wen, das weiß er auch, interessierte der Text? Das Riff auf der verzerrten E-Gitarre, mit dem der Song beginnt und das Keith Richards in einer seiner frühen amerikanischen Nächte geträumt haben will, das Riff, dem Charlie Watts am Schlagzeug sofort die hämmernde Grundierung gibt und in das der Sänger Mick Jagger nach fünfzehn Sekunden mit der programmatischen Titelzeile einfällt: Diese kleine, kostbare Ewigkeit brachte ein Lebensgefühl auf den Punkt, das die Stones in den zwei, drei Jahren zuvor mit Stücken wie "I Just Want to Make Love With You", "Tell Me" oder "Little Red Rooster" präludiert hatten und das, um ein literarisches Exempel zu bemühen, etwa in Ingeborg Bachmanns Sprachriff "an allem ist etwas zu wenig" aus der Erzählung "Der Schweißer" seine Entsprechung fand.

1978, dreizehn Jahre nach "Satisfaction", erschien die LP "Some Girls". In "Respectable", dem zweiten Lied der zweiten Seite, zog Jagger ziemlich rüde über seine frisch entliebte Ehefrau Bianca her und zugleich lakonisch Bilanz: "Well now we're respected in society." Gesellschaftlich respektiert zu sein, so erzählt der Song, hieß, vom amerikanischen Präsidenten eingeladen zu werden, mit ihm über Drogen zu diskutieren und dabei erkennen zu lassen, daß man sich des Problems bewußt sei, es aber schon irgendwie in den Griff bekäme. Sechsmal war Keith Richards bis dahin wegen Rauschgiftdelikten verhaftet worden, in Kanada drohte ihm lebenslang Gefängnis. Die sieg-, aber auch verlustreichste Schlacht der Stones war die gegen die Sucht; fast zu einem Monument an Widerstandskraft gegen die selbst zugefügte Zerstörung sind sie darüber geworden.

Über weite Strecken liest sich die so getreulich wie konsequent Jahr um Jahr durchschreitende Bandgeschichte von Stephen Davis denn auch wie eine Chronologie des Koksens, Spritzens und Saufens, der Gerichtsverhandlungen, Entziehungskuren und Rückfälle. Wobei ihr stets zum Vorteil gereicht, daß sie weder moralisiert noch heroisiert. "Es war das erste Mal, daß ein berühmter Rockmusiker starb", resümiert Davis den Tod des Gitarristen Brian Jones, der die Gruppe 1962 gegründet hatte - auch für die lange Reihe früh verloschener Popsterne von Jimi Hendrix bis Janis Joplin haben die Rolling Stones die Originalversion geliefert. Jones starb in der Nacht des 2. Juli 1969 in seinem Swimmingpool, gut drei Wochen zuvor hatten ihn die übrigen Mitglieder aus der Band geworfen, weil sie seine suchtbedingte Unzuverlässigkeit endgültig leid waren. "Tod durch einen Unglücksfall in Verbindung mit einer Kombination von Drogen und Alkohol", lautete der offizielle Befund. Er ist bis heute von einem Legendenkranz umgeben, in dem von versehentlichem Totschlag bis zu glattem und geplantem Mord alle Versionen zu finden sind.

Daß die Geschichte der Stones naturgemäß voller Legenden steckt, darüber hinaus oft in mehreren Fassungen überliefert, ist für deren Chronisten nicht ohne Tücke, für die Leser aber ganz unterhaltsam. Über das Gratiskonzert im Londoner Hyde Park etwa, das längst für den 5. Juli 1969 anberaumt war und nun flugs zur Gedenkfeier für Brian Jones umgewidmet wurde, liest man bei Stephen Davis, es sei eine der schlechtesten Vorstellungen gewesen, die die Stones je gegeben hätten - "zweitausend weiße Nachtfalter" habe man dabei zu Ehren des Toten freilassen wollen, die meisten aber seien schon vorher in ihren Behältern erstickt oder zerdrückt worden: "Deshalb ging die geplante großartige Geste in die Hose, und die Bühne war anschließend mit toten Motten übersät."

Obwohl Willi Winkler zum richtigen Schluß gelangt, die Gruppe als Ganzes sei immer noch größer als ihr berühmtestes Mitglied, und zu Recht auch dessen solokarrieristische Versuche abwertet, haben er und der Verlag seinem Opusculum den deshalb etwas törichten Titel "Mick Jagger und die Rolling Stones" verpaßt. Nicht verpassen aber kann auch Winkler das Konzert für Jones. Es sei "so einigermaßen" gewesen, erfahren wir, den größten Schaden aber hätten damals "die Schmetterlinge" angerichtet: "Fünftausend von ihnen erhoben sich und fraßen in selbstloser Tag-und-Nacht-Arbeit den ganzen Hyde Park kahl."

