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Heidi Julavits' großes Epos, das zur Zeit der "Great Depression" in einer Kleinstadt in den Weiten Colorados spielt, erzählt bilderreich und wortgewaltig von der Sehnsucht, Verzweiflung und Hoffnung einer jungen Frau, die an das Schicksal glaubt, aber das ihre nicht einfach hinnehmen will.

Produktbeschreibung
Heidi Julavits' großes Epos, das zur Zeit der "Great Depression" in einer Kleinstadt in den Weiten Colorados spielt, erzählt bilderreich und wortgewaltig von der Sehnsucht, Verzweiflung und Hoffnung einer jungen Frau, die an das Schicksal glaubt, aber das ihre nicht einfach hinnehmen will.
Autorenporträt
Heidi Julavits wurde 1968 in Portland, Maine geboren und studierte in New York, wo sie auch heute lebt. "Der Mineralpalast" ist ihr erster Roman und wurde von der US-Presse gefeiert. Inspiriert wurde sie dazu durch Erzählungen ihrer Großmutter, die als junge Frau einige Jahre in Pueblo/Colorado, verbrachte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.03.2004

Phantomschmerz in Pueblo
Müttertöten: Das düstere Romandebüt von Heidi Julavits

In Heidi Julavits' Debütroman gibt es nichts, was die Wüste schön macht. Er schwelgt in Untergangsbildern: Die amerikanische Landschaft, die hier ausgiebig beschworen wird, liegt als Ödland brach. Die Städte und Siedlungen im Jahr 1934 sind Orte des Verfalls und die Menschen so desolat wie das Szenario, das sie bevölkern. Auch ein junges Arztehepaar mit Kind, das aus Minnesota nach Pueblo kommt, eine von der Rezession gezeichnete Stahlarbeiterstadt, bildet keine Ausnahme.

Was für die junge Familie der Anfang eines gemeinsamen Lebens sein soll - die Ankunft in der unbekannten Stadt -, ist tatsächlich der Anfang vom Ende. Die Ehe weist alle Zeichen des Scheiterns auf, bevor sie richtig begonnen hat: Ted hat Affären, Bena arrangiert sich damit. Das Kind ist apathisch und reagiert nicht auf seine Außenwelt. Der häusliche Schrecken scheint zum Standbild zu gefrieren. Nur die Neugier der Frau wirkt als Bewegungsimpuls im Stillstandstableau. Sie tastet ihre marode Umgebung nach winzigen Lebenszeichen ab und läßt sich auf sie ein, wo sie sie finden kann: bei Menschen aus der Nachbarschaft, die sich gegen den Status quo ihres Lebens aufzulehnen versuchen. Vor allem ist die desillusionierte Ehefrau von einer schwangeren Prostituierten fasziniert und von einem Mann, der sich um die Schwangere kümmert.

Vielleicht aus Sensationslust oder Langeweile spürt Bena, die einen Job bei der lokalen Tageszeitung annimmt, den Geschichten dieser Außenseiterfiguren so lange nach, bis sie selbst darin verwickelt wird. Teile ihrer eigenen Lebensgeschichte werden dabei rückblickend eingeblendet. Schon auf den ersten Seiten ist von ihrem ertrunkenen Bruder, vom Selbstmord ihrer Mutter und von Benas obsessivem Aberglauben die Rede. Finstere Omen, Unheilsankündigungen und -beschreibungen wetterleuchten auf jeder Seite. Die Atmosphäre ist düster wie in einer Gothic novel, obwohl die darin beschriebene Landschaft unter staubtrockener Gluthitze liegt. Die Anhäufung von Schreckensbildern könnte übertrieben oder unfreiwillig komisch wirken. Doch "Der Mineralpalast" gerät nur selten unter der Last seiner dräuenden Bilder und Motive ins Schwanken. Tatsächlich gelingt es der Autorin, in überzeugend ineinandergreifenden Bildern eine in sich geschlossene, dekadente Welt zu erschaffen, auf der Grenzlinie zwischen Surrealismus und Realismus.

Diese Welt wird von - bizarren - Frauengestalten dominiert. Die Charaktere - bis auf Bena, aus deren Perspektive die Story erzählt wird - sind mit den Attributen von Märchenfiguren versehen. Eine Frau trägt einen Elefantenstoßzahn als Beinprothese, eine kettenrauchende Millionärsgattin sitzt im Rollstuhl in einer dunkel verhängten Villa und plant den Untergang ihres Mannes, eine dritte lebt in einem alten Eisenbahnwaggon und sieht die Zukunft voraus, die schwangere, gespenstergleiche Prostituierte ist opiumsüchtig, und die Gangsterbraut Bonnie, die kurz darauf mit ihrem Partner Clyde erschossen wird, hat einen Gastauftritt. Alle Frauen ver- und enthüllen kriminelle Familiengeheimnisse: Mißbrauch; äußerlich perfekte, aber in Wirklichkeit marode Ehen, in denen Mordgedanken gären; Kinder und Geschwister, die von den eigenen Familienmitgliedern getötet werden. Hinter jeder Tür lauert ein anderer Unglücksexzeß. Geradezu lustvoll beschwört die Erzählerin immer neue Versionen der Familienhölle herauf.

