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Produktdetails
  • Verlag: Reimer
  • 1999.
  • Seitenzahl: 279
  • Deutsch
  • Abmessung: 240mm x 169mm x 18mm
  • Gewicht: 700g
  • ISBN-13: 9783496026754
  • ISBN-10: 3496026758
  • Artikelnr.: 08254115
Autorenporträt
Andreas Schätzke is an architectural historian living in Berlin. His research fields include architecture and urban development in post-war Europe and the relationship between architecture and politics in the 20th century.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Eckhart Gillen lobt die "kenntnisreiche Untersuchung", mit der Schätzke nachweise, dass nach Kriegsende die meisten emigrierten Künstler in die SBZ/DDR zurückgekehrt sind, nicht in die Bundesrepublik. Warum das so war, könne Schätzke allerdings auch nicht erklären. Die Antworten, vermutet der Rezensent, "liegen wohl im Niemandsland zwischen Glaube, Pflicht und Hoffnung." Gillen bedauert nur, dass Schätzkes Studie, eine Dissertation von 1994, die 1999 veröffentlicht wurde, neuere Literatur zum Thema nicht mehr berücksichtigt. Er weist auf Michael Krejsas kommentierte "Kunstdokumentation SBZ/DDR" (Dumont 1996) hin, die das "makabre Protokoll" der Vernehmung John Heartfields enthalte.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.08.2000

Drinnen vor der Tür
Exilkünstler waren auch in der DDR nicht willkommen: Andreas Schätzke folgt ihren Wegen

Die nach 1933 aus Deutschland emigrierten Künstler und Architekten wie Josef Albers, Max Beckmann, Max Ernst, Lyonel Feininger, Walter Gropius, Hans Hartung und Ludwig Mies van der Rohe kehrten nach 1945 in der Regel nicht zurück. Otto Freundlich wurde in Majdanek, Felix Nußbaum in Auschwitz ermordet, Heinrich Vogeler starb an Unterernährung in Kasachstan. Hat sie jemand in der Heimat vermißt? Aus den westlichen Besatzungszonen sind keine offiziellen Einladungen bekanntgeworden. Aber auch die Behörden in der Sowjetischen Besatzungszone bemühten sich nur um wenige, ihnen propagandistisch besonders nützlich erscheinende Künstler, wie Max Lingner, den populären Illustrator der kommunistischen Parteipresse in Frankreich, oder den Architekten Kurt Liebknecht, den Neffen von Karl Liebknecht. Diejenigen, die innerlich widerstrebend die Rückkehr planten, taten es mehr aus politischem Pflichtgefühl ("diffuses Schuldgefühl" bei Theo Balden) oder, wie im Fall der nach Palästina geflüchteten Lea Grundig, auf die ihr Mann in Dresden wartete, aus persönlichen Gründen: "Ich habe ein großes Gefühl der Fremdheit und nur Deinetwegen kam ich zurück."

Andreas Schätzke weist in seiner kenntnisreichen Untersuchung nach, daß sich im Vergleich zur SBZ/DDR nur wenige Künstler für West-Berlin oder die Bundesrepublik entschieden hatten. Die Gründe scheinen auf den ersten Blick naheliegend zu sein, wollten doch die meisten Remigranten der Weimarer Generation als Mitglieder oder Sympathisanten der alten KPD und kommunistisch orientierter Künstlerorganisationen ihre 1933 unterbrochene Arbeit am Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft in der SBZ/DDR fortsetzen. Außerdem empfanden die antinazistischen Künstler aus dem Exil die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945 als Befreiung, während in Westdeutschland vom "Zusammenbruch" die Rede war. Dennoch war auch für sie die Rückkehr in den "antifaschistischen" und daher "besseren" Teil Deutschlands eine "Heimkehr in die Fremde", wie es der nach Leipzig zurückgekehrte Germanist Hans Mayer in seinen Memoiren formulierte.

Sie kamen bis auf wenige Ausnahmen (zum Beispiel der Bildhauer Will Lammert und die Architekten, die in der Sowjetunion Zuflucht gefunden hatten) aus der sogenannten Westemigration, aus demokratischen Ländern mit freier Presse und einer liberalen kulturellen Öffentlichkeit. Diesen Westemigranten, denen eine Neigung zum "Kosmopolitismus" unterstellt wurde, mißtraute die aus dem Exil in Stalins Moskau zurückgekehrte, von der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) inthronisierte "Gruppe Ulbricht" zutiefst. Erstaunlich ist es schon, daß die Westemigranten bereit waren, sich freiwillig in den Machtbereich Stalins zu begeben, trotz aller ihnen in den westlichen Demokratien zugänglichen Informationen über die Stalinisierung der KPD, die Moskauer Schauprozesse und die Vorgänge im sowjetischen Machtbereich nach 1945, die zu neuen Schauprozessen in Osteuropa führten. Auf diese Frage findet Andreas Schätzke keine Antworten. Sie liegen wohl im Niemandsland zwischen Glaube, Pflicht und Hoffnung. Jede Generation hat schließlich ein Recht auf ihre eigene Hoffnung, und jede der von Schätzke erzählten Rückkehrgeschichten war letztlich doch "ein Ausnahmefall".

