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Man kennt sich ja selbst kaum In seinem neuen Roman Lavaters Maske erzählt Jens Sparschuh die Geschichte eines Schriftstellers, der - auch für ihn selbst einigermaßen überraschend - an Lavater, den Freund-Feind Goethes und Begründer der Physiognomie gerät, bei seinen Recherchen über die Maskeraden des Lebens die aberwitzigsten Erfahrungen macht und dabei fast sein Gesicht verliert. Der Ich-Erzähler in Jens Sparschuhs neuem Roman, ein Schriftsteller, wird kalt erwischt: auf die Frage seines Agenten, woran er denn gerade arbeite, fällt ihm die auch für ihn selbst überraschende Antwort ein, er…mehr

Produktbeschreibung
Man kennt sich ja selbst kaum In seinem neuen Roman Lavaters Maske erzählt Jens Sparschuh die Geschichte eines Schriftstellers, der - auch für ihn selbst einigermaßen überraschend - an Lavater, den Freund-Feind Goethes und Begründer der Physiognomie gerät, bei seinen Recherchen über die Maskeraden des Lebens die aberwitzigsten Erfahrungen macht und dabei fast sein Gesicht verliert. Der Ich-Erzähler in Jens Sparschuhs neuem Roman, ein Schriftsteller, wird kalt erwischt: auf die Frage seines Agenten, woran er denn gerade arbeite, fällt ihm die auch für ihn selbst überraschende Antwort ein, er schreibe über Lavater. Eine Notlüge! Als sich dann aber auch noch der Filmtycoon Haffkemeyer für eine Verfilmung interessiert, wird es ernst für Sparschuhs Helden: Er muß nach Zürich, um mehr über Lavater, den berühmten Begründer der physiognomischen Lehre, in Erfahrung zu bringen. Dabei stößt er auf den authentischen Fall von Lavaters Schreiber Enslin, der sich seinerzeit unter mysteriösen Umständen erschossen hatte. Und nun nimmt eine ebenso komische wie doppelbödige Geschichte ihren Lauf: Unser Held arbeitet fieberhaft an seinem Drehbuch, erkundet noch in den aberwitzigsten Situationen die offene Zweierbezichung zwischen äußerem Schein und innerem Unwesen - und er verliert dabei fast sein Gesicht. Jens Sparschuh, spätestens seit dem "Zimmerspringbrunnen" einer Hörspiele und bislang großen Öffentlichkeit bekannt, hat einen neuen, sehr komischen, auf sanfte Weise abgründigen Roman über die Maskeraden des Lebens geschriebenIn seinem neuen Roman "Lavaters Maske" erzählt Jens Sparschuh die Geschichte eines Schriftstellers, der - auch für ihn selbst einigermaßen überraschend - an Lavater, den Freund-Feind Goethes und Begründer der Physiognomie gerät, bei seinen Recherchen über die Maskeraden des Lebens die aberwitzigsten Erfahrungen macht und dabei fast sein Gesicht verliert.
Autorenporträt
Jens Sparschuh, geboren 1955 in Karl-Marx-Stadt, studierte von 1973-1978 Philosophie und Logik in Leningrad. 1983 promovierte er in Berlin, seitdem freiberuflich. Er veröffentlichte eine Vielzahl von Hörspielen und sieben Kinderbücher. Zuletzt erschien "Putz- und Flickstunde" (zus. mit Sten Nadolny), 2009. 1989 erhielt er den Hörspielpreis der Kriegsblinden.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.11.1999

Lippen- und Nasenbekenntnisse
Fast der große Stadtschreiber-Roman: Sparschuh über Lavater

Das muss man sich einmal vorstellen: Da sitzt ein in Maßen erfolgreicher Schriftsteller daheim am Schreibtisch, erhält plötzlich einen Anruf von seinem Agenten und reagiert auf dessen Frage, woran er momentan arbeite, spontan mit der Auskunft: "Über Lavater", obgleich er bis zu diesem Augenblick nicht im Entferntesten an dergleichen gedacht hatte. Den Anlass für den Anruf des Agenten bildet die überraschende Nachricht, dass der berühmte Filmproduzent Haffkemeyer Interesse an einer Zusammenarbeit mit dem Schriftsteller bekundet hat. Und tatsächlich gelingt es dem Agenten, mit nichts anderem als dem Stichwort Lavater in der Hand den Produzenten für das Projekt eines Lavater-Films zu interessieren, worauf prompt die Vorschüsse auf des Dichters Konto einlaufen. Geht es so im deutschen Filmgeschäft zu? In Jens Sparschuhs neuem Roman geht es so zu. Wer bereit ist, sich auf die erzählerische Ausgangssituation einzulassen, hätte damit immerhin eine plausible Erklärung dafür gewonnen, weshalb es um den deutschen Film nicht eben rosig bestellt ist.

