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Mit Witz und Sachkenntnis beschert uns Robert Löhr dieses pfiffige deutsche Wintermärchen aus der Zeit der Romantik. Ein mitreißendes historisches Abenteuer um die Ikonen der deutschen Literatur.
"Goethe, mein Freund, ich bitte dich: Bekämpfe diesen Feind!" Geheimrat Johann Wolfgang von Goethe hat mit einigem gerechnet, als er an einem Februarmorgen 1805 ins herzogliche Schloss gerufen wird. Hätte er allerdings geahnt, dass Fürst Karl August ihn dazu ausersehen hat, Napoleon zu stürzen, wäre er wohl lieber zu Hause geblieben. Stattdessen befindet er sich wenig später in Begleitung seines…mehr

Produktbeschreibung
Mit Witz und Sachkenntnis beschert uns Robert Löhr dieses pfiffige deutsche Wintermärchen aus der Zeit der Romantik. Ein mitreißendes historisches Abenteuer um die Ikonen der deutschen Literatur.
"Goethe, mein Freund, ich bitte dich: Bekämpfe diesen Feind!" Geheimrat Johann Wolfgang von Goethe hat mit einigem gerechnet, als er an einem Februarmorgen 1805 ins herzogliche Schloss gerufen wird. Hätte er allerdings geahnt, dass Fürst Karl August ihn dazu ausersehen hat, Napoleon zu stürzen, wäre er wohl lieber zu Hause geblieben. Stattdessen befindet er sich wenig später in Begleitung seines Freundes Friedrich Schiller und des reiseerfahrenen Alexander von Humboldt auf dem Weg ins französisch besetzte Mainz, um den wahren König von Frankreich zu befreien. Doch der Auftrag ist weitaus vertrackter als erwartet. Nacheinander kommen ihm die Bonapartis ten, die Royalisten und die Romantiker in die Quere, und die Reise wird zur tödlichen Jagd quer durch Deutschland bis tief in den Schoß des Kyffhäusers.
Autorenporträt
Robert Löhr, geb. 1973, ausgebildeter Journalist und Drehbuchautor, verfasste nach zahlreichen Filmskripten und Theaterstücken seinen ersten Roman 'Der Schachautomat', der in über zwanzig Sprachen übersetzt wurde. Robert Löhr lebt in Berlin und arbeitet neben dem Schreiben als Regisseur, Schauspieler und Puppenspieler.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.01.2008

Wenn Goethe schießt und Humboldt ficht

Ein Rat Pack gab es nicht nur in Las Vegas. Auch Deutschland hatte um 1800 eine solche Bande: Robert Löhr hat einen Roman über die deutschen Klassiker um 1800 geschrieben - sechs glorreiche Halunken schlagen sich durch.

Hat Goethe sich mit Kleist duelliert? War Schiller ein trainierter Armbrustschütze? Haben Goethe und Schiller eine Wirtshausprügelei in Oßmannstedt siegreich bestanden? Wurden unsere Klassiker alle zusammen in einer eingestürzten Höhle im Kyffhäuser verschüttet? Waren Kleist und Humboldt ein Liebespaar?

