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Dieser Band enthält Texte, die der junge Adolph Diesterweg als Gründungsdirektor des evangelischen Lehrerseminars Moers am Niederrhein zwischen 1820 und 1832 schrieb. Briefe, Chroniken, Inspektionsberichte, Bitt- und Protestschreiben bieten ein ungeschminktes Bild von Lehrerbildung und Volksschule in diesen Jahren. Nachdem Preußen seine Niederlage gegen Napoleon in den Befreiungskriegen umgekehrt hatte und auf dem Wiener Kongreß die staatlichen Verhältnisse neu geordnet worden waren, musste das Schulwesen modernisiert werden. Die Impulse der wenige Jahre zuvor verkündeten…mehr

Produktbeschreibung
Dieser Band enthält Texte, die der junge Adolph Diesterweg als Gründungsdirektor des evangelischen Lehrerseminars Moers am Niederrhein zwischen 1820 und 1832 schrieb. Briefe, Chroniken, Inspektionsberichte, Bitt- und Protestschreiben bieten ein ungeschminktes Bild von Lehrerbildung und Volksschule in diesen Jahren. Nachdem Preußen seine Niederlage gegen Napoleon in den Befreiungskriegen umgekehrt hatte und auf dem Wiener Kongreß die staatlichen Verhältnisse neu geordnet worden waren, musste das Schulwesen modernisiert werden. Die Impulse der wenige Jahre zuvor verkündeten Stein-Hardenberg'schen Reformgesetze wirkten in diesem Lebensbereich weiter. Ein von Vorbildern wie Pestalozzi und Wilberg erfüllter, voll neuer Ideen steckender Diesterweg stellte sich diesen Aufgaben, allen Schwierigkeiten zum Trotz. Vor Ort versuchte er, den Reformgeist in die Wirklichkeit umzusetzen, wie sich an anschaulich dokumentierten Beispielen nachlesen lässt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.08.2000

Schutzräume zum Selbstdenken
Diesterweg-Gesamtausgabe der DDR wird endlich fortgesetzt

Friedrich Adolph Wilhelm Diesterweg: Sämtliche Werke. Band 18 und Band 19. Herausgegeben von Gert Geißler, Klaus Goebel, Manfred Heinemann, Ruth Hohendorf, Peter Menck und Horst F. Rupp. Hermann Luchterhand Verlag, Neuwied 1998/1999. 603/600 Seiten, 106,-/105,- Mark.

Diesterweg am Niederrhein: Briefe und Berichte. Herausgeben von Klaus Goebel. Hermann Luchterhand Verlag, Neuwied 2000. 208 Seiten, Abbildungen, 28,- Mark.

Kaum jemand dachte im 19. Jahrhundert so intensiv und ausdauernd über den Zusammenhang von Politik und Pädagogik nach, kaum jemand forderte deshalb so häufig und wortreich die "Verstaatlichung der Schule" wie der Seminarlehrer Diesterweg (1790 bis 1866). Er wollte nicht die Schule den Klauen einer staatlichen Politik ausliefern, wie dies im 20. Jahrhundert geschah. Vielmehr sollte ihr ein Schutzraum zur Verfügung gestellt werden, in den weder die Ansprüche der Kirchen noch der Kommunen und ihrer Honoratioren eindringen konnten - und schon gar nicht die Forderungen der frühindustriellen Arbeitgeber mit ihrer Vorliebe für billige Kinderarbeit.

Die Bestimmung des Allgemeinen Preußischen Landrechts, die Schule sei eine "Veranstaltung des Staates", war für die Volksschulen weitgehend toter Buchstabe geblieben und wurde in mühsamem Ringen erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts durchgesetzt. Allein unter dem Dach des Staates könne die Schule - so Diesterweg - ihre schwierige und widersprüchliche Aufgabe an den Kindern erfüllen, nämlich sie zu beschützen vor allen Zudringlichkeiten unbefugter Interessenten, sie aber zugleich empfänglich zu machen und vorzubereiten auf die "Bedürfnisse der Zeit". Dazu müsse sie die Schüler zum "Selbstdenken" erziehen, auch durch Anschaulichkeit weitere Kräfte der Schüler anregen und sie schließlich zum Handeln und nicht nur zum Lernen bewegen.

Und wenn der Staat selbst - wie nach der gescheiterten Revolution von 1848 geschehen - reaktionär wurde und den schulischen Freiraum mißbrauchte? Darüber wurde Diesterweg zum Politiker, der sich in das Berliner Stadtparlament und in das preußische Abgeordnetenhaus wählen ließ, nicht zuletzt, um für die Schule Liberalität und Selbstverwaltung durchzusetzen, notfalls sogar gegen den Staat.

In der Schule fiel nach den Vorstellungen Diesterwegs die wichtigste Aufgabe den Lehrern zu. Er war zutiefst überzeugt, daß in einer Schule, die nur die Lehrer gestalteten, in der allenfalls die "liebenden Eltern" ein Wörtchen mitzureden hatten, das Vernünftige, also das Gute, Wahre und Schöne, sich fast naturgesetzlich einstellen werde. Doch um diese Aufgabe zu erfüllen, mußten die Lehrer umfassend gebildet, dazu didaktisch und methodisch versiert sein, und sie mußten nicht zuletzt angemessen besoldet werden. Mit Selbstbewußtsein und in materieller Unabhängigkeit sollten sie ihren Beruf ausüben.

