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In den USA werden Homosexuelle von religiösen Eiferern gejagt, der Islam ist stark wie nie, der konservative Papst wird umjubelt: Die Religionen kommen zurück auf die Weltbühne. Eine Katastrophe für jeden selbständig denkenden Menschen, findet Michel Onfray, ein Rückschritt ins Mittelalter. Haben nicht die monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam durch die Jahrhunderte eine Blutspur gelegt, alles Leibliche verteufelt, durch Geschichten vom Jenseits ihre Gläubigen im Diesseits im Griff gehalten? Onfray plädiert für die Abkehr von den Religionen, die die Menschen nicht…mehr

Produktbeschreibung
In den USA werden Homosexuelle von religiösen Eiferern gejagt, der Islam ist stark wie nie, der konservative Papst wird umjubelt: Die Religionen kommen zurück auf die Weltbühne. Eine Katastrophe für jeden selbständig denkenden Menschen, findet Michel Onfray, ein Rückschritt ins Mittelalter. Haben nicht die monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam durch die Jahrhunderte eine Blutspur gelegt, alles Leibliche verteufelt, durch Geschichten vom Jenseits ihre Gläubigen im Diesseits im Griff gehalten? Onfray plädiert für die Abkehr von den Religionen, die die Menschen nicht befreien, sondern einengen, die Staat und Gesellschaft unlegitimiert beeinflussen, oft sogar kontrollieren. Er fordert in dieser ebenso scharfen wie unkonventionellen Polemik zu einem neuen Atheismus auf: Nur der könne den Menschen geistige Freiheit und Lebensglück zurückgeben.

»Entscheiden wir uns gegen Bibel und Koran, halten wir es mit den Philosophen der Lebensfreude, des Lachens und der Sinnlichkeit!« Michel Onfray

Autorenporträt
Michel Onfray, geb. 1959 im französischen Argentan, promovierter Philosoph, hat nach zwanzig Jahren seine Stelle als Philosophielehrer an einem technischen Gymnasium aufgegeben und 2002 die 'Université Populaire', die philosophische Volkshochschule, in Caen gegründet, zu der jedermann Zutritt hat. Jährlich besuchen tausende Zuhörer seine Vorlesungen. Er verfasste zahlreiche Bücher, unter anderem über die Theorie des Hedonismus, die in zehn Sprachen übersetzt wurden.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.03.2006

Beten verboten
Ein französischer Verkaufsschlager: Michel Onfrays Religionskritik

Die Zeiten sind hart für Vernunft, intellektuelle Mündigkeit und freie Meinungsbildung. Hart nicht wegen der Rückkehr religiöser Borniertheit - ihr ist beizukommen. Schlimmer für die Vernunft sind deren neue Bannerträger. Der Franzose Michel Onfray hat sich bisher mit Publikationen übers hedonistische Ich in der postmodernen Individualgesellschaft und als Wirt eines philosophischen Allgemeinbildungssalons in Caen hervorgetan. Auch sein neues Buch über den Atheismus wäre hier in wenigen Zeilen resümierbar, hätte es nicht in dem an Debatten doch sonst nicht ganz anspruchslosen Frankreich im letzten Jahr für großes Aufsehen gesorgt.

Der Originaltitel von Onfrays Buch heißt auf französisch "Traité d'athéologie". Das klang interessant: eine "atheistische Theologie" - die Gegensumme gleichsam zu Thomas von Aquins "Summa Theologiae". Tatsächlich hätten die Atheisten gegenüber der Selbstbehauptung der Mono-, Poly-, Pan- und sonstigen Theisten sich stets mit ihrem kleinlaut negierenden A- abgefunden, beklagt Onfray. Selbst die Aufklärung habe bei Voltaire, Montesquieu, Rousseau, Kant schlappgemacht und dem Religionsglauben neben der Vernunft einen Platz eingeräumt. Gegen diese "brave" Aufklärung will der Autor nun auf eine härtere Aufklärung zurückgreifen. Ein für allemal soll gelten: Es gibt keinen Gott. Jahwe, Zeus, Jesus Christus, Allah und Konsorten - bei den ferneren Gottheiten kennt Onfray sich nicht mehr so aus - hätten der Menschheit nur Krieg und Unglück gebracht und sie überdies zweieinhalbtausend Jahre lang am wissenschaftlichen Fortschritt gehindert. Woher weiß Michel Onfray das? Er hat da so seine Informanten, den Pfarrer Jean Meslier aus dem Ardennendorf Etrépigny beispielsweise oder den Pariser Baron und Aufklärungsphilosophen Holbach, den deutschen Materialisten Feuerbach und natürlich auch Nietzsche.

Doch aufgepaßt: Nietzsche hat den Ruf von Pan übers Meer falsch verstanden, mahnt Onfray: Gott sei nicht tot, denn Fiktionen können nicht sterben. Sie seien in ihren diversen Tarnformen sogar lebendiger denn je. Und auch gegen Dostojewskijs Satz, wo Gott nicht existiere, lauere der Nihilismus, muß der Autor protestieren. Weil der - nur scheinbare - Religionszerfall in den westlichen Gesellschaften tatsächlich das Gespenst der nihilistischen Wertkrise aufsteigen lasse, schreibt Onfray, glaubten die Philosophen eines christlich-jüdischen Atheismus - Jankélévitch, Lévinas, Paul Ricoeur, Bernard-Henri Lévy, Alain Finkielkraut - heute, auf die vorkonfessionellen gemeinsamen Grundwerte unserer Zivilisation zurückgreifen zu müssen. Das hält Michel Onfray für grundfalsch. Vielmehr sei ein wahrhaft atheistischer Atheismus notwendig, der auch die letzten Spuren von Jenseitsgläubigkeit ablege, die eines Auguste Comte oder Karl Marx, und sich allein daran halte, was die unmittelbare "Zweckmäßigkeit, der Pragmatismus, der individuelle und soziale Hedonismus diktiert.

