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»Eine Großstadtjugend, trotzig und traurig, wild, wortgewandt und wahnsinnig komisch.« Jan Brandt
Nini und Jameelah sind Profis im Verdrehen von Buchstaben: Aus Luft wird Lust, aus Nacht nackt; es gibt Lustballons, Nacktschichten und Lustschutzkeller. Und sie sprechen O-Sprache, Geld ist Gold, mit Filter drehen gibt's nicht, nur mit Folter drohen. Sie leben in derselben Siedlung, sind unzertrennlich und fühlen sich mit ihren vierzehn Jahren eigentlich erwachsen. Deshalb kaufen sie sich Ringelstrümpfe, die sie bis zu den Oberschenkeln hochziehen, wenn sie ganz cool und pomade auf die…mehr

Produktbeschreibung
»Eine Großstadtjugend, trotzig und traurig, wild, wortgewandt und wahnsinnig komisch.« Jan Brandt

Nini und Jameelah sind Profis im Verdrehen von Buchstaben: Aus Luft wird Lust, aus Nacht nackt; es gibt Lustballons, Nacktschichten und Lustschutzkeller. Und sie sprechen O-Sprache, Geld ist Gold, mit Filter drehen gibt's nicht, nur mit Folter drohen. Sie leben in derselben Siedlung, sind unzertrennlich und fühlen sich mit ihren vierzehn Jahren eigentlich erwachsen. Deshalb kaufen sie sich Ringelstrümpfe, die sie bis zu den Oberschenkeln hochziehen, wenn sie ganz cool und pomade auf die Kurfürsten gehen, um für das Projekt Entjungferung zu üben. Sie mischen Milch, Mariacron und Maracujasaft zu Tigermilch und streifen durch den Sommer, der ihr letzter gemeinsamer sein könnte. Nini und Jameelah erschaffen sich eine Welt mit eigenen Gesetzen und überziehen den Staub der Straße mit Glamour. Die Innigkeit ihrer Freundschaft ist Familienersatz. Doch dann werden sie Zeuge, wie der Konflikt in der Familie ihres Freundes Amir eskaliert. Und alles droht zu zerbrechen. Stefanie de Velasco hat ein kraftvolles, herzzerreißendes Debüt vorgelegt, dessen hinreißender Sound lange nachhallt.
Autorenporträt
Stefanie de Velasco, geboren 1978 im Rheinland, studierte Europäische Ethnologie und Politikwissenschaft. Sie schreibt regelmäßig für das Berliner Stadtmagazin Zitty, für die FAS und ZEIT Online. 2013 erschien ihr Debütroman 'Tigermilch', der in zahlreiche Sprachen übersetzt und für das Kino verfilmt wurde.
Rezensionen
»Der Roman überzeugt als lebhafte und gut beobachtete Milieustudie, die auch vor dem brisanten Thema ethnischer Rivalitäten nicht zurückschreckt.« Nadine Hemgesberg Die Welt 20130826

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Für Wolfgang Schneider ist dieses Debüt eine "aufgebrezelte Talentprobe". Allerdings scheint er sich durchaus vorstellen zu können, dass Stefanie de Velasco irgendwann mehr zustande bringen wird als diesen Pubertätsroman mit hektischer Problemballung, der den Jugendsprech von Herrndorfs "Tschick" kopiert, ohne allerdings über dessen Gelassenheit zu verfügen. Für Schneider ist das alles viel zu viel. Zu viele weltkennerische Geistesblitze, zu viel krasse Drastik. Ein paar Zwischentöne in der Geschichte um die beiden Berliner Lolitas Nini und Jameelah, in der von Nymphchen-Sex bis Ehrenmord wirklich alles vorkommt, was der Migrantenmilieu-Thriller braucht (oder auch nicht), hätten Schneider milder gestimmt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.08.2013

