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Das Beispiel Jessica Drechser: Was hat sie, was andere nicht haben? Und wie gelangt man als schmalbrüstiger Komiker in den Besitz des Poesiealbums von Claudia Ross? Das Leben steckt voller Geheimnisse, und unser jugendlicher Held Jakob Hein macht sichdaran, sie zu lüften. Er bietet jeder Herausforderung die Stirn, besäuft sich mit einem Getränk namens 'Grüne Wiese' und stellt sich tapfer den zersägten Schweinehälften im Fleischkombinat Berlin. Jakob Hein erzählt die tollsten Geschichten, ungeschminkt, schwärmerisch und gnadenlos witzig - von der mobilen Wahlurne bis zu den intimen Details…mehr

Produktbeschreibung
Das Beispiel Jessica Drechser: Was hat sie, was andere nicht haben? Und wie gelangt man als schmalbrüstiger Komiker in den Besitz des Poesiealbums von Claudia Ross? Das Leben steckt voller Geheimnisse, und unser jugendlicher Held Jakob Hein macht sichdaran, sie zu lüften. Er bietet jeder Herausforderung die Stirn, besäuft sich mit einem Getränk namens 'Grüne Wiese' und stellt sich tapfer den zersägten Schweinehälften im Fleischkombinat Berlin. Jakob Hein erzählt die tollsten Geschichten, ungeschminkt, schwärmerisch und gnadenlos witzig - von der mobilen Wahlurne bis zu den intimen Details seiner Jugend, wie dem ersten T-Shirt, das eigentlich ein Nicki war.
Autorenporträt
Jakob Hein, geboren 1971 in Leipzig, wuchs in Berlin auf, wo er heute als praktizierender Arzt mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen lebt. Neben den Bestsellern 'Mein erstes T-Shirt', 'Formen menschlichen Zusammenlebens' und 'Herr Jensen steigt aus' erschienen unter anderem von ihm sein autobiografisches Familienporträt 'Vielleicht ist es sogar schön', 'Gebrauchsanweisung für Berlin', 'Antrag auf ständige Ausreise', 'Der Alltag des Superhelden', 'Vor mir den Tag und hinter mir die Nacht' und der Roman 'Liebe ist ein hormonell bedingter Zustand'.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.11.2001

