Marktplatzangebote
12 Angebote ab € 4,00 €
  • Gebundenes Buch

Zwanzig Jahre ist Joachim Fest als Herausgeber für das Feuilleton der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» verantwortlich gewesen. In dieser Eigenschaft hat er «das Kulturleben des Landes in hohem Maße geprägt« (Marcel Reich-Ranicki). Immer wieder hat er nicht nur durch engagierte Interventionen bei kulturellen Streitfragen - etwa zu Rainer Werner Fassbinders Theaterstück «Die Stadt, der Müll und der Tod» - von sich reden gemacht, sondern auch durch kenntnisreiche Beiträge zu Schriftstellern, Malern und Architekten. Dabei interessierte er sich besonders für das Verhältnis eines Künstlers zu…mehr

Produktbeschreibung
Zwanzig Jahre ist Joachim Fest als Herausgeber für das Feuilleton der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» verantwortlich gewesen. In dieser Eigenschaft hat er «das Kulturleben des Landes in hohem Maße geprägt« (Marcel Reich-Ranicki). Immer wieder hat er nicht nur durch engagierte Interventionen bei kulturellen Streitfragen - etwa zu Rainer Werner Fassbinders Theaterstück «Die Stadt, der Müll und der Tod» - von sich reden gemacht, sondern auch durch kenntnisreiche Beiträge zu Schriftstellern, Malern und Architekten. Dabei interessierte er sich besonders für das Verhältnis eines Künstlers zu seiner Zeit, zur Politik und überlieferten Formensprache seiner Gattung; aber auch dafür, wie sich die moderne Gesellschaft insgesamt zur kulturellen Überlieferung stellt. Dass Fests ebenso scharfsinnige wie nuancierte Antworten auf diese Fragen von bleibendem Wert sind, zeigen die hier versammelten Texte.
«Es ist schwer, vom ungeheuer weiten Bildungshorizont des glänzenden Stilisten unbeeindruckt zu bleiben.»
dpa

Autorenporträt
Fest, JoachimJoachim Fest (1926 - 2006) war einer der bedeutendsten Autoren und Historiker der Bundesrepublik. Ab 1963 arbeitete er als Chefredakteur des NDR und von 1973 bis 1993 als Herausgeber der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung». Seine Hitler-Biographie wurde in mehr als 20 Sprachen übersetzt. Weitere Werke: «Speer» (1999), «Der Untergang» (2002), «Begegnungen» (2004), «Ich nicht» (2006), «Bürgerlichkeit als Lebensform» (2007).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.10.2008

