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Jan Karski, Kurier des polnischen Widerstands, sollte der Welt berichten, was er über die Juden-vernichtung wusste.
Doch niemand mochte seine Botschaft hören. Der Mann, der "den Holocaust stoppen wollte", versank nach dem Krieg lange in Schweigen. Yannick Haenel gibt Karski nun eine fiktive, eigene, berührende Stimme.
"Ein unvergessliches Buch über einen außergewöhnlich mutigen Mann." Le Nouvel Observateur
"Dieser Roman wird in Deutschland sehr verstören. Seine Sicht auf die Shoah ist anders, als wir es gewohnt sind. Lange gab es keinen Autor mehr, der das Ungeheuerliche so sehr beim Wort genommen hat." Die Welt
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Produktbeschreibung
Jan Karski, Kurier des polnischen Widerstands, sollte der Welt berichten, was er über die Juden-vernichtung wusste.

Doch niemand mochte seine Botschaft hören. Der Mann, der "den Holocaust stoppen wollte", versank nach dem Krieg lange in Schweigen. Yannick Haenel gibt Karski nun eine fiktive, eigene, berührende Stimme.

"Ein unvergessliches Buch über einen außergewöhnlich mutigen Mann." Le Nouvel Observateur

"Dieser Roman wird in Deutschland sehr verstören. Seine Sicht auf die Shoah ist anders, als wir es gewohnt sind.
Lange gab es keinen Autor mehr, der das Ungeheuerliche so sehr beim Wort genommen hat." Die Welt
Autorenporträt
Yannick Haenel, geboren 1967, leitet die Literatur-Zeitschrift Ligne de risque in Paris. Jan Karski stand in Frankreich wochenlang auf der Bestsellerliste, wird in 15 Sprachen übersetzt. Der Roman wurde unter anderem mit dem Prix FNAC und dem Prix Interallíe ausgezeichnet.

Claudia Steinitz, geb. 1961, lebt in Berlin und übersetzte aus dem Französischen und Italienischen u. a. Gabriele D'Annunzio, Henri-Frederic Blanc, Gerald Messadie und Jean-Christophe Rufin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.05.2011

Der Überbringer einer unerhörten Botschaft

Für Polen und die Aufklärung der Welt über die Vernichtung der Juden: Jan Karskis Bericht über seine Missionen im Zweiten Weltkrieg liegt erstmals auf Deutsch vor. Yannick Haenel nähert sich dem Thema mit fiktionalen Mitteln.

Er hieß in Wirklichkeit Jan Kozielewski, wollte Diplomat werden, und alles deutete darauf hin, dass der Wunsch des jungen Mannes aus katholischem Elternhaus im multinationalen Lodz in Erfüllung gehen würde. Zumal er gebildet war und mehrere Sprachen beherrschte. Doch statt dessen wurde er kurz nach Kriegsbeginn zum Mitglied und dann zum Kurier des polnischen Untergrunds. Der Wechsel von Identitäten wurde zu seiner zweiten Natur, und als er zu seiner wichtigsten Mission aufbrach, nahm er den Decknamen Jan Karski an, der ihm für den Rest seines Lebens den eigenen ersetzen sollte.

Schon damals, im Sommer 1942, genoss er den Ruf eines Helden: Während eines früheren Kuriergangs nach Frankreich war er von der Gestapo verhaftet und gefoltert worden. Um keine Geheimnisse zu verraten, versuchte er, seinem Leben ein Ende zu setzen, und wurde daraufhin in ein Krankenhaus verlegt. Trotz strenger Bewachung gelang ihm von dort die Flucht, und schon nach kurzer Zeit war er wieder im Untergrund tätig. Nun, zwei Jahre später, reiste er erneut in den Westen, diesmal mit zwei Aufträgen: die polnische Exilregierung über die Situation im Land und die Alliierten über die Vernichtung der Juden zu informieren.

Um einen möglichst glaubhaften Bericht zu liefern, hatte Jan Karski sich ins Warschauer Ghetto und in das KZ Izbica Lubelska einschleusen lassen. Die Schreckensbilder vor Augen, konnte er kaum erwarten, den Alliierten die Botschaft seiner jüdischen Kontaktmänner zu überbringen: Sie sollten alles Erdenkliche tun, um das Massaker an den Juden zu stoppen: deutsche Städte bombardieren, Bahngleise zu den Vernichtungslagern zerstören, Flugblätter an die deutsche Bevölkerung verteilen. Karski führte den Auftrag mit höchstem Engagement aus, doch die von ihm erhofften Reaktionen blieben aus. Sowohl in London, wo er mit hohen Politikern, etwa mit Außenminister Anthony Eden, sprach, als auch in Washington, wo er sogar von Präsident Roosevelt empfangen wurde, schenkte man seinem Bericht keinen Glauben oder man blieb gleichgültig. Enttäuscht und entmutigt, schwor er bei Kriegsende, über das Thema nie wieder zu sprechen.

