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Er ist ein Glückskind und steht auf der Sonnenseite des Lebens: Louis Charles, der Sohn Ludwigs XVI. und Marie Antoinettes, dazu bestimmt, als mächtigster Herrscher Europas zu regieren. Doch mit der Französischen Revolution wendet sich das Blatt, als das Ancien Régime stürzt und die ersten Köpfe rollen. Der kleine Prinz, kaum acht, kommt 1792 in den Kerker von Paris, und fortan ist das karge Turmzimmer sein Zuhause. Es ist der Beginn einer langsamen Agonie; denn über zwei Jahre wird das Kind dort festgehalten und mehr und mehr sich selbst überlassen - ausgerechnet in einer Zeit, als…mehr

Produktbeschreibung
Er ist ein Glückskind und steht auf der Sonnenseite des Lebens: Louis Charles, der Sohn Ludwigs XVI. und Marie Antoinettes, dazu bestimmt, als mächtigster Herrscher Europas zu regieren. Doch mit der Französischen Revolution wendet sich das Blatt, als das Ancien Régime stürzt und die ersten Köpfe rollen. Der kleine Prinz, kaum acht, kommt 1792 in den Kerker von Paris, und fortan ist das karge Turmzimmer sein Zuhause. Es ist der Beginn einer langsamen Agonie; denn über zwei Jahre wird das Kind dort festgehalten und mehr und mehr sich selbst überlassen - ausgerechnet in einer Zeit, als Menschenrechte als größtes Gut gelten. Keiner spricht mit ihm, niemand wechselt seine Wäsche, und zum Malen bleiben dem Jungen nur die längst schon blinden Fensterscheiben ...

Der beeindruckende, vielstimmige, minutiös recherchierte historische Roman um den vergessenen Prinzen war in Frankreich einer der größten Bucherfolge.
Autorenporträt
François Chandernagor, geb. 1945 in Palaiseau, lebt in Paris und auf dem Land. Sie war als Politikwissenschaftlerin am obersten französischen Verwaltungsgericht tätig, bevor sie sich 1993 ganz dem Schreiben widmete. Seit 1995 ist sie Mitglied der Academie Goncourt, die jährlich einen der angesehensten französischen Literaturpreise vergibt
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Fantasie und Einfühlungskraft lobt Rezensent Niklas Bender an diesem Roman über das unglückliche Schicksal des französischen Kronprinzen Louis Charles Capet, den die Verfechter universeller Menschenrechte während der Französischen Revolution umkommen ließen, weil er die falsche Herkunft hatte. Auch das Schicksal des Kindes sei fesselnd, präzise und lebendig rekonstruiert worden. Gleichwohl ist dem Rezensenten das Genre dieses Buches nicht klar. "Historie, Biografie, Literatur?" fragt er. Auch zerfasert der Plot aus seiner Sicht "ob der vielen Nebenstränge". Die Autorin nimmt sich des königlichen Waisenkindes gelegentlich mit einer Gefühlsseligkeit an, die für Benders Geschmack des öfteren in den Kitsch abgleitet. Unerklärlich findet der Rezensent auch, warum das Nachwort der Autorin, in dem sie ihre Quellen nennt, keinen Eingang in die deutsche Ausgabe fand. Den Roman selbst findet er "solide" ins Deutsche übertragen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.03.2005

Königskinderschänder
Françoise Chandernagors Roman richtet die Revolution

Die Französische Revolution fraß ihre Kinder nicht nur im metaphorischen Sinn. Françoise Chandernagor weist in ihrem neuen Roman auf einen weiteren Grad des Übels hin: Exemplarisch zeigt sie die Vernichtung Unschuldiger anhand des Sohns Louis XVI., Louis Charles Capet (1785 bis 1795), den man inhaftierte und verkommen ließ. Ihr Buch führt vor, wie den Verfechtern universeller Menschenrechte das Leben eines Achtjährigen nichts wert war, wenn er die falsche Herkunft hatte.

