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Wenn es im Fernsehen um Israel, den Nahostkonflikt oder die Juden geht, kommt er meistens ins Bild: Avi Primor, früherer Botschafter des Staates Israel in Deutschland. Zusammen mit der Journalistin Christiane von Korff legt er offen, was Antisemitismus heute ist und was nicht. Den viel beschworenen und immer wieder befürchteten »neuen« Antisemitismus kann er jedenfalls nicht erkennen. Unverkrampft und sehr persönlich schildert Primor auch seine eigenen Erfahrungen als Israeli und Jude, die er im »Land des Holocaust« sammeln konnte. Nicht umsonst ist er der bis heute am häufigsten gerügte…mehr

Produktbeschreibung
Wenn es im Fernsehen um Israel, den Nahostkonflikt oder die Juden geht, kommt er meistens ins Bild: Avi Primor, früherer Botschafter des Staates Israel in Deutschland. Zusammen mit der Journalistin Christiane von Korff legt er offen, was Antisemitismus heute ist und was nicht. Den viel beschworenen und immer wieder befürchteten »neuen« Antisemitismus kann er jedenfalls nicht erkennen. Unverkrampft und sehr persönlich schildert Primor auch seine eigenen Erfahrungen als Israeli und Jude, die er im »Land des Holocaust« sammeln konnte. Nicht umsonst ist er der bis heute am häufigsten gerügte Botschafter Israels. Das Recht auf eine eigene Meinung ließ er sich von niemandem nehmen. Gerade diese Freiheit im Denken macht das Buch einzigartig.
Autorenporträt
Primor, Avi
Avi Primor, geboren 1935 in Tel Aviv, ist Gründer des Zentrums für europäische Studien an der Universität Herzliya in Tel Aviv und leitet dort einen trilateralen Studiengang für israelische, palästinensische und jordanische Studenten.

Korff, Christiane von
Christiane von Korff, geboren 1960 in Münster, schreibt als Kulturjournalistin u.a. für den Stern, DER SPIEGEL, das Magazin der Süddeutschen Zeitung und Brigitte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.05.2010

Und was ist mit Österreich?
Vorurteile und fatale Missverständnisse zwischen Deutschen und Juden

Im Vorwort erläutert Avi Primor den Titel seines Buches: "Ein älterer Jude findet sich plötzlich von Nazis umringt, die ihn zu Boden schlagen und höhnisch fragen: ,Na, Jude, wer ist denn schuld am Krieg?' Der kleine Jude ist nicht auf den Kopf gefallen und antwortet: ,Die Juden und die Radfahrer.' ,Warum die Radfahrer?', fragen die Nazis. ,Warum die Juden?', kontert der alte Mann." Und er erwähnt in dem Zusammenhang Carlo Schmid, der den jüdischen Witz einmal als Tränen bezeichnet habe, die zu einem Lachen geworden seien, das - so Primor - "den Zuhörern schon mal im Halse steckenbleibt".

Es waren "die Juden" - und es sind vielfach heute wieder "die Juden", die für alles verantwortlich sind. Die Frage "Warum die Juden?" ist offensichtlich so aktuell wie eh und je. Es geht um Vorurteile und leichthin formulierte Aussagen, die weiterhin zu fatalen Missverständnissen zwischen Deutschen und Juden führen. Dabei greift Primor allerdings etwas zu kurz, wenn er schreibt: "Ohne Zweifel ist beim Thema Antisemitismus Deutschland der interessanteste unter allen europäischen Staaten." Da würde der Rezensent ihm empfehlen, doch einmal einen Blick auf Österreich zu werfen, das bei Primor überhaupt nicht vorkommt.

Das Buch will aufklären und in erster Linie zu einem "besseren, weil freieren Verhältnis" von Deutschen und Juden führen. Wie kaum ein anderer ist Avi Primor dazu berufen, diesen Versuch zu unternehmen. Von 1993 bis 1999 war er Botschafter in der Bundesrepublik, schickte seinen Sohn sogar in ein deutsches Gymnasium. Seit damals setzt er sich massiv für die Versöhnung zwischen Deutschen und Israelis ein. Das war ursprünglich alles andere als selbstverständlich. Seine Mutter war 1932 aus Frankfurt am Main nach Palästina gegangen - ihre gesamte Familie wurde im Holocaust ermordet. Das prägte lange Zeit auch Avi, der 1935 in Tel Aviv geboren wurde: Die Familie wollte mit Deutschen nichts mehr zu tun haben. Erst als Botschafter änderte sich Primors Bild von den Deutschen grundsätzlich: "Die Deutschen wollen Antisemitismus nicht zulassen." Und: Deutschland ist das Land, "das mehr als irgendein anderes in der Welt Gewissenserforschung betreibt". Das ändert nach Meinung Primors nichts an der Tatsache, dass es nach wie vor Antisemiten gibt. Und hier setzt er aufklärerisch an und nennt zunächst zwölf Vorurteile, die keineswegs nur deutsche Antisemiten pflegen und hegen. Das reicht vom Vorurteil eins: "Sieben Milliarden Menschen werden von zwölf Millionen Juden beherrscht", oder "Alle Juden sind so reich wie Rockefeller", "Auschwitz ist ein profitables Unternehmen der Juden", "Die Juden haben Jesus ermordet", bis Vorurteil zwölf: "Der antisemitische Phönix steigt wieder aus der Asche."

