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Emmis Tod bringt vier alte Schulfreunde wieder zusammen. Beinah zwei Jahrzehnte haben sie sich nicht gesehen, viel ist inzwischen geschehen. Und so verabreden sie sich noch am Grab für ein Wochenende in Venedig: Die vier wollen endlich herausfinden, was ihre Freundschaft ihnen wirklich wert ist - und was genau sie all die Jahre nicht losgelassen hat.

Produktbeschreibung
Emmis Tod bringt vier alte Schulfreunde wieder zusammen. Beinah zwei Jahrzehnte haben sie sich nicht gesehen, viel ist inzwischen geschehen. Und so verabreden sie sich noch am Grab für ein Wochenende in Venedig: Die vier wollen endlich herausfinden, was ihre Freundschaft ihnen wirklich wert ist - und was genau sie all die Jahre nicht losgelassen hat.
Autorenporträt
Thommie Bayer, 1953 in Esslingen geboren, studierte Malerei und war Liedermacher, bevor er 1984 begann, Stories, Gedichte und Romane zu schreiben. Neben anderen erschienen von ihm »Die gefährliche Frau«, »Singvogel«, der für den Deutschen Buchpreis nominierte Roman »Eine kurze Geschichte vom Glück« und zuletzt »Das Glück meiner Mutter«.
Rezensionen
»Fesselnd erzählt.« General-Anzeiger 20131130

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.02.2013

Einsilbige Nachtigallen
Ironiefrei: Thommie Bayers Männerroman

Ums "Männerding" dreht sich alles in diesem Roman, und mit dieser bündigen Diagnose ist fast schon genug gesagt. Die vier Freunde, die das Begräbnis ihrer alten Lehrerin nach über zwanzig Jahren wieder zusammenführt, brauchen einige Zeit, um zu erkennen, dass sie allesamt an denselben Symptomen leiden: Sie haben sich in ihrem Leben eingerichtet, sind zynisch, leichtfertig oder verschlossen geworden und glauben, dass Frotzeleien und Wortkargheit den angemessenen Rahmen für wahre Männerfreundschaft bilden. So sitzen die vier morgens im eleganten venezianischen Palazzo zusammen, in den der schwerreiche Michael seine alten Kumpel eingeladen hat, und schweigen vor sich hin.

Für den Fall, dass sich manche Leserin angesichts der vierfachen männlichen Sprachlosigkeit zu sorgen beginnt, hält der Erzähler lebenskluge Erfahrungen parat: "Das Frühstück verlief in dem typischen, scheinbar mürrischen, in Wirklichkeit aber einfach nur gelassenen Schweigen, mit dem sich Männer auf der ganzen Welt in den Tag hineintasten. Wenn sie unter sich sind und nicht eloquent sein müssen."

So also geht's zu in der Männerwelt. Allerdings haben sich die alten Freunde dann doch noch einiges zu erzählen. Damals, im Internat, waren sie zunächst erbitterte Feinde, die sich gegenseitig das Leben schwermachten. Ihre Lehrerin jedoch entdeckte das Talent, das die einsamen Jugendlichen verband, und ermunterte sie, ein Gesangsquartett zu gründen. Als "Nachtigallen" erlebten die vier ihre große Zeit, imitierten die Comedian Harmonists und die Beatles, entdeckten moderne Arrangements und fanden durch gemeinsame Auftritte Selbstvertrauen und Anerkennung.

Später gingen die Sänger getrennte Wege, entwickelten sich zu gegensätzlichen Typen, die in ihrer Gesamtheit ein recht trauriges Bild gegenwärtiger Männlichkeit ergeben: Der eine leidet unter dem egoistischen "Wechseljahrefeminismus" seiner Frau und klammert sich an altlinke Überzeugungen; der Nächste sucht unablässig schnelle Sexabenteuer; der Dritte beginnt über dem Scheitern seiner Ehe zu trinken. Allein Michael, der generöse venezianische Gastgeber, hat die Musik zu seinem Beruf gemacht. Inkognito schreibt und komponiert er seit Jahren die Titel für seine heimliche Liebe, eine erfolgreiche irische Folksängerin. Auch dieses Geheimnis ist Teil des "Männerdings" und hängt mit Michaels Hoffnung zusammen, "dass eine Liebe, die nie geprüft wird, auch nie scheitern kann".

Schritt für Schritt demontiert Thommie Bayer, der viele Jahre selbst als Musiker auftrat und demnächst sechzig wird, solche Gewissheiten. Das ist streckenweise interessant und manchmal sogar anrührend, zumal die vier alten Freunde es doch noch schaffen, ihre Sprachlosigkeit zumindest im Ansatz zu überwinden. Manche Szenen von Bayers Roman gewinnen beeindruckende Dichte, etwa wenn ein altes Spielzeugauto in der venezianischen Küche auftaucht, das die Männer an ihre unglückliche Kindheit im Internat erinnert. Doch trotz gelungener Passagen bleiben die Schilderungen oft blass und voller Klischees. Michaels Entzücken, als er - unter tragischen Umständen - endlich das Haus seiner heimlichen Liebe betritt, könnte dem Werbeprospekt eines Sanitäreinrichters entstammen: "Das Badezimmer war umwerfend schön. Alles weiß, außer den Armaturen, dem Spiegel und der Glastür der gemauerten Duschkabine, alles in Porzellan, nicht protzig oder kitschig, jeder Körper, jedes Ding von stolzer Eigenart und in guter Proportion zu allem anderen." Kein Funke von Ironie, nicht das kleinste Signal von Distanz bricht dieses "Schöner Wohnen"-Pathos, das sich zu einem bedeutungsschweren Fazit aufschwingt: "Das war nicht nur guter Geschmack, das war Seele."

Angesichts dieser heftigen Seelenrhetorik ist die Wortkargheit geradezu erfrischend, mit der Michaels unterkühlter Freund Bernd auf die Schönheiten Venedigs reagiert. Auf dem Taxiboot vom Flughafen in die Stadt wiederholt er beeindruckt immer nur dieselben Worte: "Der Hammer." Auch solch knappe Geschmacksurteile sind, so legt Bayer es nahe, Männersache. Seine Helden aber gehen so auseinander, wie sie zusammengetroffen sind: als seltsam blasse Typen, die kaum zu individuellen Charakteren werden und darum wenig Mitgefühl und Anteilnahme wecken können. Ein Hammer ist das nicht.

SABINE DOERING.

Thommie Bayer: "Vier Arten, die Liebe zu vergessen". Roman.

Piper Verlag, München 2012. 284 S., geb., 19,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Sichtlich enttäuscht legt Sabine Doering das Buch beiseite. Blasse Charaktere, sprachliche Klischees, ironiefreie Schöner-Wohnen-Texterei, meint sie. Dass der Roman in Venedig spielt, ist dabei offenbar das geringste Übel. Das Risiko eines solchen Schauplatzes scheint der Autor auch nur darum auf sich nehmen können, weil die im Roman dargestellte Männerwelt selbst über die Maßen schabloniert ist, wie Doering feststellt. Allzu lebenskluge, auf ihr misslungenes Leben Rückschau haltende Männer im venezianischen Palazzo - das muss Doering nicht lesen. Von einzelnen atmosphärisch dichten oder. anrührenden Passagen einmal abgesehen.

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