Eine der besten Anekdoten aus dem nun vier Jahrzehnte währenden Heldenalltagsleben der längst klassisch gewordenen Musikanten ist indes ganz eindeutig überliefert. Bis in die Details identisch vermelden mithin beide Jubiläumsbücher jene Szene vom Oktober 1984, in der, wir sind in einem Amsterdamer Hotel, ein betrunkener Mick Jagger morgens um fünf Charlie Watts aus dem Schlaf klingelt und lallt: "Wo ist mein beschissener Drummer?" Watts steht auf, rasiert sich, wirft sich in seinen Maßanzug, zieht seine maßgefertigten Schuhe an, kommt zu Jagger, schlägt ihn mit einem linken Haken k.o. und sagt dann seelenruhig: "Nenn mich nie wieder deinen Drummer. Du bist mein beschissener Sänger." Charlie Watts, besser war es nicht zu demonstrieren, ist der eigentliche Gentleman der lauten Gang, auch wenn die Königin von England nun Mick Jagger zu ihrem Ritter schlägt.

Stephen Davis' nahezu siebenhundert Seiten dickes Kompendium quillt vor gut recherchiertem Material schier über. Dabei ist es nie langweilig, obwohl - nein: weil - es keine Tournee und keine Studiosession ausläßt, auf kaum eine Frauengeschichte verzichtet, jede neue Villa und nicht wenige Parties beschreibt, die wichtigen merkantilen Coups schildert und natürlich jedem Album, aber auch jedem einzelnen einigermaßen passablen unter den Hunderten von Songs der Rolling Stones Gerechtigkeit widerfahren läßt. Geschrieben in einem erträglich boulevardesken Ton, macht das Buch gerade in seiner unermüdlichen Ausführlichkeit am Ende etwas vom Geheimnis der Stones sichtbar, bildet ihr bewundernswertes Beharrungsvermögen ab und zeigt, daß es eine Mischung aus permanentem Chaos, dauerhaften Krisen und einer riesigen Portion Schicksalsdusel war, die sie produktiv machte und bleiben ließ.

Willi Winklers bescheidenerer Ansatz nervt immer dann ein wenig, wenn uns der Autor kumpelhaft ins Vertrauen zieht, also "Sie haben es erraten" oder ähnlich Anbiederndes zu uns sagt. Sein Buch ist dafür weit opulenter bebildert, hat auch die spannenderen Fotos. Daß er seinen Text nach den Lebensläufen der einzelnen Bandmitglieder gliedert, dann aber aus Gründen der Gruppenchronologie doch zwischen ihnen hin und her springen oder von allen zusammen erzählen muß, macht die Sache etwas holprig. In einer Passage erzählt Winkler von sich selbst, um "die Gegenwart des Numinosen" zu bezeugen, der er im Sommer 1978 bei einem Stones-Konzert in Los Angeles teilhaftig wurde. Ja, das konnte einem schon passieren - und manchmal gibt es diese magischen Momente immer noch. Sehr irdisch hingegen ist seine hübsche Geschichte über Erwin Krause, der 1965 Verkehrsminister der DDR war und nach dem West-Berliner Waldbühnenauftritt der fünf "Londoner Beats" dem feindlichen Senat eine Rechnung über 197 198 Westmark zustellte, "fällig für den Schaden, den die Fans an der ostzonalen S-Bahn angerichtet hatten". Es war, notabene, auch jene Tournee, die Karl Korns Glosse provozierte.

Daß die Schlachten aber geschlagen sind, weiß Winkler so gut wie Davis. Ihre Urteile unterscheiden sich kaum. Klar, das musikalische Genie war bei den Beatles, der betörendere Lärm und das bessere, ergo schlechtere Image waren bei den Stones. Klar, als Wiedergänger des Rhythm & Blues waren die Rolling Stones auf der Höhe ihres Könnens, ihre bedeutendsten Alben - "Between the Buttons", "Beggar's Banquet", "Sticky Fingers" und "Exile on Main Street" - sind alle mehr als dreißig Jahre alt. Aber ihre Backlist ist eben enorm, und das eine oder andere gute Lied ist seit 1972 schon hinzugekommen. Sie haben die Revolte der endsechziger Jahre mit "Jumpin' Jack Flash" und "Street Fighting Man" atmosphärisch mitgeprägt, sie haben maßgeblich dazu beigetragen, den Graben zwischen U- und E-Kultur zuzuschütten und die Globalisierung des verstehenden Geschmacks voranzutreiben. Keith Richards ist dabei der anarchistische Haudegen geblieben, der er immer war, Mick Jagger muß für den baldigen Ritterschlag die aristokratische Versuchung nicht mehr eigens entdecken. Die Rolling Stones sind seit langem ein, so Davis, "kapitalistisches Offshore-Unternehmen". Sie haben den Lebensrhythmus mindestens einer Generation entscheidend vorgegeben und sind nun, mitten in ihrer und unserer Gegenwart, Geschichte geworden. Also haben sie auch ihre Geschichtsschreiber verdient. Der Rest ist Zugabe.

Stephen Davis: "Die Stones". Aus dem Amerikanischen von Helmut Dierlamm und Cäcilie Plieninger. Europa Verlag, Hamburg 2002. 688 S., Abb., geb., 28,90 [Euro].

Willi Winkler: "Mick Jagger und die Rolling Stones". Rowohlt Verlag, Reinbek 2002. 289 S., Abb., geb., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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