Der Dichter, ehedem Germanist, hat die Konsequenzen seiner spontanen Eingebung zu tragen und sich ein Exposé zu dem Film über Johann Kaspar Lavater (1741 bis 1801), den Verfasser der "Physiognomischen Fragmente zur Beförderung der Menschenkenntnis und Menschenliebe", auszudenken. Der Film ist wie keine andere Kunstform von der Wirkung von Gesichtern abhängig und deshalb ein durchaus geeignetes Medium zur künstlerischen Problematisierung der Modelehre des ausgehenden achtzehnten Jahrhunderts von der körperlichen Ausprägung der Seele und einzelner Charakterzüge in den Merkmalen von Gesicht und Schädel: "Wie die Lippe, so der Charakter." Dass diese Lavater'sche Maxime beim Casting eine wesentliche Rolle spielt, werden die Verehrer von Charles Laughton und Klaus Kinski, Marlene Dietrich und Brigitte Bardot gern bestätigen.

Das Problem ist nun freilich ein doppeltes: Zum einen hat der Ich-Erzähler des Romans nicht die geringste Ahnung davon, wie ein halbwegs attraktiver und plausibler Film aussehen könnte, zum anderen denkt der Schriftsteller Jens Sparschuh nicht in Gesichtern. Die Protagonisten dieses Romans bleiben im Wortverstand gesichtslos. Sparschuh führt sie ein wie den Produzenten Haffkemeyer: "Er legte die Hände brav wie ein Erstklässler aufeinander und hielt mir sein offenes Gesicht hin." Es ist dies, da man Weiteres über Haffkemeyers Gesicht nicht erfährt, ein leeres Gesicht. Dieser Roman, dessen zentrales Thema die Physiognomik ist, verzichtet auf die Beschreibung von Gesichtern. Nun könnte man dies für einen postmodernen Trick zur Aushebelung der Physiognomik halten, müsste man nicht Sätze wie den lesen, der uns wehmütig an Lavaters physiognomische Beschreibungseuphorie denken lässt: "Ich hatte bemerkt, dass ihr Lächeln einen Ausdruck angenommen hatte, den gehobene Unterhaltungsschriftsteller für gewöhnlich mit dem nichtssagenden Wort ,vielsagend' bestrafen." Dieser gehobene Unterhaltungsschriftsteller, in dessen Roman die Charaktere so leer bleiben wie die Gesichter, hat sich offenbar an seinem Thema überhoben, so dass ihn der Rezensent für sein Werk mit dem vielsagenden Wort "nichtssagend" zu bestrafen geneigt ist. Auf das, was der Erzähler am Ende des Romans in einer missglückten Festrede als den Ertrag seiner Überlegungen zur Physiognomik formuliert, passt dieses Wort nicht schlecht: "Äußerer Schein und inneres Wesen gehören zwar irgendwie zusammen, doch sie leben, das habe ich inzwischen festgestellt, in einer offenen Zweierbeziehung und . . . - na ja."

Die zähe Geschichte verläuft folgendermaßen: Der Ich-Erzähler arbeitet sich erst einmal gründlich in Leben und Werk Lavaters ein; der Leser hat sich hier auf Lexikonartikel, Exzerpte aus germanistischen Publikationen und einen Lebensabriss Lavaters einzurichten, auf erzählerisch kaum integriertes Bildungsgut mithin. Bei seinen Recherchen stößt der Schriftsteller auf Lavaters Bericht über den Selbstmord seines Schreibers Enslin, und diese geheimnisvolle Geschichte nun wählt er als Aufhänger für seine Exposés zu dem Lavater-Film. Sie werden allesamt von Haffkemeyer abgelehnt: "Mal ganz ehrlich, Ihre Vorschläge sind doch von Mal zu Mal nur immer wirrer, nur immer irrer geworden." Dies ist vollkommen richtig, und der Leser wird nicht umhinkönnen, die Geduld Haffkemeyers mit dem von ihm bezahlten, obgleich im Filmgeschäft völlig unerfahrenen Autor zu bewundern. Es kommt, wie es kommen muss: Das Projekt wird gestrichen.

Da steckt der Erzähler aber schon längst in einer schweren Identitätskrise, aus der er auch durch den Abbruch des Projekts nicht mehr herausfindet. Im Verlauf seiner Recherchen hat er sich mehr und mehr, bis zur Identifikation gesteigert, in den armen Enslin hineingedacht - und zwar in einen Enslin, der, so das letzte der "immer irrer" werdenden Exposés, sich gar nicht umgebracht, sondern in Wahrheit Lavater ermordet hat und an dessen Stelle getreten ist: ein Menetekel für die Physiognomik . . .

