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Rosetta Loy erinnert sich an ihre römische Kindheit zur Zeit des Faschismus. Das schöne herrschaftliche Haus in Rom, die Ferien in den Bergen - Bilder einer nur scheinbar unbeschwerten Kindheit, die bald von beunruhigenden Ereignissen überschattet wird. In aller Offenheit zeigt Rosetta Loy die zweifelhafte Haltung der italienischen Bevölkerung, vor allem aber die der katholischen Kirche gegenüber der Judenverfolgung.

Produktbeschreibung
Rosetta Loy erinnert sich an ihre römische Kindheit zur Zeit des Faschismus. Das schöne herrschaftliche Haus in Rom, die Ferien in den Bergen - Bilder einer nur scheinbar unbeschwerten Kindheit, die bald von beunruhigenden Ereignissen überschattet wird. In aller Offenheit zeigt Rosetta Loy die zweifelhafte Haltung der italienischen Bevölkerung, vor allem aber die der katholischen Kirche gegenüber der Judenverfolgung.
Autorenporträt
Rosetta Loy, geboren 1931 in Rom, wo sie auch heute lebt, wurde berühmt durch ihren Roman "Straßen aus Staub". Zuletzt erschien von ihr "Schokolade bei Hanselmann" und Via Flaminia 21".
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.10.1998

Ein Zimmer ohne Tapetentür
Gewissensnöte: Rosetta Loys Erinnerungen "Via Flaminia 21"

"Wenn ich in der Zeit zurückgehe und daran denke, wann das Wort ,Jude' in meinem Leben aufgetaucht ist, sehe ich mich auf einem blauen Stühlchen im Kinderzimmer sitzen." So beginnen die Memoiren der 1931 in Rom geborenen Schriftstellerin Rosetta Loy über ihre Kindheit im faschistischen Italien. Loys Familie gehörte zum katholischen Großbürgertum Roms. Der Vater, der sich als Ingenieur einen Namen gemacht hatte, war sofort vom Faschismus angewidert. Als die Begeisterung für Mussolini zunahm, ließ er in seinem Büro ein Schild mit der Aufschrift anbringen: "In diesem Büro wird nicht über Politik gesprochen." Dennoch trat der Vater, damit er weiterarbeiten konnte, in die Nationale Faschistische Partei ein und trug deren Abzeichen.

Zu Hause pflegte man einen freundschaftlichen Umgang mit Juden: Signora Della Seta kam zum nachbarschaftlichen Tee; der kleine Giorgio Levi holte den Sohn zum Fußballspielen ab; Dr. Luzzatti, der Arzt des Königshauses, betreute die Kinder. Doch als im Oktober 1938 die 48032 italienischen Juden durch die Rassengesetze schlagartig entrechtet und ihrer Lebensgrundlage beraubt wurden, rührte sich die Familie nicht. Man arrangierte sich. Als die Deutschen nach Italiens Waffenstillstand mit den Alliierten im September 1943 auf der Halbinsel einmarschierten, waren die Juden in unmittelbarer Lebensgefahr. In einer Blitzaktion im Morgengrauen des 16. Oktober 1943 gelang es den 365 am Vorabend in Rom eingetroffenen SS-Männern, 1259 der zwölftausend römischen Juden festzunehmen. 1023 Juden wurden deportiert; nur siebzehn von ihnen kehrten zurück. Die Nachbarn, die Levis und Dell Setas, waren "weg". Die Familie Rosettas unternahm nichts.

Fünfzig Jahre später ist es dieses Nichtstun, das Rosetta Loy auf der Seele lastet und sie zu ihren präzise recherchierten und selbstkritischen Memoiren inspirierte, in denen die politische Geschichte Italiens und des Vatikans das kleine Mädchen im Zimmer mit der Pfirsichblütentapete überwältigen. Das emotionale Zentrum der Memoiren liegt in Loys Bewußtsein davon, daß sich am 16. Oktober 1943 zwei im Gewissen unvereinbare Dinge abspielten, Verfolgung und Indifferenz. "Wie kann man sich", schreibt Loy, "jene ungeheuerliche Einsamkeit vor den SS-Männern vorstellen, vor den Befehlen, die sie (die Juden), ohne Veränderung in der Stimme, im Zeitraum von zwanzig Minuten auslöschten aus dem Menschengeschlecht?" Im Kontrast zu dieser Einsamkeit verläuft das Leben Rosettas, die "am Abend des 16. Oktober . . ., als sie zum Rosenkranzbeten gerufen wurde, gestöhnt (hatte) vor Langeweile wie an jedem anderen Abend und zugelassen (hatte), daß ihr die Lider zufielen im Singsang der Avemaria und Paternoster, ohne daß es ihr in den Sinn gekommen wäre, ihren Gott anzuflehen, der ja auch der Gott der Levis und der Della Seta war, er möge ihnen den Würgeengel zu Hilfe schicken."

Diesem Kontrast entspringen der Zorn auf sich selbst und die Scham, die Rosetta Loy dazu bewegten, sich die Geschichte Italiens, das Verhalten seiner Bürger und seines obersten Klerus anzusehen. Das Resultat sind Memoiren, in denen Rosetta und ihre Familie in den ungeheuerlichen Ereignissen untergehen. "Via Flaminia 21" ist eine von Maja Pflug hervorragend übersetzte kritische Geschichte Italiens und des Vatikans während des Faschismus. Es ist der Versuch einer leidenschaftlichen Römerin, mit ihrem Volk, ihrer Kirche und ihrem Gewissen klarzukommen.

Rosetta Loy: "Via Flaminia 21". Meine Kindheit im faschistischen Italien. Aus dem Italienischen übersetzt von Maja Pflug. Piper Verlag, München 1998. 176 S., geb., 28,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Maria Frisé geht in ihrer Rezension auf zwei Bücher Rosetta Loys ein, die sich beide mit ihrer Kindheit im faschistischen Italien befassen: "Die Pforte des Wassers. Roman" und "Via Flaminia 21. Meine Kindheit im faschistischen Italien" (beide Piper). Jedoch wird nicht in jedem Punkt deutlich, bei welchem Aspekt sie sich auf welches Buch bezieht.
Der Rezensentin gefällt es sehr, dass die Autorin Bilder eingefangen hat, die in der Kindheit - oder in der Erinnerung daran - von besonderer Bedeutung sind, wie etwa "morgendliche Geräusche wie das Schlagen von Türen oder flüsternde Stimmen im Flur". Aber auch Ängste werden, so Frisé, beschrieben, etwa die unheimliche Atmosphäre im katholischen Stift. Dabei werde von der Autorin deutlich aufgezeigt, wie der Faschismus und Antisemitismus in Italien immer mehr Fuß fasste und auch die Welt des Mädchens beeinflusste. Besonders gut scheint der Rezensentin zu gefallen, dass die Autorin in "Via Flaminia 21" neben den Erinnerungen auch Dokumente mit einfließen lässt, etwa Gesetzesänderungen, "ängstliche, verschleiernde Reaktionen der katholischen Kirche" oder auch Zitate des Papstes. Die Sprache der Autorin wird als sehr poetisch gelobt und hat die Rezensentin sogar "manchmal fast an Proust erinnert".

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