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"Abraham B. Jehoschua hat die hebräische Literatur entscheidend mitgeprägt" (NZZ). In diesem Roman erzählt er von den Jaaris und ihrem auf tragische Weise getöteten Sohn - ein vielstimmiges Requiem auf das Leben in Zeiten des Krieges.
Amotz hatte kein gutes Gefühl dabei, seine Frau allein auf die Reise zu schicken. Es war noch sehr früh am Morgen, als er vom Flughafen zurück nach Tel Aviv fuhr. Er dachte an Daniela und ihren Schwager Jirmi, den sie nun in Afrika besuchen würde, um mit ihm den Tod seines Sohnes zu betrauern. Vielleicht kam Jirmi deshalb nicht zurück nach Israel. Weil er dort…mehr

Produktbeschreibung
"Abraham B. Jehoschua hat die hebräische Literatur entscheidend mitgeprägt" (NZZ). In diesem Roman erzählt er von den Jaaris und ihrem auf tragische Weise getöteten Sohn - ein vielstimmiges Requiem auf das Leben in Zeiten des Krieges.
Amotz hatte kein gutes Gefühl dabei, seine Frau allein auf die Reise zu schicken. Es war noch sehr früh am Morgen, als er vom Flughafen zurück nach Tel Aviv fuhr. Er dachte an Daniela und ihren Schwager Jirmi, den sie nun in Afrika besuchen würde, um mit ihm den Tod seines Sohnes zu betrauern. Vielleicht kam Jirmi deshalb nicht zurück nach Israel. Weil er dort seinen Sohn ver loren hatte, der an der Grenze im "Freundesfeuer" des eigenen Kameraden getötet worden war. Eine schreckliche Geschichte. Aber das Leben der Familie musste ja weiter gehen, dachte Amotz, der seine Frau schon jetzt schmerzlich vermisste. Und während die Sonne über Tel Aviv langsam aufging, begann er sich auf den Tag zu freuen und auf das Treffen mit seinem Vater.
Autorenporträt
Abraham B. Jehoschua, geboren 1936 in Jerusalem, ist einer der meistgelesenen und bedeutendsten Schriftsteller Israels. Als Professor für Vergleichende Literaturwissenschaften an der Universität von Haifa und als engagierter Verfechter der Aussöhnung zwischen Juden und Arabern nimmt er regelmäßig Gastprofessuren in den USA und in Europa wahr. Heute lebt er mit seiner Familie in Jerusalem.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.08.2010

Hiob in Afrika

Lichtfest mit Schattenseiten: Abraham B. Jehoschuas neuer Roman "Freundesfeuer" weitet das jüdische Klagelied auf die ganze Menschheit aus.

Abraham B. Jehoschua, im Jahr 1936 in Jerusalem geboren, gehört seit mehr als vier Jahrzehnten zu den führenden Autoren der israelischen Literatur. Schon sein erster Roman - "Der Liebhaber", entstanden im Schatten des Jom-Kippur-Krieges - reflektierte die Erschütterung des israelischen Selbstbildes durch dieses nationale Trauma, und sie ist sein großes Thema geblieben. In zahlreichen Werken gestaltet er Israel als einen Ort der Ambivalenz: Mit magnetischer Kraft zieht er die Juden an und stößt sie zugleich ab, macht sie misstrauisch gegenüber der kollektiven Gewalt, die das Gelobte Land über sie hat.

Diese Ambivalenz kommt bereits im Titel des neuen Romans zum Ausdruck. Mit "Freundesfeuer" sind die in allen Armeen erschreckend häufigen Fälle gemeint, in denen ein Soldat versehentlich von den eigenen Truppen beschossen wird. So hat Jirmi - ein siebzigjähriger, seit kurzem verwitweter Mann - vor Jahren seinen Sohn verloren. Er zieht sich von der Familie und aus Israel zurück, zieht nach Tansania, und nun kommt Daniela, die Schwester seiner verstorbenen Frau, ihn besuchen, um nach dem Rechten zu schauen.

Während sie sich auf die Reise macht, bleibt ihr Mann in Tel Aviv, kümmert sich um das Geschäft und die Familie. Die Aufspaltung der Erzählstränge ist eine bewährte Strategie Jehoschuas, die er auch in anderen Werken verwendet. Hier ist sie besonders wirksam. Zwischen Israel und Afrika liegt ein unüberbrückbarer Abgrund, denn Jehoschuas Schwarzer Kontinent ist heidnisch, er lässt sich der jüdisch-christlichen Tradition auch beim besten Willen nicht einverleiben.