Der Ausbruch dieser Identitätskrise wird durch die Lebenssituation des Erzählers nachhaltig begünstigt. Zu Beginn des Romans tritt er das "Wühlischheimer Ehrenstipendium" an, das ihm für seinen Roman "Nomaden des Abschieds" zugesprochen worden war; er fristet also ein mit weitgehender Residenzpflicht verbundenes Stadtschreiberdasein in einem "Nest im ehemaligen Zonenrandgebiet". Aus dieser Existenz, die man mit einigem Recht entfremdet wird nennen dürfen, führen ihn nur gelegentliche Leseund Archivreisen heraus; naturgemäß zerbricht die Beziehung zu der in Berlin gebliebenen Freundin. Jens Sparschuh hätte das Zeug zu dem großen deutschen Stadtschreiber-Roman; was er über das Eremitendasein des Stipendiaten in seiner Burgklause, über die Exerzitien, denen er sich im provinziellen Kulturleben unterziehen muss, und über die Rituale bei Lesungen in Buchhandlungen mitsamt Diskussion und anschließendem geselligen Beisammensein schreibt, ist zum Teil beklemmend komisch.

Diese Notizen aus der kulturellen Provinz, ein nicht selten sich verselbständigender Erzählstrang des Romans, widerlegen im Übrigen aufs Bestimmteste, was Sparschuh den Erzähler zu Beginn des Romans sagen lässt: "dass ich mich, wenn ich über Dinge schrieb, die ich selbst erlebt habe, mitunter furchtbar langweile - da bin ich oft nur ein armseliger Buchhalter. Viel besser ist doch die Beschreibung von Sachen, die ich nicht kenne." Bei den Berichten über Dichterlesungen, denen sehr genau anzumerken ist, wie oft sie der Autor durchlitten hat, langweilt sich der Leser jedenfalls nicht, bei seinen Lavater-Enslin-Imaginationen dagegen durchaus. Am Ende des Romans ist der Erzähler, auch als Opfer des kulturellen Förderungssystems, da angekommen, wo bereits der ihm vorangegegangene Empfänger des Wühlischheimer Ehrenstipendiums, ein Maler, der eine Folge von Selbstportraits zurückgelassen hatte, am Ende seines Aufenthalts angelangt war: "Der Gesichtsausdruck des Malers wurde von Bild zu Bild irrer."

Und dann gibt es in Sparschuhs in viele Episoden zerfallendem Roman, der sich nicht entscheiden kann, ob er nun ein Roman über Lavater und die Physiognomik oder ein Roman über eine schriftstellerische Identitätskrise sein will, noch die Geschichte von Dr. Magda Szabo, der attraktiven Angestellten eines führenden Personalberatungsbüros. Ihr kommt der Erzähler bei seinen Recherchen in Lavaters Nachlass ins Gehege, weil sie dort gleichzeitig nach der Lavater'schen "Gesichtsformel" sucht, einer Art von physiognomischem Goldenen Schnitt, mit dem sich die Personalberatung im Hinblick auf die Wirkung von Gesichtern perfektionieren ließe: "Jedenfalls, Sie sehen, wie aktuell, wie wichtig, gerade bei der fortschreitenden Visualisierung der modernen Gesellschaft Lavater-Studien sind, auch für Wirtschaft und Politik." Dass sie bei dem Erzähler eine für sie wichtige verschwundene Lavater-Handschrift vermutet, wird zum Anlass für eine kleine Detektiv- und für eine ebenso kleine Liebesgeschichte, die beide ins Leere verlaufen. Geht es so in deutschen Personalberatungsbüros zu? In Jens Sparschuhs neuem Roman geht es jedenfalls so zu. Er liest sich, als hätte Sparschuh auf die Frage eines Anrufers, woran er gerade arbeite, spontan, ohne jemals zuvor daran gedacht zu haben, "Über Lavater" geantwortet und danach diese zufällige Eingebung in die Tat umgesetzt.

ERNST OSTERKAMP.

Jens Sparschuh: "Lavaters Maske". Roman. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 1999. 265 S., geb., 38,- DM.

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Fast scheint es Rainer Moritz leid zu tun, dass er Sparschuhs neuem Roman nicht ebenso viel abgewinnen kann wie seinem früheren Buch "Zimmerspringbrunnen". Moritz betont, dass er Sparschuh für einen klugen Autor hält und vermutet, dass es der Produktionsdruck gewesen sei, der ihn hier letztlich habe scheitern lassen. Zwar findet Moritz "Lavaters Maske" durchaus amüsant, Amusement reiche allerdings nicht aus. Ihn stört das Sammelsurium an "blinden Motiven, von flüchtig hingeworfenen Episoden und routiniert vorgetragenen Versatzstücken". Ausserdem beklagt Moritz an dieser Stelle die Mode zahlreicher Gegenwartsautoren, Romane über das Schreiben bzw. die Schwierigkeiten damit zu verfassen und vermutet, dass dies oftmals nur eine Ratlosigkeit kaschieren soll.

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