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Ein Aufstand, der die Welt verändern kann
Ist der »arabische Frühling« schon vorbei? Werden in Tunesien, Ägypten oder Libyen nur die Machteliten ausgetauscht? Oder kann eine islamische Demokratie erkämpft werden? Und was bedeutet dieses geschichtliche Novum für den Westen? Marcel Pott schildert einen Aufstand, der das Zeug hat, die Welt zu verändern.
Gewaltige Protestwellen quer durch die arabische Welt haben Diktatoren in Tunesien und Ägypten hinweggefegt und zahlreiche feudale Herrschaftssysteme bis in die Grundfesten erschüttert. Der Sieg der libyschen Revolution und die todesmutigen
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Produktbeschreibung
Ein Aufstand, der die Welt verändern kann

Ist der »arabische Frühling« schon vorbei? Werden in Tunesien, Ägypten oder Libyen nur die Machteliten ausgetauscht? Oder kann eine islamische Demokratie erkämpft werden? Und was bedeutet dieses geschichtliche Novum für den Westen? Marcel Pott schildert einen Aufstand, der das Zeug hat, die Welt zu verändern.

Gewaltige Protestwellen quer durch die arabische Welt haben Diktatoren in Tunesien und Ägypten hinweggefegt und zahlreiche feudale Herrschaftssysteme bis in die Grundfesten erschüttert. Der Sieg der libyschen Revolution und die todesmutigen Protestmärsche gegen das Assad-Regime in Syrien zeigen, dass die Volksaufstände und Demonstrationen weiterhin eine Quelle der Hoffnung für alle Araber vom Atlantik bis zum Indischen Ozean sind. Doch wird die als »Revolution der Facebook-Generation« gestartete Massenbewegung der arabischen Welt tatsächlich eine bessere Zukunft bescheren? Das verlangt grundlegende Umwälzungen in Staat,Wirtschaft und Gesellschaft. Es ist ein steiniger Weg, der viele Opfer kostet. Ökonomisch muss sich vieles ändern, wenn die jungen Reformer Arbeit finden sollen. Schon proben die noch herrschenden Eliten die »Konterrevolution«. Sie klammern sich mit Zähnen und Klauen an ihre Fleischtöpfe und verschärfen so die Probleme in der postrevolutionären Übergangsphase. Was macht der Westen angesichts der Umwälzungen in der Region? Hat er eine Strategie, wenn islamische Demokraten in Ägypten, Tunesien, Libyen oder Syrien an die Macht gewählt werden?
Autorenporträt
Marcel Pott, Jahrgang 1946, studierte Geschichte, Politik, und Rechtswissenschaft. Nach einem Praktikum beim UN-Generalsekretariat in New York praktizierte er als Anwalt in Paris und Köln. 1983-1992 war er Leiter des ARD-Hörfunkstudios in Beirut und Amman, 1992-1997 leitender Redakteur im ARD-Fernsehstudio Bonn. Neben seiner Berichterstattung für Hörfunk und Fernsehen schrieb er regelmäßig für Die Zeit, Die Weltwoche sowie für eine Reihe von deutschen und Schweizer Tageszeitungen.Buchveröffentlichungen: Beirut - Zwischen Kreuz und Koran, 1985. Allahs falsche Propheten, 1999. Der Nahost-Konflikt. Schuld und Sühne im gelobten Land - Israels Sonderrolle im Schutz der westlichen Welt, 2002/2004.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.10.2012

Der Vorhang ist auf, das Ende offen

Nahost-Korrespondent Marcel Pott erkundet den langen Weg von der Selbsterforschung der arabischen Völker zu einer "islamischen Demokratie".

Von Wolfgang Günter Lerch

Marcel Pott ist ein alter Fahrensmann unter den deutschen Nahost-Korrespondenten. Deshalb hat er sich etwas mehr Zeit gelassen für sein Buch über den "arabischen Frühling" als manche, deren Schnellschüsse schon längst Opfer der sich überstürzenden Ereignisse geworden sind - etwa in Syrien. Viele Jahre hat Pott aus Beirut und Amman berichtet, sein Libanon-Buch aus dieser Zeit ist eines der besten über den Bürgerkrieg in diesem kleinen, faszinierenden, doch oft auch so unglücklichen Land.

