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Die Familie Colonna gehörte im Mittelalter zu den führenden Baronalgeschlechtern Roms. In der Zeit von 1278 bis 1348 stellten sie drei Mitglieder des Kardinalskollegs und nahmen dadurch eine bedeutende Stellung am päpstlichen Hof, der Kurie, ein. Da der Papst seit dem 12. Jahrhundert in immer größerem Ausmaß beanspruchte, die mit Einnahmen verbundenen Kirchenämter (= Pfründen) zu vergeben, entwickelte sich an seinem Sitz der sog. kuriale Pfründenmarkt. Zu diesem hatte ein Kardinal einen privilegierten Zugang, und er konnte dort auch seinen Verwandten, den Angehörigen seines Haushalts (den sog.…mehr

Produktbeschreibung
Die Familie Colonna gehörte im Mittelalter zu den führenden Baronalgeschlechtern Roms. In der Zeit von 1278 bis 1348 stellten sie drei Mitglieder des Kardinalskollegs und nahmen dadurch eine bedeutende Stellung am päpstlichen Hof, der Kurie, ein. Da der Papst seit dem 12. Jahrhundert in immer größerem Ausmaß beanspruchte, die mit Einnahmen verbundenen Kirchenämter (= Pfründen) zu vergeben, entwickelte sich an seinem Sitz der sog. kuriale Pfründenmarkt. Zu diesem hatte ein Kardinal einen privilegierten Zugang, und er konnte dort auch seinen Verwandten, den Angehörigen seines Haushalts (den sog. familiares) und der weiteren Klientel seines Geschlechts Pfründen vermitteln. Auch ein Laie aus vornehmem Haus übernahm gelegentlich als Gesandter - die Kurie weilte ja ab 1309 in Avignon - diese Vermittlungsfunktion, die in Hunderten von Einträgen in den päpstlichen Briefregistern erkennbar ist. Aus diesem Material ergeben sich bislang weitgehend unbeachtet gebliebene Hinweise auf die Machtverhältnisse in Rom, wo die Colonna mit den Orsini um die Vormacht kämpften. Um zu untersuchen, wie die Colonna nach 1348 den Verlust ihres einflußreichsten Fürsprechers an der Kurie kompensierten, werden auch die dreißig Jahre bis zum Ausbruch des Schismas 1378 in den Blick genommen. Über die politischen Bezüge hinaus gewährt die Studie Einblick in die sozialen, kulturellen und ökonomischen Grundlagen des höheren Klerus in der Stadt Rom und an der Kurie.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.07.2000

Eine Hand salbt die andere
Der Weg zum Kardinalshut war für die Colonna mit Gold gepflastert

Am 29. Januar 1308 übertrug Papst Klemens V. Pietro, dem Sohn des verstorbenen Agapito aus dem Hause Colonna, die Propstei der Bischofskirche von Marseille; die Kurie hielt sich hier in Südfrankreich auf, während Pietro di Agapito in Rom weilte, am Hauptsitz des Baronalgeschlechtes. Für Pietro hatte sich sein Onkel, der gleichnamige Kardinal Pietro Colonna, verwandt. Ein anderer Kardinal des Hauses, der ältere Jacopo, war gleichzeitig in Italien damit befasst, die weltlichen Stellungen der Colonna zu erneuern, darunter das Amt des Podestà in Städten des Kirchenstaates oder auch die Anwartschaft auf das jährlich wechselnde Senatorat in Rom, das die Familie seit Jahrzehnten wiederholt besetzt hatte. Pietro und Jacopo mussten den Pfründenpool sowie die weltlichen Besitzungen ihres Hauses neu aufbauen; nach einem schweren Konflikt mit Papst Bonifaz VIII. hatten sie ihre Kardinalswürden verloren.

