• Gebundenes Buch

2 Kundenbewertungen

Gott wirft Adam und Eva aus dem Paradies, die Arche Noah übersteht die Sintflut und Jesus von Nazareth erweckt Tote zum Leben - die faszinierenden Geschichten der Bibel sind fester Bestandteil unserer Kultur. Und doch stecken sie voller Rätsel und Widersprüche, die auch jahrhundertelange theologische Kontroversen nicht lösen konnten. Der Evolutionsbiologe Carel van Schaik und der Historiker Kai Michel legen nun erstmals eine verborgene Seite der Bibel frei. Sie lesen die Heilige Schrift nicht als Wort Gottes, sondern als Tagebuch der Menschheit, das verblüffende Einblicke in die kulturelle…mehr

Produktbeschreibung
Gott wirft Adam und Eva aus dem Paradies, die Arche Noah übersteht die Sintflut und Jesus von Nazareth erweckt Tote zum Leben - die faszinierenden Geschichten der Bibel sind fester Bestandteil unserer Kultur. Und doch stecken sie voller Rätsel und Widersprüche, die auch jahrhundertelange theologische Kontroversen nicht lösen konnten. Der Evolutionsbiologe Carel van Schaik und der Historiker Kai Michel legen nun erstmals eine verborgene Seite der Bibel frei. Sie lesen die Heilige Schrift nicht als Wort Gottes, sondern als Tagebuch der Menschheit, das verblüffende Einblicke in die kulturelle Evolution des Homo sapiens bietet. Und plötzlich beginnen die alten Geschichten in neuem Licht zu funkeln.
Die Vertreibung aus dem Garten Eden markiert das wohl folgenreichste Ereignis der Menschheitsgeschichte: den Übergang vom Leben als Jäger und Sammler zum sesshaften Dasein mit Ackerbau und Viehzucht, das nicht nur zu Fortschritt, sondern auch zu Ungleichheit, Patriarchat und großen,anonymen Gesellschaften führte. Für die daraus resultierenden Probleme waren die Menschen aber weder biologisch noch kulturell gerüstet. Wie sie sich mühsam anpassten, wie sie versuchten, sich auf das bis dahin ungekannte Ausmaß menschlichen Leids in Gestalt von Ausbeutung, Krieg und Krankheiten einen Reim zu machen, das dokumentiert die Bibel auf erstaunliche Weise. Auch zeigt sie, woher das Bedürfnis nach Spiritualität stammt und weshalb die Menschen nicht schon immer die Angst vorm Tod umtrieb.
Die Autoren nehmen uns mit auf eine Reise voller Überraschungen, die von Eden über den Exodus aus Ägypten bis nach Golgatha und zur Apokalypse führt. Dabei eröffnet sich eine neue Perspektive auf die kulturelle Evolution des Menschen und der Religion. Wir begreifen, warum viele der biblischen Probleme uns bis zum heutigen Tage beschäftigen und warum nicht wenige von uns eine Sehnsucht nach dem Paradies verspüren. Die Bibel ist tatsächlich das Buch der Bücher. Sie geht uns selbst dannetwas an, wenn wir gar nicht an Gott glauben.

Autorenporträt
CAREL VAN SCHAIK, geboren 1953 in Rotterdam, ist Verhaltensforscher und Evolutionsbiologe. Er erforscht die Wurzeln der menschlichen Kultur und Intelligenz bei Menschenaffen. Er war Professor an der Duke University in den USA und Professor für biologische Anthropologie an der Universität Zürich, wo er als Direktor dem Anthropologischen Institut und Museum vorstand. Carel van Schaik ist korrespondierendes Mitglied der Königlich Niederländischen Akademie der Wissenschaften und Fellow der Max-Planck-Gesellschaft. Er lebt in Zürich.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur WELT-Rezension

Friedrich Wilhelm Graf verliert nur lobende Worte über diueses Buch. In "Das Tagebuch der Menschheit" haben sich Carel van Schaik und Kai Michel an einer neuen, "biologisch-anthropologischen" Lesart der Bibel versucht, um so herauszufinden, was das Buch der Bücher über unsere eigene Evolution preisgibt. In der religiösen Tabuisierung von Inzest und dem Verbot von sexuellem Kontakt mit Tieren erkennen Schaik und Michel eine Reaktion auf die Landwirtschaft und Sesshaftwerdung, die sie als großen Fehler der Menschheit ansehen, der Krankheiten und kulturellen Druck erzeigt habe. Genieren müssen sich die beiden Autoren mit solchen Thesen nicht, so Graf, seien sie doch bestens informiert über den Stand der Forschung. Nicht leicht, aber gelungen sei dieser frische Blick.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.12.2016

Eva hatte es mehr mit Gemeinschaftsbesitz
Reinheit und Gefährdung: Carel van Schaik und Kai Michel lesen die Bibel als Beleg für die Evolutionspsychologie

In ihrer Frühzeit lebten die Menschen in kleinen vagierenden Horden, ernährten sich als Sammler und Jäger. Mit der Sesshaftwerdung des Menschen schlug die Stunde, die alles veränderte. Große Ansammlungen von Menschen treten an die Stelle kleiner vagierender Horden. Vieh wird gezüchtet, Gärten werden angelegt, Pflanzen angebaut. Erst jetzt gibt es Menschen, die etwas besitzen, und solche, die wenig oder nichts haben. Soziale Hierarchien bilden sich.

