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«Kaum einer der gegenwärtigen Literaten kann echt und falsch, Kunst und Kalkül so klar und feinsinnig unterscheiden wie Georg Klein. Alles, was er schreibt, schreibt er im Bewusstsein seiner vielfachen Vermitteltheit. Jede seiner Phantasien ist durch die Sprache, durch die Genres, nicht zuletzt durch seine Menschlichkeit und Erfahrung gegangen, bevor er sein erstaunliches Werkzeug ansetzt.» Ina Hartwig in ihrer Laudatio zum Niedersächsischen Staatspreis 2012

Produktbeschreibung
«Kaum einer der gegenwärtigen Literaten kann echt und falsch, Kunst und Kalkül so klar und feinsinnig unterscheiden wie Georg Klein. Alles, was er schreibt, schreibt er im Bewusstsein seiner vielfachen Vermitteltheit. Jede seiner Phantasien ist durch die Sprache, durch die Genres, nicht zuletzt durch seine Menschlichkeit und Erfahrung gegangen, bevor er sein erstaunliches Werkzeug ansetzt.»
Ina Hartwig in ihrer Laudatio zum Niedersächsischen Staatspreis 2012
Autorenporträt
Klein, GeorgGeorg Klein, 1953 in Augsburg geboren, veröffentlichte die Romane «Libidissi», «Barbar Rosa», «Die Sonne scheint uns», «Sünde Güte Blitz», «Die Zukunft des Mars» und «Miakro» sowie die Erzählungsbände «Anrufung des Blinden Fisches», «Die Logik der Süße» und «Von den Deutschen». Für sein Werk wurden ihm der Niedersächsische Staatspreis, der Brüder-Grimm-Preis und der Bachmann-Preis verliehen; für «Roman unserer Kindheit» erhielt er den Preis der Leipziger Buchmesse 2010. Zuletzt erschien der Roman «Bruder aller Bilder» (2021).
Rezensionen
"Eine Wohltat. Ijoma Mangold, Die Zeit Georg Klein ist ein Glücksfall." -- Tilmann Lahme, Frankfurter Allgemeine Zeitung

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Die Dringlichkeit in diesen Texten, die Georg Klein im Laufe von zwei Jahrzehnten für verschiedene Zeitungen verfasst hat, ist es, die Wiebke Porombka so fasziniert. Ob sich der Autor nun der Märklin-Eisenbahn, Leonard Cohen, Kafka oder der Biene Maja zuwendet, stets profitiert die Rezensentin sowohl von Kleins Faible für das Verwickelte in den veschiedenen Ausprägungen unserer Kultur als auch von einer Gültigkeit von Kleins Gedanken, die über den Tag hinausreicht. Das kann schön ätzend sein, aber der Rezensentin auch Auskunft über des Autors Poetologie vermitteln, etwa, wenn Kleins Bevorzugung des Künstlichen Porombka plötzlich einleuchtet, und zwar nicht etwa als Fortschrittsoptimismus, sondern eher als Nähe zur Frühromantik. Über gut 400 erhellende Seiten freut sich die Rezensentin.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.03.2013