Die Kardinäle konnten zwar die entfremdeten Pfründen kaum direkt zurückgewinnen, suchten aber an alte Positionen anzuknüpfen. Man bemühte sich nämlich darum, bewährte Verbindungen zum Ausbau vorhandener Besitzkerne zu nutzen und bei Vakanz einer Stelle eigene Leute nachrücken zu lassen, seien es Verwandte, Landsleute, Familiaren oder Klienten. So hatten die Colonna schon lange in Frankreich, im deutschen Reich oder in England Klerikerstellen gesammelt und gute Kontakte zu den Monarchen der drei Länder gepflegt, die sie auch jetzt unterstützten. Als Pietro di Agapito Propst in Marseille wurde, hatte er beispielsweise schon in Deutschland ein Kanonikat an der Bischofskirche von Lüttich und eine kleinere Pfründe im Bistum Toul inne. Das war insofern bemerkenswert, als Pietro 1308 erst fünfzehn Jahre alt war und wegen Verletzung der Vorschriften für die Ausstattung mit der Propstei erst Dispens erhalten musste. Natürlich konnte auch keine Rede davon sein, dass er seine geistlichen Funktionen in Marseille, Lüttich oder Toul erfüllt hätte; noch zwanzig Jahre später sollte sich das Domkapitel von Marseille bei der Kurie darüber beklagen, dass ihr Propst ständig abwesend war und sich die Priesterweihe nicht erteilen ließ.

Für die Colonna selbst war die Ausstattung eines so jungen Mannes mit kirchlichen Ämtern ambivalent; denn wenn dies einerseits auch finanziell einträgliche Posten waren, die man bei Resignation, durch Tausch oder Vererbung im eigenen Sozialverband zu sichern hoffte, bedeutete die Klerikalisierung Pietros doch auch eine Schwächung der generativen Kraft. In der prekären Lage des Hauses während des frühen vierzehnten Jahrhunderts wirkte freilich der Zölibat junger Colonna als Entlastung; um die Zahl der Erben und Versorgungsempfänger zu reduzieren, errichtete ebenfalls im Jahr 1308 Kardinal Jacopo in Rom auch ein Nonnenkloster, wo überzählige Colonna-Damen dem Heiratsmarkt entzogen werden konnten. Wenn allerdings durch nachlassende Geburten, gewaltsame Todesfälle oder Seuchen die Anzahl der potentiellen Erben stark abfiel, musste man auf Kleriker zurückgreifen können, die die höheren Weihen nicht erhalten hatten.

Als ein Seitenzweig ausstarb, veranlasste die Familie Pietro di Agapito, ins weltliche Leben zurückzukehren und zu heiraten. Pietro konnte sich nur schwer mit dem Verlust seiner kirchlichen Dignitäten abfinden. Immerhin hatte er ein Dutzend Pfründen kumuliert; das war im Verhältnis zu den 400 Klerikerstellen des Kardinals Pietro nicht viel, aber es kam weniger auf die Menge als auf die Dotierung an, und da schnitt der jüngere Pietro nicht schlecht ab. 1338 wurde Agapitos Sohn in Rom zum ersten Mal zum Senator bestellt, doch erlitt er vor Ende seiner Amtszeit den Sturz durch einen Volksaufstand. Auch sonst hatte Pietro als Laie wenig Glück. Seine Heirat mit Francesca von Ceccano war überschattet von einer zu engen Verwandtschaft im vierten Grad, so dass der Papst erst eine Ausnahmegenehmigung erteilen musste; trotzdem zögerte Pietro den Eheschluss mindestens bis 1344 hinaus, um weiter über seine ertragreichsten Kirchenstellen zu verfügen. Das Kanonikat in Lüttich sowie eine Pfründe in der flandrischen Abtei Meeffe sollte der Papst seinem Wunsch gemäß an einen seiner entfernteren Verwandten namens Niccolò Capocci weitergeben.

Tatsächlich war Niccolò auch Familiar, also Hausgenosse und Vertrauter beider Kardinäle Colonna gewesen und hatte als päpstlicher Kaplan Zug um Zug seine eigene Klerikerkarriere an der Kurie gefördert. Dagegen gönnte Pietro seinem leiblichen Sohn, dem Bastard Palutius, nur wenig Aufmerksamkeit und begnügte sich damit, ihn im Haushalt eines anderen Colonna versorgt zu wissen. Die Ehe mit Francesca scheint dagegen kinderlos und unerfreulich gewesen zu sein; als Pietro di Agapito 1346 2000 Gulden Schulden hatte, ließen seine Frau und sein Schwiegervater bei ihm durch einen Kaufmann sogar ihre Außenstände eintreiben. Affektive Bindungen an Pietro machte aber das Testament eines anderen Colonna-Protegés deutlich; der aus altrömischem Adel stammende Cristiano Tedallini hinterließ ihm mit Wams und Strickjacke fast schon intime Kleidungsstücke.

