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Der Westen - das Ende einer Erfolgsgeschichte Zwanzig Jahre nach dem Fall der Mauer steht für die ostdeutsche Publizistin Daniela Dahn fest: Der Westen ist der Verlierer der Einheit. Die meisten im Osten hingegen haben gewonnen: Rechtsstaat und Reisefreiheit, höhere Renten und besseres Wohnen, modernste Infrastruktur, Konsumvielfalt und eine sich erholende Umwelt. Doch auch ihnen vergeht allmählich der Spaß. Denn der Westen von heute hat mit dem Land der Verheißungen, von dem sie einst träumten, nicht mehr viel gemein. Ohne Mauer und Systemkonkurrenz ist er haltlos geworden. Werte und Ziele…mehr

Produktbeschreibung
Der Westen - das Ende einer Erfolgsgeschichte
Zwanzig Jahre nach dem Fall der Mauer steht für die ostdeutsche Publizistin Daniela Dahn fest: Der Westen ist der Verlierer der Einheit. Die meisten im Osten hingegen haben gewonnen: Rechtsstaat und Reisefreiheit, höhere Renten und besseres Wohnen, modernste Infrastruktur, Konsumvielfalt und eine sich erholende Umwelt. Doch auch ihnen vergeht allmählich der Spaß. Denn der Westen von heute hat mit dem Land der Verheißungen, von dem sie einst träumten, nicht mehr viel gemein. Ohne Mauer und Systemkonkurrenz ist er haltlos geworden. Werte und Ziele wie Wohlstand für alle, mehr bürgerliche Freiheiten, soziales Wirtschaften und eine intellektuelle Kultur, die auf Meinungsvielfalt setzt - sie schwinden dahin. Was bleibt vom Kapitalismus, so wie die Westdeutschen ihn einst kannten und die Ostdeutschen ihn sich erhofften? Daniela Dahn geht dieser Frage mit gewohnt präziser Recherche, spitzer Zunge und brillanter Sprache anhand vieler Beispiele aus dem Alltagsleben nach.
Autorenporträt
Daniela Dahn, geboren 1949 in Berlin, Journalistikstudium in Leipzig, danach Fernsehjournalistin. Seit 1981 arbeitet sie als freie Autorin. Gründungsmitglied des "Demokratischen Aufbruchs", Mitglied des P.E.N. seit 1991. Mehrere Gastdozenturen in den USA.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.11.2009

