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Produktdetails
  • Verlag: Rowohlt, Reinbek
  • Seitenzahl: 287
  • Abmessung: 220mm
  • Gewicht: 503g
  • ISBN-13: 9783498063344
  • ISBN-10: 3498063340
  • Artikelnr.: 24011876
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.10.2000

Im Land der Mathemagie
Die klügste Frau der Welt bittet zum Kolleg

"Buch macht klug!" war einmal ein Slogan, den der Buchhändler an der Ecke auf seine Kataloge pappte. Besonders klug macht natürlich ein Buch, das die intelligenteste Frau der Welt für uns geschrieben hat. Dieser seltene Glücksfall ist heute anzuzeigen. Marilyn vos Savant (IQ 228) ist die Briefkastentante der amerikanischen Zeitungsbeilage "Parade", die Antwort auf Fragen im Bereich der Mathematik und Logik gibt. Bei Rowohlt ist jetzt von ihr "Brainpower - Die Kraft des logischen Denkens" erschienen.

Wie man anhand des Titels und der Aufmachung des Werks unschwer erkennt, handelt es sich um Jahrmarktsmathematik. Das muß kein Manko sein. Ein jegliches Ding hat seine Zeit, und manchmal schmeckt türkischer Honig einfach besser als Filet.

Weltberühmt wurde Marilyn 1991 durch das sogenannte Monty-Hall-Dilemma. Die Originalfrage lautete wie folgt: "Liebe Marilyn, nehmen wir an, ich bin in einer Gameshow und kann zwischen drei Toren wählen. Hinter einem Tor ist ein Auto, hinter den anderen Ziegen, also Nieten. Ich wähle ein Tor, sagen wir Nummer eins, und der Moderator, der weiß, was hinter den Toren ist, öffnet ein anderes Tor, sagen wir Nummer drei, das eine Ziege enthält. Er fragt mich: ,Möchten Sie nun Tor Nummer zwei öffnen?' Ist es für mich von Vorteil, meine Entscheidung für Nummer eins zu revidieren? Gezeichnet Craig F. Whitaker, Columbia, Maryland."

Wie wir alle aus der Schule wissen, ist es ein wesentlicher Teil der Schwierigkeit einer Textaufgabe, sie in die Sprache der Mathematik zu übersetzen. Außerdem gibt es immer die Möglichkeit, die Frage mißzuverstehen. Hier war gemeint, daß das Auto völlig zufällig einem Tor zugeordnet wurde, der Moderator vollständig informiert ist und ganz bewußt unter den nicht gewählten Toren eines mit der Ziege aussucht.

Die Antwort auf die (präzisierte!) Frage lautet "Ja". Tor eins hat eine Gewinnwahrscheinlichkeit von einem Drittel. Deshalb muß Tor zwei eine Gewinnwahrscheinlichkeit von zwei Dritteln haben. Was sagen die Schiedsrichter? Die Antwort ist korrekt.

Diese Kolumme löste eine ungeheure Diskussion aus, auch in anderen Ländern, wo in der Presse darüber berichtet wurde. Eine Lawine von Briefen überrollte Marilyn. Ein Teil der Schreiber hatte das Problem falsch verstanden, der andere Teil hatte es falsch gelöst. Viele Akademiker mit beeindruckenden Titeln haben sich in diesem Zusammenhang vor einem Millionenpublikum der Lächerlichkeit preisgegeben. Das ändert aber nichts daran, daß das Dilemma im Grunde nur eine Bagatelle ist und man sich schleunigst mit wichtigeren Dingen befassen sollte.

Der erste Teil des Buchs handelt von ähnlichen Problemen, die der Intuition zuwiderlaufen, darunter einigen sehr interessanten. Das Niveau der behandelten Aufgaben ist unterschiedlich. Es beginnt bei völligen Trivialitäten: "Wenn ein Ziegelstein drei Pfund und einen halben Ziegelstein wiegt, wieviel wiegen dann anderthalb Ziegelsteine?" Über anderes, zum Beispiel eine Wette von Martin Gardner, kann man schon einmal ein paar Stunden nachdenken.

Bekanntlich gibt es Lügen, Meineide und Statistiken. Im zweiten Teil des Buchs geht es um letztere. Am sichersten ist es immer noch, nur an Statistiken zu glauben, die man selbst gefälscht hat. Betrachten wir das folgende simplifizierte, aber nicht unrealistische Beispiel: Ein Prozent der Bevölkerung hat Aids. Ein Aidstest hat eine Zuverlässigkeit von neunundneunzig Prozent. Die gesamte Bevölkerung wird getestet. Dann bedeutet ein positives Testergebnis nur, daß man mit etwa fünfzig Prozent Wahrscheinlichkeit an der Krankheit leidet.

Bei Statistiken muß man immer sehr genau hinschauen. Wir Menschen haben im Durchschnitt ziemlich genau einen Eierstock. Ähnlich wie die Auskünfte der Microsoft-Hotline ist diese Information sehr präzise, aber wenig relevant. Marilyn versucht unseren Blick für solche Ungereimtheiten zu schärfen. Ein zusätzliches Problem ist, daß der Auftraggeber einer Umfrage natürlich die Fragen vorgibt. Man muß diese nur phantasievoll genug formulieren, dann bekommt man die gewünschte Antwort. Und falls doch nicht, dann läßt man die Untersuchung einfach im Archiv verschwinden.

Im letzten Teil des Buchs werden ökonomische Aussagen von Politikern zum amerikanischen Wahlkampf von 1992 analysiert. Das ist nicht sehr aktuell, aber das Buch ist im Original schon ein paar Jahre alt. Mit einer Fülle von Beispielen zeigt vos Savant, wie die drei Präsidentschaftskandidaten, vor allem Clinton, und ihre Schranzen durch kreativen Umgang mit der Wahrheit versucht haben, die Wähler auf ihre Seite zu bringen.

Was man aus allen drei Teilen lernen kann, gehört eigentlich nicht nur zu Mathematik und Logik, sondern auch zur Psychologie: Manchmal trügt uns unser Gefühl, und wir sollten uns bemühen, nicht gleich loszuplappern, sondern uns die Dinge sorgfältig zu überlegen. Die Wahrheit ist oft komplex, und Vorsicht ist immer noch die Mutter der Porzellankiste.

ERNST HORST

Marilyn vos Savant: "Brainpower". Die Kraft des logischen Denkens. Aus dem Amerikanischen von Hainer Kober. Rowohlt Verlag, Reinbek 2000. 288 S., geb., 39,80 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Als "Jahrmarktsmathematik" bezeichnet der Rezensent Ernst Horst das Buch "Brainpower" von Marilyn vos Savant, einer Frau mit einem IQ von 228, fügt aber auch gleich hinzu, dass das Populistische an sich kein Manko sei. Das Buch zeige, wie komplex die Wahrheit sei und wieviel Vorsicht deshalb bei der Interpretation des vermeintlich Logischen angebracht ist. Das Buch fügt sich nach Horsts Referat in drei Teile, im ersten geht es um Textaufgaben und die damit verbundenen, potenziellen Missverständnisse, im zweiten um Statistiken, um ihre logischen Unwägbarkeiten und ihre Fälschbarkeit. Im dritten Teil untersucht vos Savant ökonomische Aussagen zur Wirtschaft von amerikanischen Präsidentschaftskandidaten. Dabei zeige sie, wie vermeintlich objektive Fakten noch reichlich Raum für Interpretationen bieten. So kommt Horst zu dem Schluss: "Was man aus allen drei Teilen lernen kann, gehört eigentlich nicht nur zu Mathematik und Logik, sondern auch zur Psychologie."

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