Statt durch Paradiesmärchen, absurde Verbote und ewige Strafandrohungen klein gehalten zu werden, würden die Menschen so endlich zu ihrer Mündigkeit finden. Nur Kinder brauchen Religionen, dekretiert Onfray, der Erwachsene blickt der Realität stramm ins Gesicht und nimmt die Tragik auf sich, daß nach dem Tod nichts mehr kommt. Wie diese hedonistisch in den Tag hineinlebende tragische Daseinsform genau aussehen soll, sagt der Autor uns nicht. Kann er mit seinem einfachen genealogischen Erklärungsmodell der Religionen auch gar nicht sagen. Die drei uns vertrauten monotheistischen Religionen, schreibt er, kommen aus dem Wüstensand: Klar, wo man tagsüber schwitzt und durstet und nachts am Feuer fröstelnd trockene Datteln kaut, sei das Verlangen nach paradieshaften Oasen geradezu unvermeidbar. Nur sei das heute alles durchschaut. Also weg mit den Visionen, den Ahnungen, den Zweifeln, den Träumen, fordert der Autor: Bauen wir lieber gleich die Oasen - und die Menschen werden auf der Welt endlich friedlich zusammenfinden. "Der hedonistische Vertrag - nichts entspricht der menschlichen Natur mehr als das! - legitimiert sämtliche zwischenmenschlichen Beziehungen, bestimmt das Denken und Handeln und kommt dabei ohne Gott, Religion und Priester aus."

Soweit zu den atheistischen Informanten des Autors, deren interessanteste - Nietzsche und Freud - er allerdings nur flüchtig anführt. Doch hat Michel Onfray auch selbst in der Bibel gelesen, vorab im Neuen Testament. Der ganze dritte von vier Teilen seines im übrigen ziemlich beliebig aufgebauten Buchs ist dem Christentum gewidmet. Dort ist dem Autor an zahllosen Unstimmigkeiten persönlich aufgegangen, daß das Ganze nicht stimmen kann. Hing die Holztafel dem gekreuzigten Christus nun über den Kopf (Johannes) oder um den Hals (Lukas)? Wie soll Christus zuvor mit Pontius Pilatus gesprochen haben, wo der eine doch Lateinisch und der andere Aramäisch sprach? Also schließt Onfray: Alles ist erfunden. Nach diesem detektivischen Muster ist das ganze Buch angelegt: Wer steht dahinter? Wer konnte daran ein Interesse haben? Die Antwort lautet: Religion war stets nichts anderes als ein Machtinstrument für jene, die über andere herrschen wollten, mit allen Mitteln. Ihre Handschrift findet Michel Onfray quer durch die Geschichte. Die Juden erfanden den Heiligen Krieg. Das Christentum stand hinter Kolonialismus und Völkermord. Hitler war ein Schüler des Evangelisten Johannes. Jesus hat die Bombe auf Hiroshima mit abgeworfen. Mohammed saß mit im Cockpit des Flugzeugs, das in die Twin Towers flog.

Mehrere Buchpublikationen haben in Frankreich bereits auf Onfrays offene Fragen geantwortet und haben dabei auch dessen zahlreiche Lese-, Auslegungs- und Sachfehler korrigiert. Bleibt zu verstehen, wie so ein Buch ein so breites Echo finden konnte mit über hunderttausend verkauften Exemplaren. In der französischen Debatte zum hundertjährigen Bestehen der Trennung von Kirche und Staat hat es mit seiner überholten Problemstellung eher verwirrend gewirkt. Selbst wohlgesinnte Kritiker schienen verlegen angesichts der groben Argumentführung. Für eine Polemik ist das Buch viel zu lang und zu plump, für eine Abhandlung fehlt ihm die philosophische Ernsthaftigkeit. Vor dem Hintergrund zeitgenössischer Sinnsuche und des entsprechenden Versuchs der Religionen, in der Gesellschaft wieder mehr Fuß zu fassen, scheint dieses Buch aber einem Bedürfnis nach neuer Mobilisierung des resolut weltlichen Lagers zu entsprechen. Manche Beobachter mutmaßen auch, dem radikalen Freidenkertum sei es unheimlich geworden in der permissiv-liberalen Gesellschaft, wo jeder Tabubruch, vom Markt schon vorausgedacht, auf der Stelle systemkonform werde: Ein richtiger Feind aus den bewährten Versatzstücken der Inquisition solle Abhilfe schaffen. Und da auch die religiös Aufgeregten allenthalben nur aufs Startzeichen warteten, ging die Rechnung dieses Buchs einstweilen auf.

JOSEPH HANIMANN

Michel Onfray: "Wir brauchen keinen Gott". Warum man jetzt Atheist sein muß. Aus dem Französischen von Bertold Galli. Piper Verlag, München 2006. 319 S., br., 14,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Keine Gnade findet das "schlechte und ressentimenthafte" Buch des französischen Philosophen Michael Onfray bei Rezensent Hauke Brunkhorst. Wenn Onfray - noch dazu in der "schlecht kopierten" Manier der materialistischen Aufklärer - die religiösen Lehren aus wissenschaftlicher Perspektive widerlege, berenne er damit von den Religionen schon längst aufgegebene Barrikaden. Durch seinen einseitig positivistischen Blick biete der Autor zudem ein "abschreckendes Beispiel" für "Wahrheits- und Wissenschaftsfundamentalismus".

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