Die Teenager-Linse
In ihrem Debüt-Roman „Tigermilch“ will Stefanie de Velasco die
Erniedrigten und Beleidigten retten – und gerät dabei ins unfreie Erzählen
VON FELIX STEPHAN
In Tagen des Wahlkampfes strebt alles zur Mitte hin und der geht es dem Vernehmen nach trotz aller Klagen immer noch recht gut. Zum Vergleich braucht man dann allerdings doch wieder die Peripherie: Je schlimmer es an den Rändern zugeht, desto genügsamer gibt sich das Zentrum. Das ist das affirmative Moment, das allen Katastrophenmeldungen unweigerlich innewohnt: In den Nachrichten geschieht Furchtbares, doch solange man sie immerhin noch abschalten kann, befindet man sich auf der richtigen Seite des Bildschirms. Glücklich ist, wer virtualisieren darf.
  Stefanie de Velasco zum Beispiel: In ihrem Debütroman „Tigermilch“ erzählt sie von einem Sommer in einer deutschen Stadt, die sich in einigen Details als Berlin ausweist, aber auch jede andere sein könnte. Die Ich-Erzählerin Nini verbringt die Ferien mit ihrer Freundin Jameehla, die mit ihrer Mutter vor dem Krieg im Irak geflüchtet ist und nun darauf hofft, dass die Aufenthaltsgenehmigung verlängert wird, weil der Krieg im Irak, obwohl von Invasorenseite für beendet erklärt, in vielen Regionen des Landes weiter lodert.
  Ninis Mutter verbringt den größten Teil des Tages kaum ansprechbar auf der Couch, ihr neuer Mann Rainer schiebt Taxi-Nachtschichten und versteckt seine Pornosammlung schlecht und der leibliche Vater simuliert am Telefon ein Funkloch, als die jugendliche Erzählerin nach Jahren den Mut aufbringt, ihn einmal anzurufen. Das Setting ist schnell abgesteckt: hoffnungslose Sozialwohnungstristesse, traurige Randgestalten, die gerade so über den Tag kommen, Fallada-Hinterhöfe.
  In dieser Kulisse machen Nini und Jameehla beharrlich Teenager-Sachen: Sie hängen mit ihren Freunden im Freibad rum, knutschen Lukas und Nico, trinken „Tigermilch“, ihren Beste-Freundinnen-Cocktail aus Maracujasaft, Mariacron und Müllermilch, und sprechen Geheimsprache. Außerdem gehen sie auf der Kurfürstenstraße anschaffen, allerdings eher für den Kitzel als das Geld. Der Handlungslogik des Romans hilft dieser Nebenstrang eher nicht weiter, schließlich es ist das erklärte Ferienprojekt der beiden Freundinnen, sich endlich entjungfern zu lassen, während wir gleichzeitig unentwegt lesen, wie sie mit ihren Freiern auf Rückbänken und in Hotelzimmern schlafen. Blut fließt allerdings erst beim Sex mit dem Richtigen. Vielleicht ist hier die physische Macht der Verdrängung am Werk, das Jungfernhäutchen als Freudsches Kuriosum. So oder so: Es ist alles maximal schäbig, siffig und würdelos, Sex in the Vor-City.
  Nebenbei entfaltet sich die Geschichte der Familie von Tarik und Amir, den bosnischen Muslimen, deren Schwester Jasna sich ausgerechnet mit dem Serben Dragan verlobt. Die Familie versucht die Verbindung zu verhindern, schließlich gipfelt der Konflikt in einem Ehrenmord: Tarik ersticht die Schwester nachts auf einem Spielplatz. Eigentlich ist sie auch gar nicht die richtige Schwester, sie hat einen anderen Vater: „Ist im Krieg passiert.“