In seinem jüngsten Buch gilt Potts Neugier der neuerlichen Suche der Araber nach ihrer Identität oder - wie es der Titel viel tiefer und treffender ausdrückt - dem Kampf um ihre Seele. Folgerichtig beginnt der Autor mit Ägypten, obwohl der "arabische Frühling" im Dezember 2010 in Tunesien begann. Doch in Ägypten, da ist dem Verfasser durchaus zuzustimmen, wird sich zu großen Teilen entscheiden, wohin die Reise der arabischen Völker in der Zukunft geht. Mehr als die Hälfte seines Werks widmet Pott denn auch dem Land am Nil, in dem mit 85 Millionen Menschen allein ein Drittel aller Araber lebt. Und mit der al-Azhar-Moschee und Universität beherbergt das Land die für die Mehrzahl der Muslime autoritative Institution des Islams. Darüber hinaus ist Ägypten das Ursprungsland der Muslimbruderschaft, deren islamistischer Einfluss weithin ausstrahlt in andere Länder, obzwar es eine islamistische Internationale nicht gibt.

Pott lässt - besonders im Ägypten-Teil - die Beteiligten häufig selbst zu Wort kommen: Säkulare und Religiöse, Anhänger der Muslimbruderschaft, Aktivisten der ersten Stunde, als die Protestbewegung den mittlerweile legendär gewordenen Tahrir-Platz zum Zentrum der Revolution machte, Angehörige des gehobenen Bürgertums, Unternehmer, Journalisten und auch ärmere Leute, die besonders stark den Islamisten zuneigen. Diese waren die Einzigen, die sich bisher um sie kümmerten, während der Staat versagte. Überrascht wurden viele bei den Wahlen durch das gute Ergebnis der Salafisten. Keine Frage: Ägypten ist ein Land der Frommen; dies hatte der Westen niemals verstanden. Und auch die säkularen Ägypter sehen sich als gute Muslime, sind weit entfernt davon, ihre Religion auf dem Altar des Fortschritts zu opfern. Das wird auch die künftige neue Ordnung - wie immer sie aussehen mag - zu berücksichtigen haben. Viele Ägypter glauben (oder befürchten), dass das Militär mit seinem "tiefen Staat" noch lange seinen Einfluss zu wahren versuchen wird. Momentan herrscht große Unsicherheit, die Minderheit der säkular Eingestellten, bei den Wahlen unter "ferner liefen" gelandet, hofft darauf, dass die Muslimbrüder bei ausbleibenden Erfolgen künftig entsprechend abgestraft werden. Eine Diversifizierung unter den Islamisten ist nach Pott zu beobachten. Eindrücklich schildert er die Ernüchterung, die eingekehrt ist, auch die Lektüre des Programms der Muslimbrüder stimmt ihn eher skeptisch gegenüber dem "demokratischen Islamismus", wenigstens in Ägypten.

In Tunesien findet ein ähnlicher Kulturkampf zwischen Islamisten und Säkularen statt, freilich in überschaubareren und geordneteren Formen als am Nil. Die Aussichten für die Entwicklung einer demokratischen Zivilgesellschaft stehen dort, wie Pott ausführt, günstiger, nicht zuletzt, weil die regierende islamistische Ennahda-Partei Raschid al Ghanouchis "weiter" sei als die ägyptischen Islamisten. Die Elite ist geprägt vom französischen Säkularismus. Freilich trauen auch in Tunesien viele weltlich denkende Bürger den Islamisten nicht über den Weg. Vor allem viele Frauen - Tunesien hatte vor der Revolution schon das fortschrittlichste Frauenrecht - sind da vorsichtig. Es wird sich zeigen, ob der Islam in der Lage ist, als bloß religiös-kulturelles Gerüst von Werten eine künftige Gesellschaft zu formen oder ob er in alter Scharia-Starre verharrt, wie das die tunesischen Salafisten immer selbstbewusster anstreben. Der moderate Islamismus indessen steht heute zwischen Säkularen und Salafisten, nicht nur in Tunesien.

Nach Ben Alis und Mubaraks Sturz kam es in fast allen arabischen Ländern zu Demonstrationen und Unruhen. Doch nur in Nordafrika kippten die Regime. Östlich von Suez gelang es den konservativen Monarchien (mit der Ausnahme Bahreins), die Bevölkerung mit Geld und kleinen Reförmchen einstweilen ruhigzustellen, Saudi-Arabien gibt da den Ton an. Ihm wäre es am liebsten, die arabischen Monarchien schlössen sich zu einer Föderation zusammen, doch die einzelnen Herrscher sind dazu nicht willens. Riad sähe darin einen "Schutzwall" gegen Veränderungen, es fürchtet inzwischen den moderaten Islamismus der Muslimbrüder, vor allem deren Pragmatismus, ebenso wie die Reformideen weltlicher Denker. Pott wagt hier die Vorhersage, dass es auf die Dauer auch dort ohne Veränderungen nicht abgehen wird. Ein ziemlich düsteres Bild entwirft der Autor von Libyen nach Gaddafi. Stammes- und persönliche Rivalitäten, ideologische Verbohrtheit, Korruption und das Problem der noch nicht vollständig entwaffneten Gruppen (so verschwanden die Gelder Gaddafis, die man zurückgeholt hatte, in dunklen Kanälen) und Grüppchen belasten den Aufbau eines neuen Staatswesens ebenso wie der von Gaddafi herbeigeführte völlige Mangel an politischen Strukturen, auf denen man die Zukunft gestalten kann. Dass die weltlich ausgerichtete Allianz von Mahmud Dschibril die Wahlen gewann, ist ein überraschender Fortschritt dieser Revolution, die immerhin 50 000 Menschenleben gekostet haben soll.