Zu jedem dieser Vorurteile äußert sich Primor zunächst ausführlich auf jeweils 15 bis 20 Seiten, um dann auf vertiefende Nachfragen der Journalistin Christiane von Korff zu antworten. Dabei nehmen die deutsch-israelischen Beziehungen und vor allem die deutschen Wiedergutmachungsbemühungen einen großen Raum ein, von den frühen Jahren unter Bundeskanzler Adenauer - "kleinkrämerisch-juristischer Charakter der deutschen Verhandlungsführung" beim Luxemburger Abkommen 1952 - bis zum späteren Bemühen der Deutschen, "ihre Opfer zumindest minimal zu entschädigen" - mit insgesamt etwa 65 Milliarden Euro: "Der Preis von etwa einem Euro im Monat, den jeder Deutsche gezahlt hat, ist nicht zu viel verlangt."

Einen noch größeren Raum aber nimmt die Geschichte Israels ein: von den ersten Zionisten über die Gründung Israels 1948 bis in die Gegenwart. Da wird deutlich, warum Primor im Klappentext als der "bis heute am häufigsten gerügte Botschafter Israels" bezeichnet wird. Oberste Priorität ist selbstverständlich auch bei Primor die Sicherheit Israels, aber dann hagelt es Kritik an der israelischen Politik und Empfehlungen, mit denen man zurzeit in Israel mit einem Außenminister Lieberman nicht sehr weit kommt. Einige Beispiele: Israels Zusammengehen mit den Kolonialmächten in den fünfziger Jahren mit Frankreich und Großbritannien gegen Ägypten und mit dem Apartheidregime in Südafrika macht Israel laut Primor zu einem "kalten Monster, das seine Interessen der Moral vorgezogen hat".

Primor tritt für die Zweistaatenlösung ein ("wir müssen uns mit dem Teil des Landes, in dem wir leben, zufriedengeben"), mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt des Palästinenserstaates. Er kritisiert die Siedlungspolitik (erwähnt jedoch nicht die "Schutzmauer"), hält die Besatzung der Westbank für "verhängnisvoll", die Abriegelung des Gazastreifens für falsch, plädiert für gewaltlosen Widerstand und - ganz ungewöhnlich für einen Israeli - für die Einbeziehung der Hamas in zukünftige Verhandlungen; im Westjordanland soll eine internationale Truppe für die Sicherheit Israels sorgen.

Auf der Suche nach Frieden hat Primor gemeinsam mit einem Palästinenser einen Studiengang für Israelis und Palästinenser entwickelt. Und so endet das Buch zwar mit einer Binsenweisheit, die aber für den Nahen Osten besondere Gültigkeit hat, nämlich: "Nur durch persönliche Verbindungen, durch das Kennenlernen, kann man Angst und Hass abbauen. Ohne das Beseitigen von Misstrauen wird jeder politische Frieden nur vorübergehend sein." Im Bemühen darum kann man Primor nur Erfolg wünschen.

ROLF STEININGER

Avi Primor/Christiane von Korff: An allem sind die Juden und Radfahrer schuld. Deutsch-jüdische Missverständnisse. Piper Verlag, München 2010. 309 S., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.12.2010

