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1872 als sächsische Regionalbank gegründet, stieg die Dresdner Bank bald zur zweitgrößten deutschen Bank auf. Die Rolle, die das Unternehmen im Dritten Reich spielte, ist charakteristisch für die enge Verflechtung von nationalsozialistischer Herrschaft und der Geschäftspolitik des großen Geldes. Als Vertrauensbank der SS und in ihren engen Beziehungen zum wirtschaftlichen Machtblock Hermann Görings nimmt die Dresdner Bank gleichwohl eine Sonderstellung ein. Das unter der Herausgeberschaft von Klaus-Dietmar Henke entstandene Werk entfaltet die ganze Bandbreite von Druck, Anpassung,…mehr

Produktbeschreibung
1872 als sächsische Regionalbank gegründet, stieg die Dresdner Bank bald zur zweitgrößten deutschen Bank auf. Die Rolle, die das Unternehmen im Dritten Reich spielte, ist charakteristisch für die enge Verflechtung von nationalsozialistischer Herrschaft und der Geschäftspolitik des großen Geldes. Als Vertrauensbank der SS und in ihren engen Beziehungen zum wirtschaftlichen Machtblock Hermann Görings nimmt die Dresdner Bank gleichwohl eine Sonderstellung ein. Das unter der Herausgeberschaft von Klaus-Dietmar Henke entstandene Werk entfaltet die ganze Bandbreite von Druck, Anpassung, Nutznießertum und bereitwilliger Mittäterschaft und legt das für die Dresdner Bank charakteristische Spannungsverhältnis von ökonomischer Rationalität und besonderer Regimenähe offen. Die changierende Symbiose von Nationalsozialismus und Kapitalismus tritt so zutage. In vier Bänden liegt hier eine der umfassendsten unternehmensgeschichtlichen Untersuchungen überhaupt vor.
Autorenporträt
Johannes Bähr, geboren 1956, ist Privatdozent für Wirtschaftsgeschichte an der Freien Universität Berlin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.02.2006