Als Seminarlehrer im niederrheinischen Moers und von 1832 bis 1847 in Berlin widmete sich Diesterweg deshalb der Ausbildung der Lehrer, und seine zahllosen Reden und Aufsätze hatten vor allem die Verbesserung der Volksschule und die gesellschaftliche Anerkennung des Lehrerstandes zum Inhalt. Für die Entwicklung von Schule, Lehren und Lehrern ist die Edition seiner "Sämtlichen Werke" deshalb von Bedeutung, wenn auch in seinen oft programmatischen Äußerungen die damalige Schulwirklichkeit nur am Rande erscheint, gedankliche Wiederholungen sich häufen und Diesterweg vieles in heute ungewohnter und ermüdender Ausführlichkeit dargelegt hat.

Für das gesamte Editionsunternehmen sind inzwischen 26 dickleibige Bände geplant. Seit 1954 ist ein Autorenkollektiv in der DDR an der Arbeit, die 1990 "gesamtdeutsch" wurde und von der DFG unterstützt fortgeführt wird. Die Bände 18 und 19 sind die ersten "neuen" Produkte, die aber in angestrebter Ausführlichkeit, genauer Kommentierung und Aufmachung den bis dahin erschienenen 17 "alten" Bänden gleichen. Die Prinzipien der Zuordnung der Texte zu den Bänden jeder Gesamtausgabe sind immer Gegenstand der Kritik, so auch hier. Zum Beispiel ist der berühmte "Schulzucht"-Aufsatz Diesterwegs, der ihm eine Anklage des Elberfelder Bürgermeisters vor dem Landgericht einbrachte (weil er die Elberfelder Schuljugend als frech und schwer erziehbar bezeichnet hatte), im 2. Band der "Sämtlichen Werke" zu finden, die meisten Reaktionen darauf aber im 18. Band. Zusammengehöriges ist hier um der sachlichen Ordnung willen auseinandergerissen worden.

Daß ein "verkürzter" Diesterweg ebenso aufschlußreich sein kann, zudem die damalige Realität von Schule und Seminar-Erziehung der zukünftigen Volksschullehrer genauer wiedergibt und nicht zuletzt lesbarer ist, beweist der von Klaus Goebel herausgegebene Band mit Briefen und Berichten Diesterwegs als Seminarlehrer in Moers. Das vorzüglich gemachte, auch illustrierte Buch läßt fast Zweifel aufkommen, ob denn eine monumentale Ausgabe der "Sämtlichen Werke" Diesterwegs wissenschaftlich notwendig ist. Andererseits erlauben die "Sämtlichen Werke" über alle historische Pädagogik hinaus eine einzigartige Rekonstruktion der geistigen Welt, in der Diesterweg sich bewegte und in die er seine Lehrer-Zöglinge mit hineinnahm.

VOLKMAR WITTMÜTZ

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

In einer Sammelrezension bespricht Volkmar Wittmütz drei Bände mit Schriften des Seminarlehrers Friedrich Adolph Wilhelm Diesterweg (1790 bis 1866). Dabei nutzt der Rezensent die Gelegenheit, an Diesterwegs stetes Eintreten für eine Schule als "Schutzraum", die frei sein muss von Einflussnahme der Kirche, der Kommunen und auch der Wirtschaft, zu erinnern. Darüber hinaus betont Wittmütz Diesterwegs Bemühungen um eine qualifizierte Lehrerausbildung.
1) Friedrich Adolph Wilhelm Diesterweg: "Sämtliche Werke". Band 18 und 19. (Hermann Luchterhand Verlag)
Wittmütz weist darauf hin, dass die Gesamtausgabe bereits 1954 in der DDR begonnen wurde und mit diesen beiden Bänden nun eine Fortsetzung findet. "In angestrebter Ausführlichkeit, genauer Kommentierung und Aufmachung" schließen beide an die bisher erschienenen an, stellt der Rezensent fest. Zwar diagnostiziert Wittmütz zahlreiche Wiederholungen in Diesterwegs Schriften, und manches findet er auch allzu ausführlich dargelegt. Dennoch weiß er die Gesamtausgabe durchaus zu schätzen, insbesondere weil sie eine Vorstellung von der "geistigen Welt" vermittle, von der Diesterweg geprägt war. Allerdings bemängelt der Rezensent bisweilen die Zuordnung mancher Texte. So sei der "Schulzucht"-Aufsatz Diesterwegs, der eine Anklage des Elberfelder Bürgermeisters nach sich zog, im 2. Band dieser Ausgabe abgedruckt, während sich viele der sich darauf beziehenden Reaktionen im 18. Band befinden.
2.) Diesterweg am Niederrhein: Briefe und Berichte (Hermann Luchterhand Verlag)
Kürzer, prägnanter und beinahe "ebenso aufschlussreich" wie die Gesamtausgabe findet Wittmütz diese Textsammlung, die seiner Ansicht nach auch durch die bessere Lesbarkeit besticht. Der Band vermittelt, wie der Rezensent findet, durchaus ein sehr aufschlussreiches Bild von der Schule und der Lehrerausbildung der damaligen Zeit. "Vorzüglich gemacht" findet Wittmütz den Band und weist lobend auf die Illustrationen hin.

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