  De Velasco versammelt in ihrem Roman das gesamte Personal der Abendnachrichten der Nuller-Jahre: Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina, Serbien und dem Irak, die neue Klasse der „Working Poor“, die aus den Hartz-IV-Reformen hervorgegangen ist, beinamputierte deutsche Afghanistan-Soldaten, die für hundert Euro 15-jährige Freizeitprostituierte aufs Zimmer nehmen. Sie alle treffen in den Wohnbatterien deutscher Vorstädte aufeinander, traumatisiert, hoffnungslos und überfordert. Und selbstverständlich kann es nie genug Romane geben, die diesen Kosmos der Ausgeblendeten ausleuchten und den Finger dahin legen, wo es schon nicht einmal mehr wehtut, weil die Mittelschicht gelernt hat, mit der Vokabel „Kollateralschaden“ umzugehen.
  Dass der Roman jedoch alle diese Verhältnisse durch die Linse eines verliebten Teenagers in den Sommerferien exemplifizieren möchte, ist seine größte Schwäche. Man kennt die verhängnisvolle Erzählsituation, die auch diesen Roman belastet, vor allem aus den Drehbuchwerkstätten des öffentlich-rechtlichen Fernsehens: Ein soziales Problem wird anhand von Figuren, Dialogen, moralischen Konflikten und Handlungskonstellationen narrativ erlebbar gemacht und am Ende gibt es eine Message. Das erste Opfer dieser Erzählform ist das Erzählen selbst, denn es wird ihm das Vertrauen entzogen: Weil die reine Mimesis missverständlich sein könnte, wird der Sachverhalt im Erzählen volksdidaktisch vereindeutigt. Das Erzählen wird dadurch unfrei.
  Auch „Tigermilch“ leidet an dieser Unfreiheit: Durch den ausgestellten Wertrelativismus des naiven Teenagers, der die Vorgänge nicht einordnen kann, sondern allein auf sein eigenes diffuses Gerechtigkeitsgefühl angewiesen ist, schimmert in jeder Zeile ein sozialalarmistischer Empörungsgestus, der den Roman seiner poetischen Kraft beraubt. Vorgänger wie „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ von Christiane F., „Trainspotting“ von Irvine Welsh, Hauptmanns Sozialdramen oder gar Hamsuns „Hunger“ schöpften ihre moralische Autorität jedoch gerade aus der unschuldigen Gefühlsgenauigkeit, mit der sie auf ihre Charaktere blickten. Diese Gefühlsgenauigkeit mag hier angezielt sein, erreicht wird sie nicht. In „Tigermilch“ stehen die Figuren stellvertretend für soziale Schieflagen und bleiben zwangsläufig blass. Die Wahrnehmungswelt der Ich-Erzählerin verdichtet die Schicksale der Schutzlosen, Vergessenen, der metaphorisch oder konkret Amputierten so grell und so wenig ambivalent, dass die Erzählung zu einer kraftlosen Politdiagnose herabsinkt.
Stefanie de Velasco: Tigermilch. Roman. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2013. 288 Seiten, 16,99 Euro.
In diesem Roman ist das gesamte
Personal der Abendnachrichten
der Nullerjahre versammelt
Berliner Göre 2.0, hier in einer „Axolotl“-Aufführung des Thalia Theaters Hamburg.
FOTO: DAVID BALTZER
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.10.2013