Die Frauen wirken wie finster-enigmatische Fabelwesen, denen die Zauberkräfte abhanden gekommen sind. In tatenlosem Haß oder Fatalismus betrachten sie ihre zerstörten Leben. Die Männer sind entweder tyrannisch oder schwach, oder eine Mischung aus beidem. Symptomatisch für die Austauschbarkeit der wichtigsten männlichen Figuren ist ihre nahezu identische Namensgebung. Benas Mann heißt Ted, ihr Freund Red und der Sohn Klein Ted. Heidi Julavits erledigt in ihrem Roman nicht nur die Ehe und romantische Liebesbeziehungen (die nicht lange romantisch bleiben). Zu den markantesten, mit größter Ambivalenz behandelten Themen ihres Buchs gehören Mutterschaft und Fruchtbarkeit: Bena hat ein Kind, aber es reagiert nicht auf sie und nimmt die Mutter nur als Nahrungsquelle wahr. Das ständige Stillen des Säuglings, der dennoch nicht zu gedeihen scheint, zieht sich als meistgebrauchtes Motiv durch den Roman. Eine von Teds Geliebten leidet unter ihrer Kinderlosigkeit, die schwangere Prostituierte unter ihrer Schwangerschaft. Allein drei von ihren Eltern getötete Kinder kommen im Roman vor: Mutterliebe wird nicht als biologischer Imperativ interpretiert, sondern als von sozialen Umständen bestimmt.

Derselben Bedingtheit und Unbeständigkeit sind alle menschlichen Beziehungen des Romans unterworfen - aber auch äußere Werte wie Wohlstand und Ansehen. Als Symbol für deren Fragilität steht der titelgebende Mineralpalast, der in guten Zeiten der Jahre vor der Jahrhundertwende den Ruhm der Stadt verkörperte und vier Jahrzehnte später nur noch als verfallender Unterschlupf für Obdachlose dient.

Es gehört zu den makabren Pointen des Romans, Merkmale der Familienchronik und des Entwicklungsromans mit jeweils negativen Vorzeichen auszuformen: Nichts und niemand prosperiert hier trotz dynamischer innerer und äußerer Ereignisse. Die beträchtliche Spannung, die in der Erzählung aufgebaut wird, speist sich aus der Erwartung auf das größtmögliche Unhappy-End und der Hoffnung, daß es vielleicht noch abgewendet werden kann. Die unaufdringliche, aber dennoch insistierende Infragestellung von normierten Ansichten über Familie, Ehe und Mutterschaft verleiht dem konventionell erzählten Roman zusätzlich eine leicht beunruhigende, subversive Energie.

MARION LÖHNDORF

Heidi Julavits: "Der Mineralpalast". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Margarete Längsfeld. Piper Verlag, München 2003. 410 S., geb., 22,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Mit "Untergangsbildern" geht es schon los, um dann Erwartung "auf das größtmögliche Unhappy-End" zu schüren - und die "Hoffnung, dass es vielleicht noch abgewendet werden kann". Doch Marion Löhndorf Hat's nicht nur ausgehalten, sondern sogar goutiert. Heidi Juvalits gelinge es nämlich, "in überzeugend ineinandergreifenden Bildern eine in sich geschlossene, dekadente Welt zu erschaffen, auf der Grenzlinie zwischen Surrealismus und Realismus". Ort der Handlung ist eine Wüstenstadt im US-amerikanischen Süden im Jahr 1934; eine desillusionierte Ehefrau beginnt, in ihrer desolaten Umgebung Geschichten zu sammeln und wird zunehmend in sie hereingezogen. Die Welt der Erzählerin, schreibt Löhndorf, wird von "bizarren Frauengestalten dominiert", die allesamt märchenhafte Merkmale tragen: "Die Frauen wirken wie finster-enigmatische Fabelwesen, denen die Zauberkräfte abhanden gekommen sind". Und alle verbergen und eröffnen sie Geheimnisse - kriminelle Geschichten aus der "Familienhölle". Dabei werden Themen wie Mutterschaft, Fruchtbarkeit und Ehe nachdrücklich und mit großer Ambivalenz behandelt, und das, so Löhndorf, verleiht dem konventionell erzählten Roman zusätzlich eine leicht beunruhigende, subversive Energie".

© Perlentaucher Medien GmbH
"Heidi Julavits ist die interessanteste Stimme der jungen amerikanischen Literaturszene." (Rick Moody)