Es ist die Tradition, der Jirmi entflieht. Daniela unterrichtet an einem Gymnasium, und ihre Reise kann sie machen, weil gerade Chanukka-Ferien sind. Deshalb hat sie daran gedacht, ihrem Schwager Kerzen für den Leuchter mitzubringen, doch seine Reaktion ist überraschend: "Sie zögert einen Moment, zieht dann aber die Kerzenpackung hervor und reicht sie ihm in der seltsamen Hoffnung, er würde sich vielleicht bereitfinden, hier mitten in der Nacht Chanukkalichter anzuzünden, um ihre jähe Sehnsucht nach Mann und Kindern etwas zu lindern. Aber mit einer flinken, leicht irrsinnigen Geste öffnet er das Türchen zum brennenden Kamin und wirft die Chanukkakerzen hinein."

Im jüdischen Chanukkafest wird der Sieg des Monotheismus über das Heidentum zelebriert, und Danielas Schwager ist nicht bereit, sich an diesem Ritual zu beteiligen. Jirmi ist die Koseform seines eigentlichen Namens, Jeremias, und später wird er ihr zeigen, mit welcher Wollust der Prophet, nach dem er genannt ist, die Strafen Gottes über Israel heraufbeschwört. Doch schon die kurze Szene der Kerzenverbrennung macht deutlich, mit welcher Sicherheit Jehoschua seine Symbole zu setzen weiß.

Ein zentrales Motiv des Romans ist das Feuer, das in den Chanukkatagen ein Zeichen der Freude ist. Im Tod von Jirmis Sohn hat es freilich seine Schattenseite. Auch die Flammen des jüdischen Lichterfestes sind eine Art Freundesfeuer, in dem ein historischer Sieg aufzuleuchten scheint, für Jirmi aber ist es ein Pyrrhussieg: Im Namen des Gottes, der die Heiden aus dem Feld geschlagen hat, wurde den Juden eine Bürde auferlegt, die Jirmi nicht mehr tragen kann. Das Opfer seines Sohnes - auch dies ein zentrales Symbol des Judentums - war zu viel für ihn.

Mit Ausnahme einer Tochter, die in Amerika an ihrer Dissertation arbeitet, hat Jirmi nun seine ganze Familie verloren; aber es gehört zu Jehoschuas Kunst, dass er das Hiobsmotiv nicht nur den Juden vorbehält. Zu den eindrucksvollsten Gestalten des Romans gehört eine Krankenschwester aus dem Sudan - Sidschin Quang, eine feinfühlige und zurückhaltende junge Frau -, deren Schicksal Jirmi in einem erschreckenden Satz zusammenfasst: "Ihre ganze Familie ist im Bürgerkrieg im Südsudan ermordet worden." Jehoschua weitet das jüdische Klagelied hier auf die Menschheit aus, und indem er das Schicksal des biblischen Leidensmannes auf eine Afrikanerin überträgt, bleibt er dem Original auf hintergründige Weise treu. "Meine Haut über mir", so heißt es dort, "ist schwarz geworden, und meine Gebeine sind verdorrt vor Hitze." (Hiob 30, 30)

Hintergründig ist auch der in einem mehrfachen Sinn schwarze Humor des Romans. Jirmi arbeitet für eine Expedition dunkelhäutiger Wissenschaftler, die im afrikanischen Boden nach alten Knochen suchen, um nachzuweisen, dass der Schwarze Kontinent der Ursprung der Menschheit gewesen ist. Zwar sind sie fündig geworden, sie können aber die Knochen vor Ort nicht datieren und dürfen sie nach den Gesetzen Tansanias auch nicht außer Landes bringen, weil sie als nationales Kulturerbe gelten. Sie bitten Daniela daher, ihre Fundstücke heimlich nach Israel zu schmuggeln, nach Abu Kabir, wo die Datierung vorgenommen werden kann. Abu Kabir ist ein großes pathologisches Institut in Israel. Bei problematischen Todesfällen werden dort die Leichen zur Obduktion eingeliefert, vor Jahren auch Jirmis irrtümlich erschossener Sohn: So schließen sich die Kreise.

JAKOB HESSING

Abraham B. Jehoschua: "Freundesfeuer". Roman. Aus dem Hebräischen von Ruth Achlama. Piper Verlag, München 2009. 475 S., geb., 22,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Sehr hintergründig findet Rezensent Jakob Hessing diesen Roman des israelischen Großschriftstellers Abraham B. Jehoschua. Es geht um einen siebzigährigen Mann, desen Sohn während eines Waffengangs durch friendly fire umkommt und der nun die Nase voll von Israel hat und nach Tansania zieht. Im Folgenden spielt Jehoschua sehr geschickt mit dem Feuermotiv, nicht nur ein Grundsymbol des Judentums, sondern der Religion und des Lebens insgesamt, ein Symbol für Strafen, Opfer oder Familien. Sehr beeindruckt ist Rezensent Hessing aber auch davon, wie  Jehoschua nicht nur die Prophezeiungen des Jeremias mit einbaut, sondern auch Hiob, wobei er sein Schicksal als eines der gesamten Menschheit begreift.

© Perlentaucher Medien GmbH