Das wird einmal ein schöner Tag gewesen sein

Zwei vierzehnjährige Mädchen, die das echte Leben suchen, und eine Erzählerin, die einen wunderbaren Ton dafür findet: Stefanie de Velascos Roman "Tigermilch"

Für Mädchen" steht auf der ersten Seite. Oben mittig, in kleinen zarten Buchstaben. Mehr nicht, darunter nur weiße Fläche. Als reichte das schon, als brauchte man sonst nichts zu wissen. Ist das eine Widmung, eine Warnung? Eine Leserbeschränkung? Ein feministischer Appell? Erst mal lesen, dann grübeln! Zwei Vierzehnjährige ohne Väter, der eine im Irak erschossen, der andere viel zu früh abgehauen. Nini heißt die eine, die erzählt, Jameelah, die andere, die immer und überall dabei ist. Zwei beste Freundinnen und ein Sommer. Ein Sommer in Berlin. Aber das ist gar nicht wichtig, es könnte genauso gut Mannheim oder Düsseldorf sein.

Ihre Zeit verbringen die beiden meist draußen, rauchen in der Fußgängerzone, wo sich Trostlosigkeit und Billigketten-Neon Gute Nacht sagen, oder mixen aus Müllermilch, Maracujasaft und Mariacron ihren "Tigermilch"-Cocktail. Sie lutschen Rumcremeriesen und sprechen die O-Sprache, sagen kross statt krass, Brotwurst statt Bratwurst und Sorbe statt Serbe. Manchmal klauen sie Ohrringe oder lassen sich von den Irren unter der Brücke die Fingernägel schneiden. Sie sind "cool und pomade" und hauen ihre lehmigen Chucks auf den S-Bahn-Sitz, bis die Rentner keifen kommen. Ihre Lieblingsorte sind die Telefonzelle, das Freibad und der Spielplatz.

Es ist der Moment kurz vor dem Absprung. Noch steckt ihnen die Kindheit in den Knochen, noch ist Erwachsensein auf der anderen Seite der Schlucht. Aber Hand in Hand haben sie schon Anlauf genommen, jetzt gilt es nur noch, weit genug zu springen. Geübt haben sie dafür lange genug. Haben sich im Kaufhaus von der Verkäuferin siezen lassen, sind nachts mit dem BMX-Fahrrad über die Autobahn gerast und haben die Ringelstrümpfe bis an den Po hochgezogen. Manchmal, wenn sie ganz betrunken waren, haben sie sich auch auf die Kurfürstenstraße gestellt und mit fremden Männern durchs Autofenster geredet. Und ein paar Mal sind sie auch eingestiegen, wenn die Typen einigermaßen "süß" waren, haben sich das Kondom mit dem Zipfel nach innen in den Mund gesteckt und losgelutscht, aber nur um zu lernen, nicht um zu liefern: "Zuerst schneidet man Frösche auf, dann Tote und erst am Ende richtig lebende Menschen, so macht man das im Studium. Wir müssen üben, für später, für das echte Leben, irgendwann mal müssen wir ja wissen, wie alles geht."

Aber jetzt ist Schluss mit Üben. Jetzt, in diesen Sommerferien, soll es endlich richtig losgehen. Der letzte Schultag ist zu Ende, das erste Mal kann kommen. Nini träumt davon, dass dabei alles nach "Weleda" riecht. Sie tanzt, knutscht, macht "pornomäßig" rum, aber zum Letzten reicht es dann doch nie, stattdessen Absturz, Schnarchkonzert und Heulen auf dem Klodeckel. Also wieder zur Kurfürsten. Zweihundert Euro, ein Typ im Rollstuhl, Nini setzt sich einfach auf ihn drauf, Augen zu und los!

Nüchtern, behutsam, ohne viele Wortgirlanden beschreibt die junge Autorin Stefanie de Velasco den Erfahrungshunger von zwei Mädchen, die losziehen, das echte Leben zu finden. Wo es brodelt und wummert, wo die Straßenlichter niemals ausgehen und die Mojitoreste auf den Boden klatschen. Velasco geht rauh um mit ihren minderjährigen Protagonistinnen, stellt sie nicht unter Welpenschutz. Und doch gibt es immer wieder berührende und zarte Momente, wenn sie beschreibt, wie Nini mit zitternder Stimme nach langen Jahren das erste Mal ihren Vater anruft, stockend und Worte suchend, und kaum hat sie sich ihm dann vorgestellt, kommt ein Funkloch, und Papa ist wieder weg: "auflegen, das ist doch auch jedes Mal ein bisschen so wie sterben, auflegen ist der kleine Tod". Empfindsamkeit hätte man das früher im Deutschunterricht wohl genannt. An anderer Stelle heißt es vom Erwachsenwerden, das sei der Moment, "in dem einen das erste Mal die Angst beschleicht vorm Kinderkriegen und vorm Einsambleiben, vorm Altwerden und vorm Zu-früh-Sterben". Auch das sitzt. Berührt. Die Tiefe kommt bei Velasco ganz nebenbei, ohne sich vorher anzukündigen. Das macht das Buch so anziehend und liebenswert.