Nein, nein, natürlich nicht. Aber in der Kunst ist alles erlaubt. Die Dichter lügen, sagte schon Plato, aber sie tun es auf eine so charmante Weise, dass wir ihre Schwindeleien nicht missen wollen. Robert Löhr nennt sein Opus einen "historischen Roman". Das ist fröhlich geschwindelt, aber nur zur Hälfte. Denn er arbeitet ja mit präzise recherchierten historischen Materialien. Wie er das Mainz von 1805 beschreibt, das hat Uhrwerkgenauigkeit. Aber die Präzision der Umstände ist ironischer Natur, denn die so sorgfältig ermittelten Einzelheiten aus der ehrenwerten Wirklichkeit werden mit verblüffender Chuzpe zu neuen Bildern gemischt und in den Dienst eines frei erfundenen Plots gestellt. Dass Goethe zusammen mit Schiller, Achim von Arnim, Alexander von Humboldt, Heinrich von Kleist und Bettine Brentano im Jahre 1805 im geheimen Auftrag des Großherzogs von Sachsen-Weimar-Eisenach den vermeintlichen Dauphin von Frankreich, der als Ludwig XVII. den Thron besteigen sollte, aus der Festung Mainz entführt haben soll, um mit seiner Hilfe Napoleon, dem Kaiser der Franzosen, die Herrschaft abzujagen und die Monarchie wiederzuerrichten - das ist natürlich eine Räuberpistole gewagtester Art. Aber der Drahtseilakt gelingt, zwischen den Abgründen des Lächerlichen zur Linken und des Geschmacklosen zur Rechten plaziert Löhr einen literarhistorischen Thriller, der Klamauk mit Tiefe verbindet und hinreißend zu lesen ist, weil er nicht nur die Sinne, sondern auch Herz und Verstand angenehm beschäftigt.

Das klappt deshalb, weil Löhr nur die Handlung erfunden hat, aber die Charaktere nicht. Schon der oberflächliche Blick erkennt sie wieder und kann sie bald gut unterscheiden: Goethe ist weise und väterlich, Schiller kühn und tatkräftig, Kleist aufbrausend und verwegen, Arnim stets preußisch-patriotisch, Bettine kapriziös und Humboldt weltkundig. Über solche Charaktermasken hinaus vermag Löhr seine Figuren facettenreich zu beseelen. Er hat gründliche Studien betrieben, um ihnen möglichst viel O-Ton in den Mund zu legen. Es würde Spaß machen, zu diesem Roman einen Quellenkommentar zu entwickeln, denn hier wird fast nur Vorgestanztes gesprochen, beinahe nichts Erfundenes. Die O-Töne bezieht Löhr hauptsächlich aus Briefen, Gesprächen und autobiographischen Äußerungen seiner Helden, aber immer wieder auch aus ihren Dichtungen, wobei er vor nichts zurückschreckt. "Heinrich, mir graut vor dir!", lässt er Goethe zu Kleist sagen. "Ich denke einen langen Schlaf zu tun", sagt Löhrs Schiller in der Nacht, bevor er stirbt, und setzt wie dessen Wallenstein noch eins drauf: "Der letzten Tage Qual war groß."

Aber die skurrilen Kalauer verbinden sich mit dem Tiefen und Bewegenden auf eine so humorvolle Weise, dass man dem Autor nie lange gram sein kann. Gerade noch will man sich verächtlich abwenden und muss im nächsten Augenblick lauthals herauslachen. Zweifellos hat Löhr ein Pastiche geschaffen, er arbeitet mit lauter gefundenen und geliehenen Effekten. Selber dichten kann er nicht (und wenn er es versucht, wie mit seiner Zusatzstrophe zu Kleists Zottelbär-Gedicht, dann geht es gründlich daneben); aber seine Kombinatorik ist dermaßen geschickt, dass man das immer wieder vergisst. Seine Charaktere sind keine sentenzentauschenden Pappkameraden, sondern unverwechselbare Menschen, die leben und uns in ihr Interesse ziehen. Er bastelt nicht etwa manieristisches Papiertheater für Germanisten, sondern schafft es, dass das Zitierte vital und das Gemünzte ursprünglich wirkt. Man kann den Roman deshalb auch ohne Vorkenntnisse lesen. Er hat jene doppelte Optik, von der Nietzsche einmal sprach, für die Massen und für die Snobs, und vermag die gröbsten wie die feinsten Bedürfnisse zu befriedigen. Er beginnt mit einer groben Schlägerei von hohem Unterhaltungswert, bei der es zugleich ums Feinste geht, um den Zwischenkieferknochen und die unerfreuliche Verwandtschaft der Menschen mit den Tieren. Dass Goethe in diesem Roman so gut schießt, wie er dichtet, erniedrigt ihn ja nicht. Ein jugendlicher Leser, der vorher von keinem der sechs Helden etwas wusste, hat danach jedenfalls einen Zugang und möchte wissen: Wer waren sie wirklich, dieser Goethe, dieser Schiller, dieser Kleist? Im Einzelnen könnte man beckmesserisch über allerlei Anachronistisches und sonst Missglücktes herfallen. Aber der professorale Zeigefinger ist nicht das richtige Werkzeug für dieses Produkt, dessen Urheber der spielerische Zeitgeist ist. Für den gutgelaunten Nihilismus der Postmoderne sind alle Elemente des einstigen Wahrheitsdiskurses nur noch Spielkarten, die auf einem Tisch übereinander herfallen und interessante Konstellationen ergeben. Keine davon hat Bestand, und so kommt es, dass ein Roman, der in den Tagen des verblichenen vorigen Zeitgeists ein Pro oder Contra zur Französischen Revolution und zum Fortschritt der Menschheit hätte enthalten müssen, nur noch alles diskutiert, aber nichts mehr entscheidet. Das antirevolutionäre Projekt, den Dauphin zu entführen, müsste dem Text eigentlich eine politisch konservative Linie einzeichnen, aber das hat Löhr sorgfältig vermieden. Wer nun recht hat, der skeptische Goethe, der aufgeklärte Schiller, der liberale Humboldt, der nationalistische Kleist, der stockpreußische Arnim oder die romantische Bettine, das möchte er lieber nicht sagen. Er schwelgt entzückt im Glanz ihrer Perioden, aber er gibt immer dem recht, der gerade redet.