Kapital und Verbrechen
Endlich dokumentiert: Die Dresdner Bank im Dritten Reich
Es lag im Geschäftsinteresse der Dresdner Bank, dem öffentlichen Druck nachzugeben und unabhängige Historiker mit der Erforschung ihrer Geschichte im Dritten Reich zu beauftragen. Bis 1997 hatte das Haus zwar wortreich seine Verluste durch alliierte Besatzung und Enteignung im Osten beklagt, die eigene Rolle zwischen 1933 und 1945 jedoch mit verlogenen Formeln verharmlost. Zur Feier des 125. Firmenjubiläums - im Sommer 1997auf Schloss Pillnitz bei Dresden - floh der Vorstandssprecher der Bank, Jürgen Sarrazin, ins Nichtssagende. Er sprach von einer „in allen Bereichen zunehmenden politischen Einflussnahme durch das NS-Regime”. Wie in den fünfziger Jahren pries er Carl Goetz, der mit kurzen Unterbrechungen von 1936 bis 1965 Aufsichtsratsvorsitzender gewesen war; Goetz habe die Bank „mit diplomatischem Geschick um die Klippen der Zeit” gesteuert.
Erst als eine ARD-Dokumentation das „braune Band der Sympathie” nachzeichnete, als Sammelklagen in den USA und die Debatte um Zwangsarbeiterentschädigung das Image des Geldinstituts ernsthaft zu schädigen drohten, beauftragte der Vorstand den Zeithistoriker Klaus-Dietmar Henke, gemeinsam mit anderen die Geschichte der Bank im Nationalsozialismus zu erforschen.
Anfangs glaubte man, eine etwa 300 Seiten umfassende Studie würde genügen. Knapp 2400 Seiten in vier Bänden sind es geworden. Es geht um die Bank in der NS-Wirtschaft, um die Bank und die deutsche Juden und um die Expansion in Europa. Ein Hausarchiv wurde aufgebaut, das etwa zwölf Kilometer Akten bewahrt. Die Historiker erhielten uneingeschränkten Zugang und nutzten weitere 50 Archive; etwa 1,6 Millionen Euro hat man für die Fertigstellung der Untersuchung ausgegeben, gestern wurde sie in Berlin vorgestellt (Die Dresdner Bank im Dritten Reich. Herausgegeben von Klaus-Dietmar Henke. 4 Teilbände von Johannes Bähr, Dieter Ziegler, Harald Wixforth, Klaus-Dietmar Henke. R. Oldenbourg Verlag, München 2006. 2374 Seiten, 79,80 Euro). Sie ist geeignet, unser Bild des Nationalsozialismus zu präzisieren.
Klassenlinien der Erinnerung
Es ist keine neue Erkenntnis, dass die Dresdner Bank eng mit den Nationalsozialisten kooperierte. Schließlich hatte sie sich selbst als „SS-Bank” angepriesen. Ermittlungen der amerikanischen Militärregierung gegen die Dresdner Bank aus dem Jahr 1946 sind 1986 veröffentlicht worden. „Kein anders führendes Kreditinstitut”, hieß es da, „identifizierte sich so vollständig mit den Zielen der NSDAP, der Nazi-Regierung und der SS”. Die Bank sah dies anders, verwies auf die „Klippen der Zeit” und zwei Sündenböcke.
Eines der Vorstandsmitglieder, Emil Meyer, als Bankier von mäßiger Begabung, dafür straffer SS-Mann, beging 1945 Selbstmord. Karl Rasche, Vorstandsmitglied und vom Dezember 1942 an Vorstandssprecher, war im Wilhelmstraßen-Prozess vor dem Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg 1948 zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Im August 1950 ließ man ihn, den SS-Ehrenoffizier, der zuletzt den Rang eines Obersturmbannführers bekleidet hatte, vorzeitig frei. Meyer und Rasche galten offiziell als Nazis, während das Haus für sich in Anspruch nahm, alles in allem, korrekt, professionellen Standards folgend und weitgehend anständig gehandelt zu haben.
Die Studie zeigt etwas anderes: Betriebswirtschaftlichen Zielen folgend, gute Kontakte zu Partei, SS und Staat, besonders zu Hermann Göring pflegend, wurde die Bank zum Profiteur und Mittäter der Vernichtungspolitik. Sie machte mit fast allen Organisationen des Dritten Reiches Geschäfte, sie war der wichtigste Kreditgeber der SS, sie beteiligte sich an der „Arisierung” jüdischer Vermögen, sie wirkte aktiv an der „Germanisierung” annektierter Gebiete und der Ausplünderung besetzter Gebiet mit. Klaus-Dietmar Henke fasste gestern zusammen: Wie die meisten großen Unternehmen war die Dresdner Bank vor allem Bestandteil des NS-Systems, weniger dessen Opfer; „Verstrickungslyrik” tauge nicht. Henkes Wort von der „Hineinverwicklung” ist freilich kaum präziser.
Im Augenblick der Machtergreifung befand sich die Bank, nach einer schweren Krise im Juli 1931, weitgehend in Staatsbesitz. Diese Lage erklärt, warum sie die Nähe zu NS-Größen suchte, wobei ihr Geschäftsgebaren sich von dem anderer Banken kaum unterschied. Die Reprivatisierung gelang Carl Goetz 1937.
Mit dem Anschluss Österreichs, dem Einmarsch ins Sudetenland und dem Beginn des Eroberungskrieges wurden die Bankiers, unter denen die hundertprozentigen Nationalsozialisten die Ausnahme waren, von Euphorie ergriffen. Es herrschte Goldgräberstimmung, man expandierte. Das Beharren auf betriebswirtschaftlicher Rationalität schloss Kooperation mit dem NS-Staat nicht aus, im Gegenteil. Die Bank wusste aber auch ihm gegenüber, ihre Interessen zu vertreten. Als die jüdischen Bezieher von Betriebsrenten deportiert wurden, stellte sie die Zahlungen sofort ein. Das Reich aber verlangte die Weiterzahlung, es müsse diese Personen schließlich unterhalten. Daraufhin verlangte die Bank von der Ghettoverwaltung in Lodz Bescheinigungen, dass die Rentenbezieher noch lebten. Die Verwaltung verwahrte sich gegen soviel Bürokratie in Kriegszeiten, woraufhin die Bank meinte, das Überleben der Alten im östlichen Winter sei unwahrscheinlich.
Geschichten wie diese finden sich viele in den vier Bänden. Indem die Bank ihre Interessen wahrnahm, wurde sie Teil des NS-Systems und nahm als solcher auch an Radikalisierung und Enthemmung teil.
Seither wird häufig, leicht pharisäerhaft, die lange Verdrängungsgeschichte des Bankhauses kommentiert. Man muss daran erinnern, dass es damit dem Konsens der bundesrepublikanischen Nachkriegsgesellschaft folgte, die sich - von Adenauer über die Kirchen bis hin zur SPD - ihr Bild vom Nazi zurechtgelegt hatte. Bestraft werden sollten die Mörder und Schläger, die man in den Unterschichten vermutete, auch ein paar fanatisierte Aufsteiger, nicht aber die Angehörigen der Funktionseliten. Es war dies das westliche Pendant zur östlichen Entlastungsstrategie, die alle Schuld den reaktionären Kräften des Finanzkapitals zuschieben wollte. Norbert Frei hat für die BRD von einer „Klassenlinie” in der Vergangenheitspolitik gesprochen.
Wer bedenkt, dass Carlo Schmid und Theodor Heuss sich für den sympathisch bürgerlichen, jungen Einsatzgruppenleiter Martin Sandberger einsetzten, der Estland „judenfrei” gemacht hatte, wird sich über das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband für Carl Goetz nicht mehr wundern. Die Debatte um die Wehrmachtsausstellung und Götz Alys Buch „Hitlers Volksstaat” haben gezeigt, wie stark auch heute der Wunsch ist, im Nationalsozialismus das monströs Andere, statt das barbarisch Vertraute zu sehen.
Barbarisch vertraut wirkt diese Bankengeschichte, die ursprünglich im Jüdischen Museum vorgestellt werden sollte, was erregten Protest provozierte. Umfang und Art der Studie schließen einen größeren Leserkreis aus. Dafür endet Klaus-Dietmar Henkes Versuch einer Zusammenfassung unter dem Titel „Ökonomische Rationalität, Regimenähe, Mittäterschaft” mit verstimmendem Lob. Die Bank habe „in respektabler Weise den Weg auf die Höhe der in unserem Lande mittlerweile erreichten Erinnerungskultur gefunden”. Was sollen solche Sätze, zwischen Sündenstolz und Selbstgerechtigkeit changierend? Geht es um Monumente unserer Vortrefflichkeit oder um Erkenntnis? JENS BISKY
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.02.2006