Horst Strempel, Mitglied der KPD, emigrierte 1933 nach Paris. Ein Angebot auf Straffreiheit nutzend, kehrte er 1941 freiwillig nach Deutschland zurück. Er kam in einem Strafbataillon auf dem Balkan zum Einsatz. Nach Rückkehr aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft gehörte er 1946 zu den Gründern der "Arbeitsgemeinschaft sozialistischer Künstler". Er ging als Professor an die Kunsthochschule Weißensee im Sowjetsektor Berlins und wurde SED-Mitglied. Im Rahmen des vom Generaldirektor der Deutschen Reichsbahn, Willi Kreikemeyer, initiierten Programms zur Ausschmückung der Ost-Berliner Bahnhöfe mit Wandbildern erhielt Strempel 1948 einen Auftrag für die Schalterhalle des Bahnhofes Friedrichstraße. Das Wandgemälde wurde im Zuge der Formalismuskampagne im offiziellen Organ der SMAD, der "Täglichen Rundschau", am 20. Januar 1951 angegriffen und vier Wochen später zerstört. Als Strempel Anfang 1953 nach West-Berlin floh, verweigerte man dort dem ehemaligen Kommunisten mehrfach die Anerkennung als politischer Flüchtling. So kam er wie viele Künstler damals zwischen die Fronten des Kalten Krieges.

Ein halbes Jahr zuvor, am 25. August 1950, war sein Auftraggeber, Willi Kreikemeyer, von der SMAD verhaftet worden. Er starb nach den ersten Vernehmungen durch den sowjetischen Geheimdienst (NKWD) bereits am 31. August im Gefängnis unter bis heute ungeklärten Umständen. Die Konstruktion der Verbindung des Kommunisten Kreikemeyer mit einer "Bande trotzkistisch-titoistischer Verschwörer im Solde des amerikanischen Imperialismus", deren Chef der amerikanische Unitarier Noel Haviland Field sein sollte, dessen Flüchtlingshilfe in der Nazizeit deutschen Emigranten zur Ausreise und zur Gründung einer neuen Existenz vor allem in Mexiko verhalf, ist typisch für die gegen die Westemigranten in der DDR angewandten stalinistischen Methoden. Dem KKWD war natürlich bekannt, daß Willi Kreikemeyer im französischen Exil Geschäftsführer des Neuen Deutschen Verlages von Willi Münzenberg gewesen war und wie dieser den Hitler-Stalin-Pakt von 1939 abgelehnt hatte.

Auch John Heartfield geriet nach seiner späten Rückkehr aus dem englischen Exil im August 1950 in die Mühlen der "Säuberungs"-Kampagne gegen Westemigranten, denen stets angebliche Verbindungen zu dem "amerikanischen Agenten" Noel H. Field unterstellt wurden. Heartfield traf als ehemaliges Gründungsmitglied der KPD die Verweigerung der SED-Mitgliedschaft "aus Sicherheitsgründen" besonders hart. Leider findet in dem 1999 publizierten Buch die nach Abschluß der Dissertation 1994 erschienene Literatur keine Berücksichtigung mehr, sonst wäre Andreas Schätzke sicher das makabre Protokoll der verhörartigen Vernehmung Heartfields durch die Zentrale Parteikontrollkommission nicht entgangen, das Michael Krejsa in der Kunstdokumentation SBZ/DDR (DuMont, Köln 1996) in einer kommentierten Fassung veröffentlichte. Erst 1954, in der Tauwetterphase nach dem 17. Juni, durfte der Westemigrant Stefan Heym die Leser der Berliner Zeitung darauf aufmerksam machen, daß "einer der größten und originellsten Künstler unserer Zeit spurlos verschwunden" sei "in der DDR"!

ECKHART GILLEN

Andreas Schätzke: "Rückkehr aus dem Exil". Bildende Künstler und Architekten in der SBZ und frühen DDR. Dietrich Reimer Verlag, Berlin 1999. 290 S., 22 Abb., br., 68,- DM.

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