Über zwei Jahre, von Januar 1793 bis Juni 1795, sitzt der Dauphin im Temple-Gefängnis in Einzelhaft. Im zweiten Stock eines alten, zugigen und finsteren Turms wird er, abgeschnitten von den letzten Überlebenden seines Umkreises, im gelben Zimmer gefangengehalten. Besuch bekommt er nur von stummen Wärtern sowie von den Kommissaren des Volkes - die sich oft mit einem Blick durch das Überwachungsfenster begnügen, das sein Zimmer in "ein weiträumiges Aquarium, einen Zookäfig" verwandelt. Der Thronerbe, einst Mittelpunkt aller Verehrung und Sorge, ist ewiger Langeweile und Einsamkeit überlassen. Seine hilflosen Spiele gibt er bald auf, er verstummt, verwahrlost zusehends, wird gebrechlich und hinfällig. Als die terreur vorbei ist und man die Haftbedingungen bessert, ist es zu spät: Er erkrankt und stirbt.

Von Françoise Chandernagor, Mitglied der "Académie Goncourt", lag im Deutschen bisher nur der Scheidungsroman "Die erste Frau" vor, obwohl sie einige historische Romane verfaßt hat. Auch "Das Kind im Turm" evoziert geschichtliche Fülle: Um den Kern scharen sich Episoden der Revolutionsjahre, Schicksale der Wärter, Verwalter und Kommissare oder das eines farbigen Kochs. Auch von Blanche-Rose erfährt der Leser, der Wäscherin, die um ihren Sohn trauert und den familiären Verlust des Königskinds spiegelt. Soweit möglich, rekonstruiert die Autorin aus Plänen, Rechnungen, Memoiren, Briefen, Stichen, Liedern; ihre Quellen nennt sie in einem unerklärlicherweise nicht mitübersetzten Nachwort. In der konkreten Ausgestaltung der "Geschichte in Kindergröße" schöpft sie aus Phantasie und Einfühlungskraft. Die präzise, lebendige Rekonstruktion, von Christel Gersch solide übertragen, fesselt, auch wenn das Genre unklar ist: Historie, Biographie, Literatur? Zudem zerfasert der Plot ob der vielen Nebenstränge.

Die geschichtliche Genauigkeit kontrastiert mit der Allgemeingültigkeit des Beschriebenen. Emphatisch nennt die Autorin Louis Charles nur "das Kind", "den Jungen": An ihm manifestiert sich die Grausamkeit totalitärer Herrschaft generell, er ist das Opfer schlechthin. Françoise Chandernagors Haltung in dieser Frage ist die Schwäche des Romans. Zum einen nimmt sie sich des Waisen mit einer Gefühlsseligkeit an, die des öfteren in Kitsch abgleitet. Zum anderen ist der Roman als Anklageschrift entworfen. "Wenn der Glaube Berge versetzt, begräbt er Kinder", heißt es eingangs, und das Urteil wird durchgehalten. Die Schriftstellerin bedauert von Anfang bis Ende den Mangel an Fürsorge. Ein Einwand dagegen ist, was die Autorin selbst anerkennt: Der Kleine überlebt viele Wärter, die auch nicht notwendig Schuld tragen; in Zeiten des Chaos gilt ein Leben wenig.

Davon unbeirrt, zitiert Chandernagor die Beteiligten vor ein Geistertribunal, wo sie ihr Rede und Antwort stehen müssen. Das Stilmittel ist abgeschmackt, das Vorgehen unhaltbar: Wer Blindheit und Widersprüchlichkeit in der Durchsetzung universeller Ideen beklagt, der sollte nicht selbst die Vergangenheit mit den moralischen Ansprüchen von heute abkanzeln. Schließlich wird ein Kunstwerk nicht von einem Urteil beseelt, sondern von einer Frage - etwa: Wie konnte es dazu kommen? Die aber beschäftigt Françoise Chandernagor lediglich am Rande.

NIKLAS BENDER

Françoise Chandernagor: "Das Kind im Turm". Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Christel Gersch. Piper Verlag, München/Zürich 2004. 286 S., geb., 18,90 [Euro].

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