Williger Partner im NS-Regime
Die Dresdner Bank arbeitet endlich ihre Vergangenheit auf

Mit diesem Monumentalwerk stellt sich die Dresdner Bank den bitteren und bedrückenden Wahrheiten ihres Verhaltens in der Zeit des Nationalsozialismus. Es ist die wohl umfassendste unternehmenshistorische Untersuchung dieser Art, an der zehn Historiker unter Leitung von Klaus-Dietmar Henke, dem Ordinarius für Zeitgeschichte an der TU Dresden und früheren Leiter des Hannah-Arendt-Instituts, sowie ein hochkarätiger internationaler Fachbeirat beteiligt waren. 1,6 Millionen Euro hat sich die Bank das Vorhaben kosten lassen und damit, wie Henke richtig schreibt, in respektabler Weise den Weg auf die Höhe der in Deutschland mittlerweile erreichten Erinnerungskultur gefunden.

Die Bank hatte sich lange und hartnäckig der Auseinandersetzung mit ihrer Geschichte verweigert, obwohl sie die umfassendsten Aktenbestände der Großbanken besitzt. So wurde noch 1992 im Jubiläumsband zum 120jährigen Bestehen das Verhalten der Bank in der Nazizeit beschönigend und geschichtsklitternd gewertet. Erst als in den neunziger Jahren in den Vereinigten Staaten Ermittlungen gegen Schweizer und deutsche Banken wegen ihrer Zusammenarbeit mit dem NS-Regime einsetzten, denen dann Sammelklagen von Holocaust-Opfern folgten, gab die Bank 1997 die vorliegende Untersuchung in Auftrag. Sie gründete auch eine historische Kommission und richtete ein historisches Archiv ein. Die politisch sensiblere Deutsche Bank hatte bereits 1989 renommierte Historiker mit Untersuchungen beauftragt. Die Zurückhaltung der Dresdner Bank mag an der allgemein verbreiteten Einstellung gelegen haben, die Vergangenheit endlich ruhenzulassen. Wahrscheinlicher ist, daß man im Drang der Geschäfte die gesellschaftspolitische Brisanz der Holocaust-Debatte nicht erkannte.