Wie viele Tote der syrische Krieg bis jetzt gefordert hat, weiß niemand, doch ist dieser Konflikt von ungleich härterer Machart als der libysche. Er könnte die gesamte Region in Brand setzen, in Mitleidenschaft zieht er sie schon. Aus Sozialprotesten und Demonstrationen gegen die Übergriffe der Geheimdienste und Sicherheitskräfte in Deraa in Südsyrien wurde ein Bürgerkrieg, der längst auch religiös-konfessionelle Züge trägt: Sunniten gegen Alawiten. Dadurch sind jedoch auch das sunnitische Saudi-Arabien und das schiitische Iran indirekt beteiligt und geben ihrer jeweiligen Gruppe Hilfe und Unterstützung: Riad den Rebellen und Iran dem Regime. Eine Flüchtlingswelle, die schon jetzt kaum zu bewältigen ist, sucht den Libanon, Jordanien und die Türkei heim. Konfrontiert sind jedoch auch Amerika, das Baschar al Assads Sturz wünscht, und Russland, das vor allem auch das Erstarken islamistisch-terroristischer Kräfte, wie Al Qaida, in Syrien fürchtet: Tschetschenien und Sotschi, wo bald Olympische Winterspiele stattfinden werden, sind von der Krisenregion nicht allzu weit entfernt. Sollte das Regime fallen, so wird es Chaos im Lande erzeugen, zitiert Pott einen libanesischen Kenner des Landes. Eine andere Möglichkeit sieht dieser in einer territorialen Aufteilung - ein Gebiet für die Alawiten, eines für die Sunniten, ein anderes für die Drusen. Dass die Kämpfe aufhören werden, ist angesichts der Verbissenheit, mit der gekämpft wird, und dem Unwillen beider Seiten unwahrscheinlich.

Nicht nur am Beispiel Ägyptens, des Jemens und Libyens wird klar: Es wird ein langer, beschwerlicher Weg zur "islamischen Demokratie" sein. Mit Jahrzehnten ist zu rechnen. Und ohne oder gar gegen den Islam wird keiner den Kampf um die Seele Arabiens gewinnen können. Am Ende stellt der Autor die Frage, ob das türkische Modell, wie es von Tayyip Erdogans AKP seit nun mehr als zehn Jahren praktiziert wird, die Lösung sein kann oder ob die Araber einen eigenen Weg finden sollen und werden. Die Antwort bleibt offen, zumal Pott bei dem türkischen Regierungschef Erdogan schon Anzeichen einer gewissen Selbstherrlichkeit ausmacht; und niemand kann verlässlich sagen, was bei der arabischen Selbsterforschung am Ende herauskommt.

Marcel Pott: Der Kampf um die arabische Seele. Der steinige Weg zur islamischen Demokratie.

Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2012. 208 S., 27,50 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Als "klarsichtige, gut verständliche Bestandsaufnahme" lobt der hier rezensierende Michael Lüders das Buch des ARD-Korrespondenten Marcel Pott über die arabischen Revolutionen. Sehr interessant findet Lüders, wie Pott mithilfe der ägyptischen Soziologin Solava Ibrahim nachweisen kann, dass die liberalen Kräfte der Revolution völlig verkannt haben, wie wenig sich die Ägypter für Politik oder Wirtschaft interessieren. Ihre Befragungen in Kairoer Armenvierteln hätten nämlich ergeben, so Lüders, dass vor allem die Religion den Großteil der Bevölkerung interessiert. Nicht einverstanden ist Lüders mit dem kritischem Blick des Autors auf die Muslimbrüder, denen Pott eine "irritierende Totalität" zuschreibt. Lüders meint vielmehr, wenn sie es denn schaffen sollten, Jobs und Perspektiven zu schaffen, hätten sie auch das "Mandat für eine Islamierung der Gesellschaft".

© Perlentaucher Medien GmbH
» Der Kampf um die arabische Seele ist eine klarsichtige, gut verständliche Bestandsaufnahme der arabischen Revolution.« Süddeutsche Zeitung 20121120