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Elfriede Jelinek - die unbequeme Nobelpreisträgerin wird 60!
Elfriede Jelinek polarisiert. So umbarmherzig wie die österreichische Literaturnobelpreisträgerin schreibt niemand über Männer und Frauen, Sex, Familie, Politik oder Sport. Nichts Liebgewonnenes hat dabei Bestand, weder Heimat noch Erinnerung, weder landschaftliche Schönheit noch menschliche Sehnsucht. Alles gerät in den Sog ihrer einzigartigen Sprache, in jenen musikalischen "Fluss aus Stimmen und Gegenstimmen", den die Schwedische Akademie im Jahr 2004 ausgezeichnet hat. In diesem Buch-Porträt werden Leben, Werk und Wirkung von…mehr

Produktbeschreibung
Elfriede Jelinek - die unbequeme Nobelpreisträgerin wird 60!
Elfriede Jelinek polarisiert. So umbarmherzig wie die österreichische Literaturnobelpreisträgerin schreibt niemand über Männer und Frauen, Sex, Familie, Politik oder Sport. Nichts Liebgewonnenes hat dabei Bestand, weder Heimat noch Erinnerung, weder landschaftliche Schönheit noch menschliche Sehnsucht. Alles gerät in den Sog ihrer einzigartigen Sprache, in jenen musikalischen "Fluss aus Stimmen und Gegenstimmen", den die Schwedische Akademie im Jahr 2004 ausgezeichnet hat. In diesem Buch-Porträt werden Leben, Werk und Wirkung von Elfriede Jelinek erstmals umfassend und zusammenhängend dargestellt. Verena Mayer und Roland Koberg zeichnen ein Leben voller Gegensätze. Elfriede Jelinek ist eine feinsinnige Wienerin und eine scharfzüngige Anklägerin, deren Gegner durch keinen Literaturpreis zu besänftigen sind. Sie ist eine Mode-Fetischistin und scheut sich nicht, für politische Anliegen auf die Straße zu gehen. Sie ist eine der meistfotografierten, auskunftsfreudigsten Schriftstellerinnen und hat keinen größeren Wunsch als den nach Zurückgezogenheit. Auch in ihren Büchern trägt Elfriede Jelinek Widersprüche aus, sie stellt das Triviale neben das Erhabene und behandelt ernste Themen mit Schmäh und Sarkasmus. Aus vielen Gesprächen mit Elfriede Jelinek und in ihrem Umfeld, mithilfe von wenig bekannten Texten und unerforschtem Archiv-Material kristallisiert sich hier die spannende Geschichte einer Karriere: vom dressierten musikalischen Wunderkind zur Schriftstellerin von Weltrang.
Autorenporträt
Verena Mayer, 1972 in Wien geboren, studierte Theaterwissenschaft, Germanistik und Geschichte an der Universität Wien. Sie schreibt Literaturkritiken, Reportagen und Essays, unter anderem für die Frankfurter Allgemeine, den Tagesspiegel und die Frankfurter Rundschau. Sie lebt in Berlin und Wien.

Roland Koberg, geboren 1967 in Linz, studierte Germanistik in Wien. Er arbeitete bei der Wiener Stadtzeitung Falter, im Feuilleton der Zeit und war Kulturredakteur der Berliner Zeitung. Seit 2001 ist er Dramaturg am Deutschen Theater Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.03.2006

Das Haus der Sprache ist auch nur eine Hundehütte
Klavierspielerin am offenen Fenster: Eine lesenswerte Biographie über Elfriede Jelinek / Von Rose-Maria Gropp

Elfriede Jelinek trifft man in ihrem Haus in Wien" - so der erste Satz einer Biographie, die auf dreihundert Seiten das Porträt der österreichischen Schriftstellerin zeichnet, die 2004 den Nobelpreis für Literatur erhielt. Die Verfasser sind die Publizistin Verena Mayer und Roland Koberg, derzeit Dramaturg am Deutschen Theater Berlin, beide sind ebenfalls Österreicher. Der erste Satz läßt keine Fragen offen, wer "man" ist: Es sind die Autoren dieses Buchs, das gar nicht ansteht, die Lufthoheit über die Deutung einer rätselvollen Frau zu beanspruchen; gewöhnliche Sterbliche, also andere "man", können Elfriede Jelinek nicht so begegnen.

Tatsächlich haben Mayer und Koberg eine so lesenswerte wie lesbare Biographie geschrieben. Lesenswert ist sie auch für die Klientel der Eingeweihten; vor allem ist sie lesbar, das ungleich höhere Verdienst, für diejenigen, die in ihrem Sujet ein befremdliches Phänomen sehen, das sich den Normen und dem gesunden Menschenverstand entzieht: es ist der bisherige Lebensweg einer Frau, über die vorrangig solche Leute eine klare Meinung haben, die sich kaum mit ihren Texten beschäftigt haben. So dröseln Mayer und Koberg geduldig die Genese des überstrapazierten Rufs der österreichischen "Nestbeschmutzerin" auf. Sie füllen die Worthülse mit Hintergründen, mit genauen Recherchen und soliden Interpretationen. Wesentliche Passagen des Buchs nehmen wichtige Veröffentlichungen Jelineks - von der frühen experimentellen Prosa des Jahres 1970 bis zum vorerst letzten Roman "Gier", erschienen 2000 - regelrecht durch. Es ließen sich damit gelungene Unterrichtseinheiten für die gymnasiale Oberstufe gestalten.