Dabei war in Grundzügen schon seit Kriegsende bekannt, daß die Dresdner Bank von den Großbanken die größte Nähe zum NS-Regime besaß und sich bei den Arisierungen, bei der Ausplünderung der Juden und bei der Expansion in die von Hitler eroberten Gebiete in Europa am aggressivsten verhalten hatte. Sie war der bedeutendste Geldgeber der SS und ihrer Wirtschaftsbetriebe gewesen. Ihr damaliges Vorstandsmitglied Karl Rasche, SS-Ehrenoffizier im Rang eines Obersturmbannführers, wurde als einziger Banker 1946 vom Nürnberger Militärgericht zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt.

Die Untersuchung zeigt diese dunkle Seite der Bank noch einmal in allen Einzelheiten. Besonders eindrucksvoll ist die Herausarbeitung der Motive der Akteure und ihrer Entscheidungsspielräume. Für die Forschung interessant ist das Kapitel über die Nazifizierung der Angestellten und die damit verbundenen inneren Auseinandersetzungen. Für Historiker ist das Werk eine Fundgrube; breitere Leserkreise wird es wegen seines Umfangs leider wohl kaum erreichen.

Der erschreckendste Befund ist, daß die Ursache für die Zusammenarbeit mit dem Regime nicht allein die frühe Besetzung einiger Vorstandsposten durch Nationalsozialisten war, sondern mehr noch die vom ganzen Vorstand und vom Aufsichtsrat zu verantwortende Geschäftspolitik. Der Historiker Johannes Bähr schreibt: "Die Dresdner Bank hätte in den meisten Fällen anders handeln können, aber dazu war sie aus geschäftlichem Kalkül nicht bereit . . . So hat sie sich aufgrund eigener unternehmerischer Entscheidungen an Arisierungsgeschäften bereichert und an der wirtschaftlichen Ausplünderung eroberter Nachbarländer beteiligt . . . Moralische Skrupel lagen dem Vorstand gänzlich fern, und zwar unabhängig von der Gruppierung, der die Bankiers in der Geschäftsleitung angehörten . . . Das Unternehmen als Ganzes verfolgte seine geschäftliche Logik mit einem hohen Maß an moralischer Indifferenz."

Dieses Verdikt trifft auch den legendären Carl Goetz, der von 1957 bis l965 noch einmal Aufsichtsratsvorsitzender der Bank war. Er war kein Nationalsozialist, wollte die unternehmerische Autonomie der Bank wahren und wurde 1944 wegen seiner Kontakte zum Widerstand sogar vorübergehend inhaftiert. Doch er hat als Vorstandsvorsitzender von 1933 bis 1942 und danach als Aufsichtsratsvorsitzender alle Geschäfte mit dem Regime mitgetragen. Dazu gehörten natürlich auch die Geschäfte der beiden "SS-Bankiers", des radikalen Nationalsozialisten Emil Meyer, der 1945 Selbstmord beging, und des in Nürnberg verurteilten "Karriere-Nazis" Karl Rasche. Dazu gehörten nicht zuletzt Geschäfte mit SS-Häftlingsunternehmen und mit Baufirmen wie Huta, die in Auschwitz bauten. Schon bald nach der planmäßigen Ermordung der Juden 1942 habe man in der Bank gewußt, und zwar bis hin zu Kreditsachbearbeitern, daß man Geschäfte mit Massenmördern machte, schreibt Bähr.

Bedrückend ist, daß sich diese Entwicklung in einer Bank vollzog, die ausgeprägt jüdische Wurzeln hat. Ihre Gründung 1872 geht auf die Finanzdynastie Kaskel zurück, die als die sächsischen Rothschilds galten. Auch Eugen Gutmann, der führende Kopf der Bank bis 1920, war Jude. In der Bankenkrise von 1931 wurde die Bank als Sanierungsfall vom Reich übernommen. Das ermöglichte dem Staat 1935, politisch opportune Vorstände wie Meyer und Rasche zu installieren. Es war der Beginn des moralischen Niedergangs.

JÜRGEN JESKE.

Klaus-Dietmar Henke (Herausgeber): Die Dresdner Bank im Dritten Reich. R. Oldenbourg Verlag, München 2006, vier Bände, 2376 Seiten, 79,80 Euro.

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