Volk der Fabeln
Gegen falsche Rücksichten: Avi Primor widerlegt die
immer noch grassierenden Vorurteile gegenüber den Juden
Die Pest wütet schon längst nicht mehr, und die Brunnen sind nicht mehr vergiftet, doch die Vorwürfe der Verschwörungsbeschwörer sind über die Jahrhunderte immer gleich geblieben. Sie suchen nicht den Schuldigen, sondern den Sündenbock, sie arbeiten mit Verleumdungen und mit Vorurteilen.
Der heimliche und unheimliche Antisemitismus speist sich daraus bis heute, wenn zum Beispiel Banken kollabieren und gemunkelt wird über eine jüdische Konspiration. Weil dagegen offenbar kein Kraut gewachsen ist, hilft vielleicht am besten ein alter Witz, und der geht so: Ein älterer Jude aus Berlin findet sich in finsteren Zeiten plötzlich von Nazis umringt, die ihn niederschlagen und fragen: „Na Jude, wer ist denn schuld am Krieg?“ – „Die Juden und die Radfahrer“, sagt der Bedrängte. Da fragen die Nazis: „Warum die Radfahrer?“ Der Mann kontert: „Warum die Juden?“
Avi Primor hat aus dieser prägnanten Anekdote, die schon Hannah Arendt aufgriff, den Titel seines neuen Buchs gemacht, das er zusammen mit der Journalisten Christiane von Korff geschrieben hat: „An allem sind die Juden und die Radfahrer schuld.“ Es ist ein lustiger, hintersinniger Titel, das Buch aber ist ernst. Die Autoren haben es sich zur Aufgabe gemacht, mit „fatalen Missverständnissen“ aufzuräumen – und zwar gründlich. In zwölf Kapiteln zerlegen sie zwölf Vorurteile – kundig und klug, detailliert und doch gut lesbar, unaufgeregt und immer wieder auch persönlich.
Primors eigene Geschichte ist es, die diesem Buch die Tiefe gibt. Als Botschafter hat er Israel von 1993 bis 1999 in Deutschland vertreten, doch es war für ihn ein langer und schwieriger Weg von Tel Aviv, wo er 1935 geboren wurde, bis nach Bonn. Seine Mutter kam 1932 aus Frankfurt nach Palästina, ihre gesamte Familie aber starb im Holocaust. Primor bekennt, dass seine Ablehnung Deutschlands lange „an Feindseligkeit grenzte“. Doch er hat sie überwunden durch persönliche Begegnungen. Heute will er versöhnen und „mehr Freiheit im Umgang zwischen Deutschen und Juden“ schaffen. Und dazu muss er aufklären und aufräumen mit Falschem und Verdrehtem, mit Billigen und allzu Eingängigem.
Man nehme zum Beispiel das „Vorurteil 1“ über die Juden, die nach der Weltherrschaft drängen. Primor und Korff folgen dem Vorurteil durch die Geschichte und stellen ihm die tatsächliche Zersplitterung und chronische Heterogenität des Judentums gegenüber. „Drei Juden, vier Meinungen“ – wie soll da die Weltherrschaft funktionieren? Oder das „Vorurteil 3“, die Idee, dass der amerikanische Präsident nur eine Marionette der Juden sei: Gewiss gibt es den Einfluss der jüdischen Lobby, es gibt die Spender und die Strippenzieher in Washington. Doch der Wert dieses Buches zeigt sich darin, dass es tiefer schürft und weiter blickt: Auf die 75 Millionen christliche Fundamentalisten in den USA zum Beispiel, die zur Pro-Israel-Politik Bushs viel mehr beigetragen haben dürften als die ohnehin überwiegend demokratisch wählenden amerikanischen Juden. Oder auf die amerikanischen Eigeninteressen, die unter Barack Obama die Nahost-Politik antreiben.
Dabei geht es Primor gewiss nicht darum, die israelische Politik zu rechtfertigen oder schönzureden. Das wird besonders deutlich in den Interview-Passagen, die jeweils am Ende der Kapitel stehen, auch wenn sie thematisch nicht immer dazu passen. Darin geht Primor mit der aktuellen Regierung hart ins Gericht, er hält ein „Plädoyer gegen falsche Rücksichtnahmen“, und er ermutigt ausdrücklich dazu, Kritik an Israels Politik zu üben und sich nicht durch die „Antisemitismus-Keule“ davon abhalten zu lassen. Schlüssig legt er überdies dar, dass entgegen der Wahrnehmung der Antisemitismus in Europa „im Abnehmen begriffen“ ist.
Facettenreich und umfassend ist dieses Buch aber nicht zuletzt deshalb, weil es auch die „positiven“ Vorurteile aufgreift. Die Juden sollen wegen ihres Leidens zum „Gewissen der Menschheit“ gemacht? Primor wünscht sich, einfach nur „normal betrachtet“ zu werden. Auch in der Überhöhung sieht er eine Ausgrenzung. Schmerzlich haben die Juden dies in der Geschichte immer wieder erfahren müssen. Die biblische Bezeichnung als „auserwähltes Volk“ hat sich für sie allzu oft zum Fluch entwickelt: An ihr hat sich der Antisemitismus immer wieder hochgerankt. PETER MÜNCH
AVI PRIMOR, CHRISTIANE VON KORFF: An allem sind die Juden und die Radfahrer schuld. Piper Verlag, München 2010. 309 Seiten, 19,95 Euro.
Die Macht der israelischen Lobby
in Washington? Eine Chimäre
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Für das Ziel eines aufgeklärten Verhältnisses zwischen Deutschen und Juden sei der in Tel Aviv geborene Autor und ehemalige Botschafter durchaus der Richtige, glaubt Rezensent Rolf Steininger, und so folgt er - allerdings mit etwas schulmeisterhaftem Blick - Avi Primors umfassenden Äußerungen zu den zwölf häufigsten Vorurteilen über Juden, genauso wie der noch ausführlicher beschriebenen Geschichte Israels und der Schilderung der aktuellen politischen Situation, welche der Autor scharf kritisiere und weswegen er auch einige Verbesserungsvorschläge liefere, wie zum Beispiel die Empfehlung, dass man "nur durch persönliche Verbindungen und das Kennenlernen" "Angst und Hass abbauen" könne. Für das Bemühen darum wünscht Rezensent Steininger dem Autor in jedem Fall viel Erfolg. Wenn Primor allerdings behauptet, beim Thema Antisemitismus sei Deutschland der interessanteste unter allen europäischen Staaten, gibt sich Steininger lieber bescheiden und das Lob an Österreich weiter, respektive den Schwarzen Peter.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Primor widerlegt Vorurteile und üble Nachrede. Und das tut er lesenswert und überzeugend. Empfehlung.", Hessische/Niedersächsische Allgemeine, 27.12.2010