Generation Trabant
Jakob Hein erzählt vom Aufwachsen in der schon mürben DDR
Über die Generation Golf sind wir gut informiert. Wenig Konflikte, viel Fürsorge gab’s in der Kindheit und Jugend der West- Dreißigjährigen, und am Ende der Adoleszenz verfügte das Individuum dann zumindest über ein ausgeprägtes Markenbewusstsein: Lieber Boss- als Witboy- Jeans. So war’s im Westen. Doch wie war’s im Osten? Jakob Hein, 1971 geboren und in Ost-Berlin aufgewachsen, erzählt aus dem Leben der Generation Trabant. Er zeigt die andere Seite der Medaille, die sich von der glänzenden Westseite jedoch gar nicht so sehr unterscheidet. Kindheit und Jugend waren im Westen wie im Osten offensichtlich gut behütet, und vielleicht erinnern sich die heute Dreißigjährigen deshalb so gerne und so wehmütig an die just vergangene Zeit. Allerdings tarnt sich die Wehmut früherer Generationen dabei meist als Ironie.
In seinen kurzen, zwei bis fünf Seiten umfassenden Geschichten agiert Jakob Heins Ich-Erzähler vor einer grau schraffierten Landschaft, in der – wir befinden uns in der DDR der Endsiebziger und Achtziger Jahre – die einstigen Ideale und Autoritäten nur noch im Zustand fortschreitenden Verfalls zu erkennen sind. Wer nicht so richtig mitmachen will, hat ganz gute Chancen sich gegen die Zumutungen von Autoritäten wie Eltern, Kindergartentanten und Lehrern zu wehren. Das Drama des begabten (und wie könnte es anders sein: unsportlichen) Kindes ist bei Hein eine milde Komödie. Hier entzieht sich einer und wahrt seine Freiheit, indem er sich stilisiert: Wenn ich schon ein Stolperer bin, dann setze ich eben das Stolpern als Kunstmittel ein. Stolpern als Strategie aber ist gerade kein Zeichen von Ungeschick. Sondern eine geschickte Technik auf dem Weg ins ernste Leben. Der Charme dieser Skizzen beruht darauf, dass das begabte Kind zugleich ein freches Kind ist.
Hier will einer, der von einer Welt berichtet, in der es nicht immer viel zu lachen gab, das letzte Wort behalten und die Lacher auf seiner Seite haben. Die letzten Jahre des gerade versinkenden sozialistischen Atlantis sind dafür keine schlechte Zeit: Die meisten Mitmenschen dämmern einfach so vor sich hin. Das freche Kind, zum frechen Jugendlichen gereift, hingegen testet, was man sich alles erlauben kann. Mit seiner geschickten Stolpermethode absolviert es die üblichen Initiationsriten wie die erste Knutscherei, Raucherecke und E-Gitarre, das erste Besäufnis und was sonst noch zum Erwachsenwerden gehört. Zu all diesen Unternehmungen liefert das Westfernsehen den bunten und bewegten Hintergrund, selbst bei den bemitleideten Kindern von Stasimitarbeitern.
Davon, dass er der Sohn des nicht eben unbekannten Schriftstellers Christoph Hein ist, macht Jakob Hein kein Aufhebens. Eher beiläufig ist der Vater in diesem Buch anwesend. In dem Abschnitt „Meine private Hölle” kommt er nicht vor, denn der handelt vom Allerweltstraum, mit der eigenen Band groß rauszukommen. Die größte Provokation in diesem still gestellten Land begeht der Vater, als er seinem Sohn für den Eintrag ins Poesiealbum einer Mitschülerin ein kerniges Brendan-Behan-Zitat empfiehlt: „Wirf nie deine Mutter mit Kieseln; wenn sie stirbt, wirst du traurig sein. Schmeiß lieber nach deinem Vater mit einem richtigen Ziegelstein.”
Von einer Kindheit zu erzählen, die ohne große Schmerzen und Traumatisierungen verlaufen ist, zählt zu den schwierigeren Aufgaben: Wie will man das Harmlose interessant machen? Dem Melancholiker und Ironiker Jakob Hein gelingt es in vielen seiner Geschichten. Denn er hat als versierter Stolperer einen Sinn für Situationskomik und versteht es, im Alltäglichen die schrägen Momente zu entdecken.
CLAUS-ULRICH BIELEFELD
JAKOB HEIN: Mein erstes T-Shirt. Mit einem Vorwort von Wladimir Kaminer. Piper Original 7025. Piper Verlag, München 2001. 152 Seiten, 22 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.12.2001

Darauf eine Grüne Wiese
Jakob Heins Ost-Berliner Jugend · Von Friedmar Apel

Jakob Hein ist Arzt an der Charité und 1971 geboren. Weil also seine Jugend schon ein Weilchen her ist und die DDR auch, schreibt er gern seine schönsten Erlebnisse in Elternhaus, Kindergarten, Schule und Patenschaftsbetrieb auf. Die liest er dann sonntags auf der Reformbühne "Heim und Welt" vor. Jetzt sind sie endlich als Buch erschienen. Dafür hat ihm sein Freund Wladimir Kaminer ein Vorwort geschrieben. Darin teilt er mit, Hein gebe sich gelegentlich "als großer Freidenker, Dissident und Philosoph, eine Mischung aus Charles Bukowski und Heiner Müller, der in der DDR politisch aktiv war und wie viele seiner Zeitgenossen auf beiden Seiten der Barrikade kämpfte".

Das soll vermutlich so "gnadenlos witzig" sein wie die "Russendisko" und Heins Geschichten. Die sind aber auch lehrreich. Sie zeigen nämlich, daß eine Ost-Berliner Jugend um 1980 ziemlich genau so war wie eine West-Berliner Jugend um 1960. Man benutzte Adjektive und Adverbien wie "schau", "schnafte" und "tüffig" und schrieb Mädchen häßliche Sachen ins Poesiealbum. Die Lehrer waren autoritäre Trottel, die mit dem Schlüsselbund nach einem warfen, und die Polizisten wurden "Bullen" genannt. "Erziehung war gegen alles, was Spaß macht, ausgerichtet." Nur bei der Ferienarbeit im Betrieb lernte man, wie man sich zielgerichtet besäuft, um noch vor halbzehn zu kotzen. Memmen tranken Cola-Weinbrand, richtige Jungs Gin-Tonic. Richtige Mädchen hatten "auftoupierte Haare, blasses Gesicht, weißes Hemd, schwarze Klamotten" und schlürften "Grüne Wiese".