Kämpferin wider das Kapital
Daniela Dahns provokative Gedanken zum Mauerfall
Wenn David, der gegen Goliath kämpfte, heute eine Schwester im Geiste beim Kampf gegen den Turbokapitalismus hätte, könnte sie Daniela Dahn heißen. Das neunte Buch der Börne-Preisträgerin und Mitherausgeberin des Freitag hat es in sich. Da bleibt es nicht aus, dass ihre nonkonforme Zeitanalyse nicht von allen geteilt wird oder gar wütend macht. Wer sich aber dafür interessiert, wie ein Teil nicht nur der ostdeutschen Gesellschaft über 20 Jahre Mauerfall so oder ähnlich denkt, darf an diesem Buch nicht vorbeigehen. Mit exakten Fakten, Einzelschicksalen und scharfen Analysen gibt Dahn provokante Denkanstöße.
Sie geht davon aus, dass die konkurrierenden Systeme sich im Ost-West-Konflikt wechselseitig Legitimation und damit sozialen und politischen Wandel abverlangt haben. Dies zähmende Magnetfeld sei nun erloschen. Der euphorische Sieg über den einstigen Wettbewerber habe sich im Nachhinein aber als Pyrrhussieg erwiesen. Danach leben wir jetzt gemeinsam in einem neuerlichen Auslaufmodell: „Der Extremkapitalismus ist der eigentliche Extremismus des 21. Jahrhunderts.” Eine Folge: Die unabsehbaren Staatsschulden „könnten uns nach der ersten eine zweite Untergangsgesellschaft bescheren”.
„Emanzipatorisches Erbe”
Der Geburtsfehler der Wiedervereinigung liegt für Dahn in der Verweigerung des „emanzipatorischen Erbes” des Ostens. Dass es so etwas tatsächlich gab, wird, bei aller DDR-Kritik, von der Autorin an Beispielen aus vielen Bereichen belegt. Doch im Westen sah man keinen Bedarf an Wandel. Dies verhinderte nach 1989 der antikommunistische Tunnelblick mit Schlagworten wie „Unrechtsstaat” oder „zweite deutsche Diktatur”. Die radikale Privatisierung und die alles beherrschende Gewinnmaximierung hat jedoch die soziale und mentale Ost-West-Spaltung eher vertieft als überwunden.
Dies hätte nach Dahns Ansicht gemildert werden können, wenn sinnvolle Formen des Gemeineigentums und Elemente des ostdeutschen Arbeits- und Sozialwesens transformiert worden wären. Kritisch sei angemerkt: Eine konföderative Lösung hätte auch eine Umwälzung des westlichen Gesellschaftssystems bedeutet. Woher sollten dafür, kurz nach dem Mauerfall, die Kraft und die politischen Mehrheiten kommen?
Dahn wendet sich auch gegen Zerrbilder der Geschichtsschreibung: Da werde mit erheblichem steuerfinanzierten Forschungsaufwand seit 20 Jahren an einem offiziösen DDR-Bild geklittert, das auf die Gleichsetzung von Nazi- und SED-Herrschaft hinauslaufe. So würden Naziverbrechen, wie dies auch der Zentralrat der Juden wiederholt scharf kritisiert, unerträglich relativiert. Dahn stellt die Nürnberger Prozesse denen gegen DDR-Unrecht gegenüber. Sie folgert: „Beide Diktaturen haben keinen einzigen identischen Anklagepunkt hinterlassen.” Während Nazitäter wegen schwerster Kriegsverbrechen und beispielloser Gewalttaten gegen die Menschlichkeit verurteilt wurden, gelten DDR-Straftaten auch unter Juristen als zumindest vergleichsweise mittelschwer: Rechtsbeugung, Gewalttaten an der Grenze, Wahlfälschung, Misshandlung von Gefangenen, Doping, Amtsmissbrauch, Korruption usw.
Andererseits zeigt sie am Beispiel des ersten Nato-Angriffskrieges – in Jugoslawien –, der mit Hilfe der Bundesrepublik geführt wurde, dass Reflexion eigenen Unrechts im öffentlichen Diskurs kaum stattfindet. Akribisch, zum Teil vor Ort recherchiert, legt sie ein wichtiges Kapitel von Gegenöffentlichkeit vor. Sie weist Punkt für Punkt nach, dass vermeintliche Gründe für den ohne UN-Mandat geführten Krieg, ähnlich wie im Irak, nicht stichhaltig sind. Weder „Völkermord” noch „ethnische Säuberungen” konnten in Den Haag als Anklagepunkte erhoben werden: zeitgeschichtlich und juristisch ein unaufgearbeiteter Krieg.
Dahn fordert als Fazit heutiger Kapi-
talismuskritik eine grundgesetzkonforme Rettung der Demokratie durch eine Revolution im Wirtschafts- und Finanzsystem. Sie schließt sich einem Zitat
des libanesischen Essayisten und Finanzexperten Nassim Nicholas Taleb an,
der in der FAZ unter der Überschrift „Banker weg, wir brauchen eine Revo-
lution” postuliert hat: „Das ganze
System muss ausgewechselt werden.” Dahns Auslegung: „Rückgewinnung
des Primats der Politik.” Auch hier scheint allerdings der Wunsch, in die-
sem Fall, die Mutter des Gedankens
zu sein: Wie aus der globalen Schulden-
falle herauszukommen ist, darauf bleibt auch die Autorin eine Antwort schul-
dig. Dennoch schließt sich der Rezensent dem Urteil des Laudators Egon Bahr auf der Buchpremiere an: „Mit dem Buch ist ihr ein großer Wurf gelungen. Ich kann es wirklich empfehlen.” WOLFGANG HERZBERG
DANIELA DAHN: Wehe dem Sieger! Ohne Osten kein Westen. Rowohlt Verlag, Hamburg 2009. 304 Seiten, 18,90 Euro.
Mit dem traditionellen Fackelzug der FDJ und vielen Fahnen feierte die DDR am 6. Oktober 1989 ihren 40. Jahrestag – einen Monat später fiel die Mauer. Stiebing
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Beim Rezensenten Wolfgang Herzberg ist Daniela Dahn mit ihren Gedanken zum bedauerlichen Ende der DDR und dem Siegszug des Turbokapitalismus auf ein offenes Ohr gestoßen. Für Dahn, lernen wir vom Rezensenten, ist der Kapitalismus der "Extremismus des 21. Jahrhunderts", der ohne den Osten als Korrektiv schön blöd dastehe. Dabei sieht er durch Dahn auch klargestellt, dass die DDR kein Unrechtsstaat war und ihre Straftaten im Vergleich zu den Verbrechen von Nationalsozialismus und den "Angriffskriegen" der Nato nur "vergleichsweise mittelschwer" waren: Von "Gewalttaten an der Grenze" spricht der Rezensent beispielsweise etwas verklemmt. Auch ihrem Aufruf, mit einer irgendwie Grundgesetz konformen Revolution das Wirtschaftssystem umzustürzen, kann er sich anschließen und das Buch mit seinen "exakten Fakten, Einzelschicksalen und scharfen Analysen" am Ende sehr empfehlen.

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