Pietro indessen war nicht verarmt, sondern hatte die Erträge seiner Pfründen in Burgen und anderen Herrschaften gut angelegt. Als er 1344 sein Testament machte, reservierte er exorbitante Summen für die Kirchen, die ihn gefördert hatten; so sollte die Propstei in Marseille zwischen 14 000 und 30 000 Gulden "als Rückgabe für die erzielten Erträge erhalten", und zwar "zum Gottesdienst auf ewige Zeiten". Keineswegs fehlte es Pietro also an Frömmigkeit, und so wichtig ihm die Sicherung des Familienbesitzes erscheinen musste, wollte und konnte er darüber doch die Gebetsfürsorge für sein eigenes Seelenheil durch frühere Mitbrüder nicht vergessen. Zweifelhaft ist allerdings, ob die Testamentsvollstrecker seinen letzen Willen gegen die Interessen der Erben auch durchzusetzen verstanden.

Dabei war Pietro im Kampf für die Adelsherrschaft in Rom gestorben; ein zweites Mal zum Senator gewählt, wurde er 1347 im Aufstand des Volkstribunen Cola di Rienzo gestürzt. Mit dem Tod des Kardinals Pietro im Pestjahr 1348 verloren die Colonna dann auch den wichtigsten Fürsprecher an der Kurie. Einen gewissen Ausgleich brachte 1350 nur der Aufstieg Niccoló Capoccis zum Kardinal, der vom Günstling der Colonna zum Protektor mutierte. Doch das goldene Zeitalter des Geschlechts zwischen Rom und Avignon war vorüber. Gleichwohl hat es später noch Colonna-Kardinäle gegeben, und einer von ihnen wurde 1417 sogar zum Papst gewählt.

Natürlich war die herausragende Stellung der Colonna während des Mittelalters schon immer bekannt, die im römischen Trecento allenfalls von den Orsini übertroffen wurde. Es ist aber das Verdienst von Andreas Rehberg, in einer materialreichen Untersuchung anhand der vatikanischen Brief- und Supplikenregister dem Sozialverband dieser Familie aus baronalem Adel auf die Spur gekommen zu sein. Rehberg folgt dem verflechtungsanalytischen Ansatz von Wolfgang Reinhard und stellt die Patronage- und Klientelverhältnisse im Zusammenhang mit der Pfründenvergabe an der Kurie in den Mittelpunkt seiner Studien. Dabei gelingt es ihm vor allem, die herausragende Rolle der "Familienkardinäle" auf dem kurialen "Pfründenmarkt" (Brigide Schwarz) zu erhellen. Er führt auch den Kreis der Familiaren und Klienten vor. Zu den Familiaren, die an der Tafel der Kardinäle saßen und unter seinem Dach wohnten, in einheitlicher Kleidung außer Haus das Gefolge der Kirchenfürsten bildeten und je besondere Funktionen als Schreiber, Arzt, Notar oder Bote ausüben konnten, gehörte bekanntlich ein Dichter wie Petrarca oder auch sein Freund "Socrates", der deutsche Musiker Ludwig von Beringen. Die große Schar der Klienten hielt sich hingegen nicht dauernd in der Umgebung der Kardinäle in Avignon auf.

Rehberg kann die komplizierten Wechselbeziehungen der verschiedenen Personengruppen über das ganze vierzehnte Jahrhundert hin aufhellen, auch wenn seine Darstellung nur selten anschaulich wird oder gar als Erzählung zu fesseln vermag. Teilweise liegt das zweifellos am Quellenmaterial, teilweise aber auch am gewählten Ausschnitt des geschichtlichen Zusammenhangs und an der Arbeitsmethode. Im Unterschied zu vergleichbaren neueren Studien hat sich der Autor nämlich auf die Strukturen der Patronage konzentriert und weniger nach dem Erfolg der päpstlichen Pfründenverleihungen vor Ort gefragt; dabei war mit der "Provision" einer kirchlichen Stelle noch keineswegs gewährleistet, dass der Petent auch tatsächlich in deren Genuss gelangte. Setzt man aber beim Wechselspiel zwischen der kurialen Anweisung und den lokalen, oft widerständigen Kräften an, dann wird Geschichte natürlich konkreter oder alltagsnäher. Bezeichnenderweise schenkt der Autor dem sozialhistorischen Kontext seiner Befunde nur wenig Aufmerksamkeit.