Der Zürcher Orang-Utan-Forscher Carel van Schaik, gebürtiger Niederländer und langjähriger Professor in den Vereinigten Staaten, hat ein Buch über die Bibel geschrieben. Sein deutscher Mitautor Kai Michel bringt als Historiker den Forschungsstand der Bibelwissenschaft kompetent ein. Mit Anschauungsmaterial aus dem Alten und dem Neuen Testament soll gezeigt werden, dass sich die Geschichte der Menschheit nach der Sesshaftwerdung als Zusammen- und Widerspiel unserer instinktiven Ausstattung und ihrer kognitiv-kulturellen Überformung beschreiben lässt.

Das biblische Paradebeispiel für die kulturelle Antwort auf die Sesshaftwerdung des Menschen bildet für die Autoren die Gesetzgebung des Alten Testaments. Sie wird als von Mose vermittelte göttliche Offenbarung dargestellt. Gegeben werden - jedenfalls nach traditioneller jüdischer Zählung - 613 einzelne Gebote und Verbote, so dass die Zusammenfassung in den bekannten Zehn Geboten nur einen winzigen Bruchteil ausmacht. Das Verbot von Diebstahl, Mord, Körperverletzung und Ehebruch dient dazu, in der sesshaften Bevölkerung den Frieden aufrechtzuerhalten. In der Gesellschaft der Jäger und Sammler waren solche Gebote unnötig oder sinnlos: Privateigentum gab es nicht. Ehebruch auch nicht, denn Umgang mit mehreren Partnerinnen oder Partnern, meinen die Autoren, sei nicht ungewöhnlich gewesen; getötet habe man nur Mitglieder fremder Horden.

Ebenso funktional wie die sozialen Regeln lassen sich hygienische Vorschriften auslegen, die etwa den sexuellen Umgang mit Tieren oder den Beischlaf mit einer menstruierenden Frau verbieten. Solche Reinheitsregeln, wie sie genannt werden, können das Ausbrechen von Krankheiten dort verhindern, wo sich viele Menschen einen engen Lebensraum teilen und wo auch von kranken Haustieren Gefahr ausgeht. Katastrophen wie eine Epidemie, die Heimsuchung durch bewaffnete Feinde oder das Ausbleiben von Regen werden auf Gott zurückgeführt und gelten als Strafe für die Missachtung sozialer Regeln. Man vermeidet oder beendet Katastrophen nicht nur durch strenge Beachtung solcher Regeln, sondern auch dadurch, dass man Gottes Wohlwollen gewinnt. Das geschieht durch regelmäßiges Vollziehen von Opferriten - eine weitere Maßnahme zur Katastrophenprävention.

Gegen das Regelwerk der Kultur erhebt sich freilich immer wieder Widerstand. Die Paradieserzählung ist für die Autoren ein Paradebeispiel: In einer vorkulturellen Situation beanspruche Gott den alleinigen Zugang zu den Früchten eines bestimmten Baumes. Doch Eva greift nach der Frucht dieses Baumes. Warum? Weil sich in Eva die Mentalität der auf Gemeinschaftsbesitz und Gleichheit aller bedachten Jäger und Sammler melde. Auch große Teile der Psalmen lesen die Autoren als Zeugnisse einer solchen niemals ganz verdrängten hypothetischen Mentalität.

Die bedeutendste Wiederkehr der Mentalität der Jäger und Sammler glauben die Autoren im Neuen Testament ausmachen zu können. Bei Jesus und seinem Kreis finde sich die für die archaischen Horden typische Unterscheidung von Binnenmoral und Außenmoral. Die Mitglieder der kleinen Gruppe der Gläubigen sehen sich als Brüder und Schwestern, besitzen kein Privateigentum und sind auf Nächstenliebe und Gewaltlosigkeit eingeschworen. Wie vordem die Jäger und Sammler zieht Jesus mit seinen Jüngern durchs Land und ernährt sich von dem, was er gerade auf den Feldern findet. Wird von Gottes Gericht als einer apokalyptischen Katastrophe gesprochen, kommt die Außenmoral zum Tragen. Alle Feinde des Glaubens und alle falschen Freunde sollen vernichtet werden. Auf diese Weise kämen wieder archaische Instinkte und Emotionen zu ihrem Recht.

Das Buch bietet ein historisch-kritisches Bild der Bibel und bringt gleichzeitig eine neue Interpretation ein. Viele Theologen werden sich an "Purity and Danger" (1966, deutsch 1985 "Reinheit und Gefährdung") von Mary Douglas erinnern. In diesem Buch widmete die britische Ethnologin der Bibel nur ein einziges kurzes, noch heute viel erörtertes Kapitel. Seitdem ist das bis zu diesem Zeitpunkt geltende theologische Monopol in der Bibelinterpretation gebrochen. Zwar kann nicht alles, was Nichttheologen über die Bibel schreiben, Anerkennung finden. Aber zumindest die generelle Perspektive des Buches von van Schaik und Michel hat das Zeug dazu.

BERNHARD LANG

Carel van Schaik und Kai Michel: "Das Tagebuch der Menschheit".

Was die Bibel über

unsere Evolution verrät.

Rowohlt Verlag, Reinbek 2016. 569 S., geb., 24,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr
Zwar kann nicht alles, was Nichttheologen über die Bibel schreiben, Anerkennung finden. Aber die generelle Perspektive des Buches von van Schaik und Michel hat das Zeug dazu. Bernhard Lang FAZ.NET