Doch zuvor schrieb er ein Buch, in dem er seine Erlebnisse festhielt: den Bericht "Story of A Secret State", der erst jetzt, knapp siebzig Jahre später, auf Deutsch erscheint. Mag sein, dass dies auf seinen einstigen Erfolg zurückzuführen ist: Als er im Herbst 1944 herauskam, waren die vierhunderttausend Exemplare sofort ausverkauft; doch nach Kriegsende geriet er in Vergessenheit. Dabei ist er nicht nur ein Zeitdokument ersten Ranges, sondern auch ein erschütterndes Zeugnis von Mut, Patriotismus und Menschlichkeit.

In der letzten Szene des Buches beschreibt Karski das Gespräch, das er am 28. Juli 1943 mit dem amerikanischen Präsidenten im Weißen Haus hatte. Anschließend machte er einen Spaziergang, bei dem er seine Kriegserlebnisse überdachte: "In meinem Kopf schwirrten zusammenhanglose Gedanken und Bilder herum: der exquisite Salon des portugiesischen Botschafters in Warschau und dann abrupt und übergangslos Hitze, Staub und Dunst des Kampfes und die Bitterkeit der Niederlage." Danach folgt eine lange, flashartige Aufzählung von Situationen und Begegnungen aus den Kriegsjahren. Als der Krieg ausbrach, war er nur ein junger Mann, der sich auf seine Diplomatenkarriere vorbereitete und in vollen Zügen das Leben in Warschau genoss. Als sein Bericht fertig war, hatte er Mühe, die ursprünglichen tausend Seiten auf einige hundert zu kürzen, in denen die wichtigsten Ereignisse unterkommen mussten.

Doch es ist nicht allein die Brisanz des Stoffes, die Karskis Bericht so spannend macht. Es sind auch stilistische Qualitäten: die plastische Erzählweise, die lebendigen Dialoge, die Suggestivität mancher Bilder. "Diese Unglücklichen", so die Beschreibung einer Judendeportation, "begannen auf die Köpfe und Schultern derer zu steigen, die sich schon in den Waggons befanden." Diese "konnten nur mit verzweifeltem Geheul auf jene reagieren, die versuchten, über sie hinwegzuklettern, die sich an ihren Haaren und Kleidern festhielten, auf ihre Nacken, Gesichter und Schultern traten, Knochen brachen und in besinnungsloser Rage schrieen."

Eines darf man allerdings nicht vergessen: Karskis Mission galt nicht allein der Aufklärung über die Judenvernichtung, und diese ist auch nicht das wichtigste Thema seines Buches. Zu dieser Annahme verleitet der Haupttitel der deutschen Ausgabe: "Mein Bericht an die Welt". Er wirkt, als wollte man damit erreichen, dass wir in Karski erneut - wie schon nach seiner Aussage in Claude Lanzmanns Film "Shoah" - nur den gescheiterten "Botschafter des Holocaust" sehen. Doch das wäre falsch: Er war damals Kurier des polnischen Widerstands, der zusätzlich im Auftrag des jüdischen agierte. In seinem Buch widmet er seinem Einsatz für die Juden die letzten fünf Kapitel, ansonsten erzählt er darin seine Erlebnisse vom August 1939 bis November 1943 und zugleich das, was der Untertitel signalisiert: die "Geschichte eines Staates im Untergrund".

Die polnische Widerstandsbewegung war im damaligen Europa insofern beispiellos, als sie sich nicht nur als eine Streitkraft im Kampf gegen den Besatzer, sondern auch als ein Organismus verstand, der "zusammen mit der Exilregierung die Kontinuität des polnischen Staates sichern sollte". Ihre Aufgaben und Strukturen beschreibt Karski mit derselben Präzision und Lebendigkeit, mit der er seine eigenen Erlebnisse schildert, zumal es ihm durchaus bewusst war, dass die Außenwelt sie kaum nachvollziehen konnte: "Die Tatsache, dass ein Staatsapparat im Untergrund normal funktionieren konnte, mit einem Parlament, einer Regierung, einem Justizwesen und einer Armee, war für sie reine Fantasie." So lesen sich auch die Kapitel, die sich explizit auf das Thema beziehen und ein trockenes Referieren von Fakten und Zahlen befürchten lassen, nahezu wie die Episoden eines Agententhrillers. Und sie sagen eine Menge über die gesamte Geschichte Polens aus, denn sie beschreiben Konspirationsregeln, die im neunzehnten Jahrhundert, in der Zeit der Teilungen und Aufstände, ausgearbeitet und nicht nur im Zweiten Weltkrieg, sondern auch später noch , etwa nach der Zerschlagung der Gewerkschaft "Solidarnosc", angewendet wurden.

