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b 'Könnte dem Spektakel nicht hier und da etwas dazwischen kommen, das sich als Kunst herausstellt?' Wilfried Dickhoff s
'Dickhoff denkt in seinen Texten Adornos Verständnis der explosiven negativen Freiheit autonomer avantgardistischer Kunst unter den Bedingungen ihrer Unmöglichkeit weiter. Dabei kommt er zu denen Adornos gleichwertigen Ergebnissen.' Donald Kuspit (zu Dickhoffs Buch 'After Nihilism', Cambridge University Press 2000). Für Charles Baudelaire sollten Texte zur Kunst 'passioniert, parteiisch und politisch' sein. Eine dem entsprechende Kunstkritik hat in Deutschland keine…mehr

Produktbeschreibung
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'Könnte dem Spektakel nicht hier und da etwas dazwischen kommen, das sich als Kunst herausstellt?' Wilfried Dickhoff
s


'Dickhoff denkt in seinen Texten Adornos Verständnis der explosiven negativen Freiheit autonomer avantgardistischer Kunst unter den Bedingungen ihrer Unmöglichkeit weiter. Dabei kommt er zu denen Adornos gleichwertigen Ergebnissen.' Donald Kuspit (zu Dickhoffs Buch 'After Nihilism', Cambridge University Press 2000). Für Charles Baudelaire sollten Texte zur Kunst 'passioniert, parteiisch und politisch' sein. Eine dem entsprechende Kunstkritik hat in Deutschland keine Tradition. Wilfried Dickhoffs Essays gehören zu den wenigen, die diesen Anspruch an Kunstkritik theoretisch fundiert und sprachlich interessant erfüllen. Der polemische und apodiktische Ton, mit dem hier die Kunst auf ihre Verantwortlichkeit, Eigenständigkeit und Widerständigkeit hin überprüft wird, ist einzigartig. Dickhoff verfällt nicht in selbstverliebte Theorie- oder Meinungsbildung, sondern lässt Sprachflüsse immer wieder durch Beschreibungen visueller Eindrücke verunsichern und derart auf der Suche nach einer kritischen Angemessenheit zum Bild reisen. Er gehört zu den wenigen Kritikern und Kuratoren, die ständig das Risiko einer Entscheidung eingehen und damit an dem Entscheidungsprozess darüber, was Kunst sein könnte, aktiv teilnehmen. So hat er sich schon Anfang der achtziger Jahre für Künstler seiner Generation wie Rosemarie Trockel, Albert Oehlen, Cindy Sherman und Martin Kippenberger, Künstler, die heute in aller Munde sind, ausgesprochen. Die Haltung seiner Texte ist nicht nur aus profunder Kenntnis gewonnen, sondern auch aus aktiver Teilnahme an der internationalen Kunstszene. 'Für eine Kunst des Unmöglichen' bietet damit auch Einblicke in das für Außenstehende oft uneinsehbare komplexe Geflecht aus Künstlern, Kritikern, Buch- und Ausstellungsmachern, Galerien, Handel und Museen. Als ob es dennoch möglich wäre: Kunst als Ereignis einer namenlosen Revolte, die sich nicht darin erschöpft, Variationen des global kapitalistischen Spektakels zu liefern, sondern die etwas anderes ankünd igt. So klingen Dickhoffs Texte zur Kunst und darauf insistieren sie auch, angesichts konkreter Arbeiten von mehr als dreißig Künstlern wie Jean Fautrier, Joseph Beuys, Francesco Clemente, Günther Förg, Julian Schnabel, Frances Scholz und Gerhard Richter.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.08.2001

Bei Gott, die Luft wird dünn!
Nichts ist unmöglich: Kunstkritische Schriften von Wilfried Dickhoff

Bei Gott, heißt es in der Kirche, sei nichts unmöglich. In der Kunstkritik, möchte man hinzufügen, auch nicht. Einen eindrucksvollen Beleg dafür bieten die versammelten Schriften von Wilfried Dickhoff, der unter dem sinnigen Titel "Für eine Kunst des Unmöglichen" ein Florilegium unmöglicher, nämlich ungenießbarer Texte an die geneigte Kunstgesellschaft bringen möchte. Weil damit das Urteil unseriöserweise schon zu Beginn der Rezension gefällt ist, erlauben wir uns ausnahmsweise, einen kleinen Einblick in unsere Rezensionspraxis zu geben.

Wir wiegen den extrem schweren, auf Werkdruckpapier produzierten Band in der Hand. Nein, für die erbauliche Lektüre im Ohrensessel ist er nicht geeignet, er erheischt das ehrfürchtige Studium am Tisch. Wir beginnen zu studieren, blättern ein wenig, betrachten die reiche Garnitur mit Schwarzweißabbildungen zeitgenössischer Kunst. Einzelne Fußnoten fallen uns auf. Sie signalisieren uns, daß wir es mit einem gelahrten Autor zu tun haben, der nebst der Begegnung mit manchem Künstler, mancher Künstlerin von Jean Fautrier bis Cindy Sherman auch Benjamin, Adorno, Barthes, Lacan, Derrida, Deleuze, Lévinas, Merleau-Ponty sowie Slavoj Zizek und John Berger sich zugeführt hat.