Am Ende stirbt jede Idee, auch die konservative, und das Entführungsabenteuer überlebt ohne Menschheitsziel als Zweck seiner selbst. Eine Welt, die spannende Geschichten hat, braucht keine Wahrheit. Die großen Fragen, die in den O-Tönen immer wieder lebendige Gegenwart gewinnen, bleiben auf der Strecke und werden vom Lärm der übereinanderherpolternden Ereignisse zum Verstummen gebracht. Die Muße zu eigenen Antworten hat Löhr nicht aufgebracht; aber da er so viele Antworten unserer Klassiker so sprühend auf die Bühne gebracht hat, kann man ihm das verzeihen - oder sogar die Bescheidenheit loben, die nicht peinlich abfallen will mit Eigenem neben den Großen, die er liebt.

HERMANN KURZKE.

Robert Löhr: "Das Erlkönig-Manöver". Historischer Roman. Piper Verlag, München 2007. 362 S., geb., 19,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Hingerissen ist Hermann Kurzke von diesem historischen Thriller, in dem Robert Löhr Goethe, Schiller, Achim von Arnim, Kleist, Alexander von Humboldt und Bettine Brentano zu einer verwegenen Bande formiert, die in geheimem Auftrag den Dauphin von Frankreich aus der Mainzer Festung entführt, um ihn anstelle Napoleons wieder auf den Thron zu setzen. Vom Plot ist natürlich nichts wahr, stellt der Rezensent klar, der allerdings betont, dass die historischen Umstände der Stadt Mainz um 1800 mit geradezu uhrwerkgenauer Präzision eingefangen sind. In Löhrs rasantem Roman liegt das "Lächerliche" nah am Tiefgründigen, Kalauer wechseln sich mit klugen Kommentaren ab, und immer wenn der Rezensent Grund zu Unwillen hat, wird er schon wieder von einer urkomischen Szene überwältigt. Dazu kommt Löhrs Technik, seine Figuren überwiegend durch Originalzitate aus Briefen, literarischen Werken und autobiografischen Quellen sprechen zu lassen, wobei ihm das Kunststück gelingt, sie als lebendige und sehr individuelle Charaktere zu zeichnen, wie Kurzke entzückt preist. Man könnte sich noch über allerlei Ungenauigkeiten und anachronistische Ausfälle echauffieren, so der Rezensent, der aber dafür diesen temporeichen, originellen literarhistorischen Roman viel zu sehr genossen hat.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Großartig!« Thüringer Allgemeine 20161221