Während man Karskis Buch nicht genug Leser wünschen kann, ist der schmale Roman des französischen Autors Yannick Haenel, "Das Schweigen des Jan Karski", weniger empfehlenswert. Angesichts der Kraft und Genauigkeit von "Mein Bericht" wirkt er sogar eher störend, um nicht zu sagen: überflüssig. Auch die Bezeichnung "Roman" scheint übertrieben: Es ist ein dreiteiliger Text, dessen erster Teil minutiös Karskis Auftritt in Lanzmanns "Shoah" protokolliert, der zweite eine Zusammenfassung seines Buches liefert und der dritte - in der Ich-Form gehalten und als Karskis Monolog zu verstehen - von dem Misserfolg seiner "jüdischen" Mission, der Schuld der Alliierten, seinen Empfindungen angesichts der ausgebliebenen Reaktionen und seinem jahrelangen Schweigen handelt. Dazwischen sind etliche Glossen zu Polen, Stalin, Kommunismus, Kafka und einigem mehr gestreut.

Vor allem dieser dritte Teil ist problematisch: Haenel macht von den Regeln der Fiktionalisierung reichlich Gebrauch und legt seinem Protagonisten Sätze in den Mund, die sich bei aller Dehnbarkeit des Begriffs "künstlerische Freiheit" gegen die Realität behaupten müssen. Denn Karskis eigener Bericht lädt regelrecht dazu ein, genau zu überprüfen, ob die im "Monolog" formulierten Vorwürfe an die Adresse Englands und Amerikas, am Holocaust mitschuldig zu sein, oder die antikommunistischen Tiraden den politischen Überzeugungen Karskis entsprechen.

Das gilt auch für manches Ereignis, so vor allem für Karskis Begegnung mit dem amerikanischen Präsidenten, für deren Schilderung Haenel die Mittel der Karikatur wählt. Allerdings hinterlässt sein Einfall, Roosevelt als einen Lustmolch zu zeigen, der sich mehr als für die Weltlage für die Beine seiner Sekretärin interessiert und angesichts des Berichts über den Judenmord "ein Gähnen unterdrückt" und "die richtige Position für ein Nickerchen sucht", einen schalen Nachgeschmack, so wie das Buch insgesamt.

Man braucht keine literarische Fiktion, um als unbegreiflich zu empfinden, was Karski als Realität erlebte: das Scheitern seines Versuchs, der Welt über das größte Verbrechen des letzten Jahrhunderts die Augen zu öffnen. Es trifft allerdings auch zu, dass die meisten Beweise der Dankbarkeit, die er später bekam, ebendiesem Versuch galten. Er erhielt unzählige Preise, ein Baum an der "Straße der Gerechten" in Yad Vashem trägt seinen Namen, Israel machte ihn zu seinem Ehrenbürger. Dennoch zog er als seinen Nachkriegswohnsitz die Vereinigten Staaten vor, wo er jahrelang Politikwissenschaften an der University of Georgetown lehrte. In sein eigenes Land, das er, wie sein bewegendes Buch zeigt, leidenschaftlich liebte, kehrte er nie wieder zurück.

MARTA KIJOWSKA.

Jan Karski: "Mein Bericht an die Welt". Geschichte eines Staates im Untergrund. Hg. und mit einer Einführung von Céline Gervais-Francelle.

Aus dem Englischen und Französischen von Franka Reinhart und Ursel Schäfer. Antje Kunstmann Verlag, München 2011. 528 S., geb., 28,- [Euro].

Yannick Haenel: "Das Schweigen des Jan Karski". Roman.

Aus dem Französischen von Claudia Steinitz. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2011. 187 S., geb., 18,95 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Nicht erwärmen kann sich Rezensentin Renate Wiggershaus für Yannick Haenels Roman über Jan Karski, den legendären polnischen Offizier und Kurier des Widerstands gegen die Nazis. Während sie Karskis zeitgleich auf Deutsch erschienenes Werk "Bericht an die Welt" als herausragend lobt, lässt sie an vorliegendem Buch kein gutes Haar, ja, sie findet es schlicht überflüssig. In den ersten beiden Teilen des Buchs erzählt Haenel nach ihrer Auskunft zuerst Claude Lanzmanns Gespräch mit Karski im Film "Shoa" und dann Karskis "Bericht an die Welt" nach. Als störend empfindet sie dabei den oft "unmotiviert saloppen Ton". Besonders ärgert sich Wiggershaus aber über den dritten Teil des Romans, wo Haenel in die Figur Karskis schlüpft, um ihn rührselig monologisieren zu lassen, und zwar auf eine schlechthin "unstatthafte und geschichtsverfälschende Weise". Die Lektüre von Haenels Roman kann man sich nach Ansicht der Rezensentin getrost ersparen. Stattdessen empfiehlt sie, das beeindruckende Original von Karski lesen.

© Perlentaucher Medien GmbH