Wir stolpern sodann, uns willkürlich da und dort festlesend, über einzelne Anmerkungen, etwa diese: "Form möchte ich hier im Unterschied zu Adorno als die objektive Desorganisation eines jeglichen innerhalb eines Kunstwerks Erscheinenden zum unstimmigstimmig Beredten verstanden wissen." Womit die stilistische und intellektuelle Höhenlage des Autors angedeutet wäre.

Leider müssen wir eingestehen, daß für uns hier die Luft dünn wird. Aber wie gesagt, in der Kunstkritik ist, wie bei Gott, nichts unmöglich. A propos Gott: Er kommt in diesem Band auch vor, und zwar auf Seite 33, im Kapitel mit dem entmutigenden Titel "Nirgendwie weiter", das eine "Kleine Gedankeninszenierung zur gegenwärtigen Lage und zukünftigen (Un-)Möglichkeit der Kunst" bietet. Es handelt sich um eine Zitatencollage. Ein Abschnitt, in dem der vielmögende Autor sich gleich selber zitiert, beginnt so: "Ein Tintoretto malt die Erschaffung der Welt gleich einem Langlauf, und Gott selbst im ersten Rang gibt, von rechts nach links, den Start frei. Plötzlich taucht ein Gemälde von Lotto auf, das ebensogut aus dem 19. Jahrhundert sein könnte. Und sicherlich wird diese Deterritorialisierung der Malströme, werden diese schizoiden Fluchtlinien, die am Horizont die Wunschmaschinen erstellen, in Bruchstücken des alten Codes vorgenommen oder aber neuen eingefügt, wie eine reine Axiomatik des Malens zunächst, die die Fluchtbewegungen unterbindet. So wahr ist, daß die Bewegung der Deterritorialisierung nur als Gegenstück zu residualen, artifiziellen oder nachgemachten Territorialitäten erfaßt werden kann."

Auch wir fühlen uns im geistigen Schneetreiben dieser Malströme etwas deterritorialisiert, weswegen wir uns vor der Investition weiterer Lebens- und Lesezeit erst mal ins Inhaltsverzeichnis vertiefen. Dort erfahren wir, daß es dem Autor um "Nicht-Indifferenzen" zu tun ist. Mit Titeln wie "Sei Vorhang und zerreiße dich" (zu Francesco Clemente) soll unsere Neugierde angefacht werden. Leider ist diese inzwischen etwas abgeflaut, obwohl der Klappentext versprach, Wilfried Dickhoff umkreise "Möglichkeiten einer ethischen Fundierung von Kunst". Welches Unterfangen wir durchaus begrüßen würden, wären da nicht diese furchterregenden Sätze im Innern, diese dreiste Einschüchterungsprosa und geistige Hochstapelei, für die der Kunstbetrieb ein dankbarer Abnehmer ist. Daß die Dickhoffschen Elaborate fast durchweg als Künstlerelogen für Kataloge finanzkräftiger Galerien verfaßt worden sind, erklärt manches. Die Gattung ist bekannt dafür, Kunst mit dem Ruch einer für Normalsterbliche unzugänglichen Geistigkeit und Komplexität zu umgeben. Dafür ist Dickhoff mit seinen intelligent verschwurbelten Texten zweifellos der richtige Mann.

Mit gelindem Schrecken stellen wir beim Blick auf die Notiz zum Autor fest, daß dieser "mehr als einhundert Kataloge und Bücher zur Kunst veröffentlichte", das Kunstprojekt "In Between" an der Expo 2000 kuratierte, unter anderem ästhetische Theorie an drei Kunstakademien lehrt sowie die Buchreihe "Kunst Heute" herausgibt. Die Kunst, den Band zu rezensieren, erscheint uns unmöglich.

BARBARA BASTING

Wilfried Dickhoff: "Für eine Kunst des Unmöglichen". Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2001. 457 S., zahlreiche S/W-Abb., br., 49,90 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Barbara Bastings Einblick in ihre Rezensionspraxis, den sie anhand der vorliegenden Neuerscheinung zur Kunstkritik erlaubt, ist nur auf den ersten Blick vergnüglich. Auf den zweiten Blick wird ihre Verzweiflung angesichts der "stilistische(n) und intellektuelle(n) Höhenlage des Autors" nur allzu deutlich. Ein Klima, in dem der Rezensentin die Luft zu dünn wird: "furchterregende Sätze im Innern, (...) dreiste Einschüchterungsprosa und geistige Hochstapelei, für die der Kunstbetrieb ein dankbarer Abnehmer ist." Erschreckend sei, dass der Autor in Kunstkreisen so anerkannt ist und mit so zahlreichen Veröffentlichungen glänze. Der Titel von Wilfried Dickhoffs "versammelte(n)" Schriften "Für eine Kunst des Unmöglichen" sei Programm - wenn auch von Verlag und Autor ungewollt: Nicht nur das Buch, der aufgeblasene Stil, die aufdringliche Gelehrtheit, sondern auch die "Kunst, den Band zu rezensieren, erscheint uns unmöglich."

© Perlentaucher Medien GmbH