Nini und Jameelah haben also den großen Sprung gemacht, das "erste Mal" ist Geschichte. Und nun? Geht jetzt alles von selbst? Dass zum Erwachsenwerden viel mehr gehört, als sich einmal kurz entjungfern zu lassen, dass Kindheit nicht nur Zwang und Widerwillen, sondern auch Schutz bedeutet, das erfahren die beiden in einer Spätsommernacht auf dem Spielplatz. Da werden sie Zeuge, wie Tarik, der junge Bosnier aus dem Nachbarhaus, im Streit seine Schwester ersticht. "Ehrenmord wie im Mittelalter" steht am nächsten Tag in der Zeitung, und Nini fragt entsetzt: "Wieso hat uns nie jemand gesagt, dass das hier passieren kann?"

Auf einmal schmeckt das Erwachsensein ziemlich bitter. Die Polizei verhaftet den falschen Bruder, aber Jameelah hat Angst, eine Aussage zu machen, weil die Aufenthaltsgenehmigung ihrer Mutter bald abläuft. "Ich will nicht wieder zurück dahin, wo man die Häuser noch aus Kamelscheiße baut", flüstert sie und verbietet Nini, zur Polizei zu gehen. Dass über diesem Gewissenskonflikt die Freundschaft der beiden in die Brüche geht, dass die eine auf einmal einen Freund hat und die andere am Ende wegmuss, dass all das Leiden zum Erwachsensein dazugehört, werden die beiden erst viel später verstehen. Aber dann ist es zu spät. Dann ist die "Tigermilch" längst ausgetrunken und das Eben zum Damals geworden, "als wir noch dachten, dass niemals etwas schiefgehen wird, dass nichts passieren kann, solange wir nicht alleine gehen, nirgendwohin allein".

"Tigermilch" ist das Debüt der 1978 in Oberhausen geborenen Autorin. Es ist ein Buch so frei von Attitüde oder Geltungsdrang, dass man sich mit jeder Seite ein bisschen mehr in die Erzählstimme verliebt und am Ende traurig ist, dass sie unversehens abbricht. Stefanie de Velasco erzählt auf wunderbar einfache Weise vom Allerschwersten: vom Finden und Verlieren, vom Liebenlernen und Zeitverstehen. Es geht nicht um Kampf, nicht um Revolution, ihr Buch ist kein "Generationen-", nicht mal einfach nur ein "Coming of Age"- Roman. Es ist mehr als alle Labels zusammen. Und doch keine Provokation, hier wird nicht groß aufgetrumpft. Keine Superlative sind notwendig, keine Trompetentöne. Einfühlsam schreibt sie, nicht eindringend. Das liest sich manchmal wie dahergesagt, den einen oder anderen Jugendslang muss man im "Urban Dictionary" nachschlagen, aber ohne Zweifel schreibt hier eine Autorin mit scharfem Sinn für Sprache, eine, die die Worte ganz genau nach ihren brüchigen Stellen abklopft. Da gibt es zum Beispiel diesen immer wiederkehrenden Satz, von "Gottes Welt, die verfault ist". Mehr braucht Velasco nicht, um Traurigkeit und Weltschmerz den richtigen Namen zu geben.

Wenn man "Tigermilch" genau liest, die Sätze und Szenen ganz nah an sich heranlässt, dann findet man sogar ein bisschen Beckettsche Melancholie zwischen den Zeilen: "Es wird ein schöner Tag gewesen sein", heißt es in den "Glücklichen Tagen"; "irgendwann werden die Menschen über all das, was sie am glücklichsten gemacht hat, am meisten weinen", sagt Jameelah und nimmt einen großen Schluck aus dem Müllermilchbecher.

SIMON STRAUSS

Stefanie de Velasco: "Tigermilch". Roman. Kiepenheuer & Witsch, 288 Seiten, 16,99 Euro

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