Formenflucht ist Freiheitsscheu
Von Maske zu Maske: Joachim Fests Essays über Kunst und Literatur
Janusköpfige Charaktere, zwiespältige Werke, große Posen: Ein eigenes Kapitel in der Kulturgeschichte aller Zeiten verdient die Sympathie des Konservativen für das Halbseidene. Kluge Hochstapler und pfiffige Hallodris haben es ihm angetan, gemischte Gestalten, deren Gestaltungswille auf nicht nur lauteren Absichten ruht. Der Wechsel von Maske zu Maske bietet dem konservativen Beobachter beste Bedingungen, seine eigene Skepsis gegenüber allem Glatten, Eingängigen, optimistisch Vorwärtsstürmenden zu artikulieren.
Joachim Fest war da keine Ausnahme. Er beugte sich beharrlich über Friedrich Sieburgs „Bedürfnis nach einem großen Lebensrahmen”, über Thomas Manns „Lust am Vexatorischen, an Schein, Rollentausch und höherem Versteckspiel” und über jenen „unendlichen Reiz der Oberfläche”, der Ernst Jünger in „eine Art Enträtselungsmanie” getrieben habe. Fests Essays über Literatur und Kunst zeigen geradezu idealtypisch die zentrale Bedeutung des Scheins und damit der Ironie für einen modernen Konservatismus.
Gewiss, hier finden sich auch die klassischen Ingredienzen Pessimismus, Determinismus, Kulturkritik, wie sie am Beispiel des malerischen Oeuvres von Bernhard Heisig, der Tagebücher von Jünger oder der Bauten des Architekten Cäsar Pinnau entwickelt werden. Diese Reminiszenzen verblassen jedoch angesichts der großen ästhetischen und philosophischen Zäsur, die Fest immer und immer wieder herausstellt und die die eigentliche Achse seiner Betrachtungen bildet: der Romantik. In ihr sieht Fest den Beginn einer ambivalenten Moderne.
Thomas Mann etwa, schrieb er 1985, habe lebenslang seiner „aus Romantik, Wirklichkeitsfremdheit und Politikverachtung gemischten Vorstellungswelt” die Treue gehalten. Die „Betrachtungen eines Unpolitischen” erklärt Fest zum keineswegs widerrufenen, „über die Jahre hin treffend gebliebenen Selbstporträt.” Nur im Angesicht des Nationalsozialismus sei Mann widerwillig politisch geworden – ein „Partisanendienst”, eine „Galeerenarbeit”. Jünger wiederum nennt er ob der „Verbindung von Rationalität und Ausdeutungsfähigkeit” einen „legitimen Nachfahren des Romantischen”.
Vollends zur romantischen Miniatur gerät ihm das Porträt Friedrich Sieburgs. Ohne dessen Satz von 1941, Frankreich habe ihn „zum Kämpfer und zum Nationalsozialisten erzogen”, zu verschweigen, zeigt Fest am Beispiel Sieburgs „das Dilemma der ästhetischen Existenz, des Wort- und Ideenspielers, in einer Epoche der moralischen Entscheidungszwänge”. Sieburg war eben zu keinem Partisanendienst bereit. Die „komödiantischen Bedürfnisse” standen ihm im Weg. Er wollte auch unter den Nazis eine gute Figur machen, ließ sich gerne in die Uniform eines Pariser Botschaftsrates stecken.
Insofern setzte die Romantik einerseits eine Scheidung von Moral und Kunst in Gang, die noch immer nicht ganz begriffen sei. Den Verdacht gegen Bernhard Heisigs als „Ostkunst” herabgewürdigte Bilder zieht Fest zum Beweis heran; die „von der Romantik verkündete Botschaft von der außer- oder antigesellschaftlichen Berufung des Künstlers” sei aber unwiderrufbar. Andererseits verlangt die solchermaßen gefährliche und gefährdete künstlerische Existenz nach einem Widerlager. Fest ortet es in einem Satz Sieburgs, den dieser selbst zuweilen missachtete: Ohne Liebe zur Vergangenheit werde der Glaube an die Zukunft zur Gefahr.
Die Thomas Mann und Ernst Jünger zugeschriebene Kontinuität im Denken muss man nicht restlos überzeugend finden, ebenso wenig Fests Kritik an der „weit über alle Kriegsschäden hinausgehenden Zerstörung unserer gesichtslos gewordenen Städte” durch eine ideologische, leichtsinnige, großspurige Nachkriegsarchitektur. Und ob sich noch immer, wie 1995 behauptet, das moderne „Pathos der Selbstermächtigung” erschöpft hat, ist durchaus die Frage. Bedenkenswert aber bleibt auf unabsehbare Zeit: Formenflucht ist oft nur Freiheitsscheu. ALEXANDER KISSLER
JOACHIM FEST: Flüchtige Größe. Gesammelte Essays über Literatur und Kunst. Rowohlt Verlag, Reinbek 2008. 462 Seiten, 19,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

An Joachim Fests Essays zu Literatur und Kunst, die jetzt in einem Band versammelt sind, fällt Alexander Kissler neben dem zu erwartenden "Pessimismus", der "Kulturkritik" oder dem "Determinismus" auch die "Sympathie des Konservativen für das Halbseidene" auf, für Hochstapler und Hasardeure. Das findet Kissler an Fests Interesse am Werk Friedrich Sieburgs, Thomas Manns und Ernst Jüngers ablesbar, wodurch ihm einmal mehr bewusst wurde, welch zentrale Bedeutung Schein und Ironie für einen "modernen Konservatismus" spielen. Wenn der Rezensent auch nicht alle Ansichten, die Fest in seinen Essays vertritt, teilt, wie beispielsweise dessen rigorose Verurteilung der Nachkriegsarchitektur, findet er sie dennoch insgesamt durchaus "bedenkenswert".

© Perlentaucher Medien GmbH