Ebenso gewissenhaft entlang der Chronologie ist der Lebensweg aufgefädelt: Da ist der musikalische Drill des kleinen Mädchens durch die ehrgeizige Mutter Ilona; Elfriede mußte in Wiens Laudongasse bei offenen Fenstern Klavier üben, damit die Nachbarn Zeugen der schönen Anstrengung würden. Die harte Zeit am Konservatorium, an der Orgel und anderen Instrumenten ersteht, der seelische Kollaps nach der Matura, der sie ein Jahr lang ans Haus fesselt und zum Schreiben bringt. Die Aus- und Einbrüche einer Hochbegabten werden erzählt, der langjährige Flirt mit der österreichischen KP und die multiplen Maskeraden für eine Öffentlichkeit, der sich Jelinek zugleich ausliefert und, gut verpackt, entzieht. Die Fülle an Informationen schwillt mitunter in Gesprächen mit Weggefährten, Akteneinsicht, Archiv- und Ämtergängen zur wahren Materialschlacht an, der etwas Bemühtes anhaftet. Dennoch - die Musterschüler im Hause Jelinek langweilen nie, immer wieder helfen sie außerdem dem Gedächtnis auf: Wenn 1986 Kurt Waldheim zum österreichischen Bundespräsidenten gewählt wird und wenn gleichzeitig der jugendstrotzende Jörg Haider sich mit nacktem Oberkörper fotografieren läßt, wird wieder evident, daß Jelineks sarkastische Einlassungen nicht einfach einem unstillbaren Äußerungsbedürfnis entquellen, sondern immer wieder starke Motive hatten.

Mayer und Koberg fahren dabei auf zwei Deutungsschienen. Da ist zunächst das klassische Modell der lebenslang prägenden Kindheit, wir sind ja schließlich in Wien. So geschieht es, daß die Protagonistin Erika Kohut aus Jelineks Bestseller "Die Klavierspielerin" (1983) annähernd in eins gesetzt ist mit der Autorin, selbstverständlich besonders da, wo es um das inzwischen sattsam bekannte Verhältnis Elfriede Jelineks zu ihrer Mutter geht. Die zweite Ebene ist das hartnäckige Credo einer Vorgängigkeit der Sprache, gewissermaßen heruntergebrochen auf eine der Lieblingswendungen von Jelinek: die von der Sprache, die sie wie ein schnüffelnder Hund seinen Besitzer an der Leine hinter sich her zerrt. In mancher Hinsicht sitzt man mit der Übernahme dieser These Jelineks ureigenen Tricks auf. Indessen verdankt sich genau dieser geradlinigen Zielführung die hohe Lesbarkeit des Buchs.

Endlich müssen Mayer und Koberg, um Elfriede Jelinek für sich zu behalten, auch nachdem sie den Nobelpreis - keinen Preis, den sie nicht schon gehabt hätte, von Böll- bis Büchnerpreis - erhielt, einige Auslassungen riskieren. Sie schotten ihr Sujet gleichsam ab, gegen Anerkennung von unerwarteter Seite, aber auch gegen eine offene Zukunft, die nicht mehr ins liebgewordene Schema paßt; zugespitzt formuliert, gegen sich selbst: Elfriede Jelinek soll schon die bleiben, für die nicht gilt, daß jede Ablehnung der Sprache den Tod bedeutet, wie Roland Barthes meinte, sondern bei der es "die Sprache ist, die überlebt", wie die Autoren im Vorwort dagegenhalten. Entsprechend sperrt der letzte Satz ihrer Biographie, der von Jelineks "Nobel Lecture" aus ihrem Haus in Wien via Leinwand in den Stockholmer Festsaal handelt, sie wieder ein in ihre Kindheit: "An ihrem Notenständer war sie allein und ganz bei sich, aber sie wußte um ihre Wirkung und war zu hören, so wie einst als Klavierspielerin bei offenen Fenstern."

Dieser Zirkelschluß ist unzulässig, wo die dargestellte Person noch sehr lebendig ist. Auch Österreichs Ikone muß eine Chance haben, dem guten alten Fort-da-Spiel der reinen Lehre zu entkommen. Der Wiederholungszwang pur ist zwar erprobtes Stilmittel Elfriede Jelineks, es rät sich allerdings, ihr darin nicht bedingungslos zu folgen. Vielleicht schreibt sie ja schon an einem richtigen Kriminalroman? Was dann? Elfriede Jelinek ist jedenfalls ein Schrein gezimmert, in dem sie so geborgen ist wie in ihrem Haus in Wien. Nun ist sie die, die im Buche steht.

Verena Mayer/Roland Koberg: "Elfriede Jelinek". Ein Porträt. Rowohlt Verlag, Reinbek 2006. 302 S., Abb., geb., 19,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

" Für so lesenswert wie lesbar hält Rose-Maria Gropp diese Biografie Elfriede Jelineks von Verena Mayer und Roland Koberg. Lesenswert auch für die Eingeweihten, lesbar auch für diejenigen, die sich nicht dazu rechnen. Genaue Recherchen, solide Werkinterpretationen und eine gewissenhafte Chronologie des Lebenswegs der Autorin machen die Rezensentin zu einer glücklichen Leserin dieses Buches, die sich auch nicht langweilt, wenn das Ganze zur Materialschlacht gerät, "der etwas Bemühtes anhaftet". Gropp erklärt, wie das Autorenteam dem Äußerungsbedürfnis der Jelinek plausibel Motive zugesellt: Über das Modell der prägenden Kindheit. Und über das "hartnäckige Credo einer Vorgängigkeit der Sprache". Einziger Kritikpunkt der Rezensentin ist die Schreinartigkeit des Buches, in dem die Autorin hockt wie in einem Käfig.

© Perlentaucher Medien GmbH"