Trostbild mit
Hühnersuppe
Ein Band mit gesammelten
Zeitungstexten von Georg Klein
„Gestern gab es Hühnersuppe.“ So einfach und so wuchtig beginnt Georg Klein im Februar 2006 einen Essay zur Vogelgrippe. „Das Exemplar, dessen Fleisch und Fett wir verzehrten, war (. . .) zwei Jahre lang Legehenne.“ Ausdrücklich ist von Fleisch und Fett die Rede – schon ist ein alter Ton im Ohr, wie bei Homer, wenn auch nur kurz. „Südlich von uns, ein paar Kilometer die Ems hinunter, beginnt Deutschlands größtes Geflügelzuchtgebiet.“ Und doch sind Homer und seine Helden, Zeus, die großen Geister kurz noch mal für uns geschehen, für die „hysterisch austickenden Fleischmassenvernichter“.
  Es ist heikel, Georg Kleins „Schund & Segen“, eine Auswahl seiner Zeitungsbeiträge, zu rühmen. Etwa ein Drittel der Stücke sind für diese Zeitung verfasst worden, insofern lobt die Redaktion sich selbst ein wenig mit. Aber was wahr ist, soll wahr bleiben: Klein hat eine einzigartige Fähigkeit, Erfahrungen, solche der Kunst und andere, als persönliche, unmittelbare zu machen, auf seine und unsere Seelen treffen zu lassen – oft die des Kindes mit seinem noch nicht erstarrten Begriffsapparat –, ohne die „Kontrollwut, die dem Zwang zur historischen Einordnung innewohnt“.
  Klein ist ein vorzüglicher Kritiker, ohne Respekt vor der Prominenz. Aber seine besten Seiten zeigt er, wo er sich über die Klassiker beugt und andere Gegenstände, die jeder kennt und die noch einmal neu bedacht werden wollen. Jeder weiß, was er von Heino zu halten hat, auch Klein kennt und teilt die Aversion gegen die „singende Miele-Waschmaschine“, eine hübsche, noch nicht großartige Metapher. Doch dann kommt er auf Heinos Variante des „Gefangenenchors“ aus Nabucco. Man müsse den österreichisch schmelzenden, fast lässigen Vortrag von Peter Alexander hören, „um den schnarrenden Ernst, die knirschende Gefasstheit von Heinos Heimatsehnsucht zu ermessen. Das ist zweifellos deutsch. Hier spricht ein Ich, das bis ins Mark damit hadert, von den Zeitläuften zu blanker Individualität, zu gehetztem Erwerb, zu einer kalten Welt ohne warmen Winkel gezwungen zu sein. Die provinzielle, die im Guten überschaubare Heimat ist perdu! (. . .) Wenig kann so verlegen machen wie die Sehnsucht derjenigen, die wir, autonom verblendet, für die anderen halten“.
  Klein hat ein Auge für das als überholt Geltende. Er erinnert sich an Gustav Schwabs „Sagenschatz“, der eben nicht eine biedermeierlich gedämpfte Version der antiken Mythen gibt. „Das Recht, lauthals über diesen Verlust großer Erzählungen zu klagen, hätte jedoch nur der, dessen Klage stark genug wäre, einen Anklang des Verlorenen mitschwingen zu lassen.“
  Nicht, dass die Tragödie dahin wäre. Zum Tode Michael Jacksons denkt Klein über den Ruhm nach, den der Pop nun mal nicht ohne Körperlichkeit kennt. Doch nichts hält der Zeit schlechter stand als der Körper. Michael Jackson hatte mit einer Unzahl kosmetischer Operationen sein Gesicht in eine „rhythmisierte Maske“ verwandelt. Jeder wusste es, und wer nichts davon gehört hätte, dem wäre es an der „fast comicartigen“ Mimik klar geworden. Was war da noch Größeres zu erwarten als der endlich offenbare Verfall? Etwas in ihm, „etwas sehr Kluges“ in seinem trainierten Körper habe Michael Jackson mit seinem frühen Tod vor dieser Niederlage bewahrt. Keine gütige Welt, in der das Klügste in uns solche Ratschläge erteilt.
  Doch ist der Star diesem Mechanismus auch nicht ohne Gegenwehr ausgeliefert. Mick Jagger zeigt es, ausgerechnet er, der „jenes totalitäre Prinzip inkarniert, das seitdem allen Adoleszenz-Kohorten des Kapitalismus vorgaukelt, just ihrem jeweiligen Lebensgefühl gehöre nichts weniger als die ganze gegenwärtige Welt“. Mick Jagger zieht sich, zum ersten Mal in dem Film „Performance“ 1968 kunstgerecht die „Haut seines einstigen Ruhms“ über. Im Selbstzitat liegt die rettende Distanzierung. „Der Ruhm wird nicht zum Grab, wenn es gelingt, den damit verbundenen Größenwahn Zitat für Zitat gelinde schwinden zu lassen.“
  Michael Jackson und Mick Jagger sind auch Epochensymptome. Wo sind die Jungen, die wirklich Jungen, auf denen – hartes Kriterium! – „unser Blick halb wehmütig, halb missgünstig haften bleibt“? Klein fürchtet, dass sie das selbstverständliche Vertrauen in eine günstige, alles eröffnende Zukunft eingebüßt haben. Und Michael Ende, der Kinderbuchautor, wird für die „nie nachlassende Bedeutungsschinderei“ in der „Unendlichen Geschichte“ gezaust, aber bewundert für den Einfall Lummerland: „Ich kann mir kein zarteres Trostbild für das gewaltsam gesundgeschrumpfte Westdeutschland, für die mittlerweile vergangene BRD denken.“ Selbstverständlich ist die historische Ortsbestimmung Klein nicht fremd. Aber wie viel mehr er zu bieten hat als der approbierte Zeitdiagnostiker, das stellt der Leser wie der Kritiker fest, wenn er „Schuld & Sühne“ rühmen will. Da reicht es ihm nicht, die Begriffe zu referieren, die sich wie Digitalisate vervielfältigen lassen, er will zitieren, um der Individualität Recht zu verschaffen.
STEPHAN SPEICHER
Georg Klein: Schund und Segen. Siebenundsiebzig abverlangte Texte. Rowohlt Verlag, Reinbek 2013. 432 Seiten, 22,95 Euro.
Den erstarrten Begriffsapparat
sprengt Klein mit der Wucht
der unmittelbaren Erfahrung
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Klein hat eine einzigartige Fähigkeit, Erfahrungen, solche der Kunst und andere, als persönliche, unmittelbare zu machen, auf seine und unsere Seelen treffen zu lassen. Süddeutsche Zeitung