Die Mauer, die heute "in den Köpfen steht", war damals "eine alle Menschen im Geiste verbindende Installation aus Beton, Stacheldraht und Tausenden Aktionskünstlern in Fantasieuniformen. Es war das erfolgreichste Beispiel von Performance-Kunst weltweit." Das sah man im Westen vorher schon genauso, deshalb wurden diese Tribünen für Touristen und Staatsgäste gebaut. Daß das Ganze Schandmauer genannt wurde und nicht antifaschistischer Schutzwall, erhöhte nur den Kitzel. Jakob Hein hat aber schon als Knabe geahnt, daß diesem ambivalenten Kunstwerk keine lange Lebensdauer vergönnt sein würde.

Überhaupt sind ein paar kleine Unterschiede zu notieren. Im späten Osten hörte man Udo Lindenberg und nicht Peter Kraus, und man hatte eine Oma, die "na hallo-ballo!" sagte, wenn man ihr Gottes Segen wünschte. In der Schule fragten die Lehrer, ob die Fernsehuhr Punkte oder Striche hat, und manchmal schaute die Stasi vorbei, um zu fragen, ob man nicht Lust hätte, sich in der kirchlichen Umweltbibliothek mal ein bißchen umzusehen.

Man hatte auch schon mal eine Freundin, die rübermachen wollte, was in West-Berlin relativ selten vorkam. Vor allem aber nannte man ein T-Shirt im Osten Nicki (sächlich). Im Westen aber war ein Nicki (männlich) ein Pullover aus Samtimitat gewesen. Um die Verwirrung komplett zu machen, zeigt das Titelbild von Heins Buch ein auf der Sitzgruppe ausgebreitetes rotes Polohemd mit falscher Knöpfung. Kein Wunder, daß die Kommunikation schwierig bleibt. Beim Berliner Leibgericht scheint aber trotz unterschiedlicher Terminologie das Gemeinte gleich gewesen zu sein: "Es bestand aus Kartoffelbrei, aufgewärmtem geronnenen Schweineblut und aufgewärmten durchgedrehten Schweinseingeweiden." Das hieß dort Schlachteplatte, hier Blut- und Leberwurst. Einen bei der MITROPA geklauten "Pfeffi" hinterher gekippt wie seinerzeit einen "Ratzeputz", dann überstand man beidseitig auch das. Also so bekam sie Kopf und Magen, die Jugend in West-Berlin und Ost-Berlin. Ziemlich "verschnarcht" war alles, aber im Rückblick auch ganz lustig.

Jakob Hein: "Mein erstes T-Shirt". Roman. Piper Verlag, München 2001. 152 S., br., 22,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Zigarrenrauchend, mit Ironie im Gesicht, Westgeld in der linken Hosentasche und Ostgeld in der rechten. Also: ein Weltmensch made in DDR.« Wladimir Kaminer

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"So richtig schlau wird der Leser aus Friedmar Apels Rezension nicht: fand er die Geschichten nun ein bisschen doof oder eigentlich doch ganz lustig. Denkbar jedoch, dass beide Lesarten möglich sind. Heins Geschichten zeigten unserem Rezensenten jedenfalls, dass eine "Ost-Berliner Jugend um 1980 ziemlich genauso war wie eine West-Berliner Jugend um 1960". Ein paar Beispiele erhellen, wie Appels Einsicht zustande kam: Lehrer, die autoritäre Trottel waren, Schüler, die den Mädchen hässliche Sachen ins Poesiealbum schrieben, sowie der Gebrauch von so einprägsamen Idiomen wie "schau", "schnafte" oder "tuffig". Misstrauisch macht den Rezensenten bei aller vom Autor vorgetäuschten Naivität, deren O-Töne uns Apel nicht ohne Häme serviert, dass Hein schon als Knabe die kurze Lebensdauer der Mauer vorausgeahnt haben will. Zu Guter letzt müssen dann doch noch ein paar Ost-West Unterschiede notiert werden, wobei die "na hallo-ballo" sagende Oma den bei weitem nachhaltigsten Eindruck hinterließ.

© Perlentaucher Medien GmbH"