Offenbar war ja der Sozialverband der Colonna mit dem Geflecht der Patronagebeziehungen noch nicht identisch, aber selten wird diese Differenz von Rehberg überhaupt einmal angedeutet. Demgegenüber muss man festhalten, dass er schon vom Bereich der Kirchenpfründen nur das kuriale Segment erfasst hat, ohne die direkt vergebenen Stellen und die Klosterpolitik der Colonna oder gar die weltliche Seite das Sozialverbandes umfassend zu analysieren. Die politische Bedeutung des Klientelverbandes verdeutlicht der Autor nur einmal an der Verteilung der Colonna- und Orsini-Getreuen auf die Siedlungskerne von Rom im Zusammenhang mit dem Aufstand Cola di Rienzos. Ansonsten beschränkte sich Rehberg allzu oft darauf, von "Einflüssen" zu sprechen, wenn von der Bedeutung der Patronagebeziehungen die Rede sein sollte, und unglücklich hat er ohne Rückgriff auf theoretisch elaborierte Konzepte mit dem amorphen Begriff der "Macht" schon im Titel kennzeichnen wollen, worauf es ihm angekommen ist.

Keineswegs soll der beeindruckende Fleiß Rehbergs hier geschmälert werden, der der Spezialforschung zur römischen Kirchengeschichte des Spätmittelalters ein Standardwerk geliefert hat. Aber man muss auch darauf bestehen, dass die Frage nach dem Erkenntniswert historischer Forschung immer wieder kritisch und selbstkritisch aufgeworfen wird. Weshalb also verschafften die Colonna ihren eigenen Verwandten, ihren Freunden und Getreuen unentwegt Pfründen und andere finanziell nutzbare Rechte? Reicht hier der Hinweis auf Besitzgier und "Macht", wenn doch ein Kardinal wie Jacopo der franziskanischen Armutsbewegung zuneigte und offenbar größte Skrupel beim Pfründensammeln empfand? Man hat vorgeschlagen, die "Versorgungsfunktion" von der "Herrschaftsfunktion" derartiger Rechte zu unterscheiden, vor allem aber darauf hingewiesen, dass in der Vormoderne adelige Selbstdarstellung und die ethische Pflicht zur Verwandtensorge den später erst diffamierten "Nepotismus" rechtfertigten. Deshalb wäre aufschlussreich zu wissen, was der Autor des sonst so verdienstvollen Buches über diese Fragen denkt.

MICHAEL BORGOLTE

Andreas Rehberg: "Kirche und Macht im römischen Trecento". Die Colonna und ihre Klientel auf dem kurialen Pfründenmarkt (1278-1378). Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom, Band 88. Max Niemeyer Verlag, Tübingen 1999. X, 658 S., geb., 192,- DM.

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Eine wunderbare Rezension. Zwar beklagt Michael Borgolte in seiner ausführlichen Besprechung höflich wie nebenbei, dass das Buch in der "Darstellung nur selten anschaulich" geschrieben sei, doch von der Rezension kann man das nicht behaupten. Die Schilderung Borgoltes, mit welchen Mitteln sich Pietro di Agapito aus dem Hause der Colonna im 14. Jahrhundert kirchliche Pfründe sicherte, ist kenntnisreich und spannend. Nachdem er den Leser so ermuntert hat, sich für das Buch zu interessieren, lobt Borgolte den "beeindruckenden Fleiß" des Autors und betont, dass dieser "die komplizierten Wechselbeziehungen der verschiedenen Personengruppen" aufgehellt habe. Und doch ist ihm der Blick des Autors auf das vierzehnte Jahrhundert zu beschränkt. Für den sozialhistorischen Kontext interessiere sich Rehberg leider nicht. Die Verteilung von Geschenken an Freunde und Verwandte ist in Borgoltes Augen mit "Besitzgier" oder "Macht" nicht ausreichend erklärt. Immerhin war einer der Colonnas glaubhaft der franziskanischen Armutsbewegung zugeneigt. Borgolte deutet an, dass sich zumindest Adelige der "ethischen Pflicht zur Verwandtensorge" nicht entziehen konnten. Es "wäre aufschlussreich zu wissen, was der Autor des sonst so verdienstvollen Buches über diese Fragen denkt", beklagt sich der Rezensent noch einmal auf das höflichste.

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