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Dichtung und Wahrheit, Leben und Werk - dem Geständnis des alten Goethe, in seinen Texten sei mehr Leben niedergelegt, als man ihnen gewöhnlich ansehe, geht Christa Bürger in Goethes Eros nach. Sie folgt dem wunderbaren Geflecht von literarischen und realen Figuren, die sich ineinander spiegeln. Es wird sichtbar, was dieses Leben und dieses Werk antreibt: "Goethes Eros".
Christa Bürgers spannende und engagierte Untersuchung zeigt einen Klassiker, der sich von lebenden Personen inspirieren ließ, um seine literarischen Figuren Leben und Liebe einzuhauchen: So bedingen sich die Schwester
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Produktbeschreibung
Dichtung und Wahrheit, Leben und Werk - dem Geständnis des alten Goethe, in seinen Texten sei mehr Leben niedergelegt, als man ihnen gewöhnlich ansehe, geht Christa Bürger in Goethes Eros nach. Sie folgt dem wunderbaren Geflecht von literarischen und realen Figuren, die sich ineinander spiegeln. Es wird sichtbar, was dieses Leben und dieses Werk antreibt: "Goethes Eros".

Christa Bürgers spannende und engagierte Untersuchung zeigt einen Klassiker, der sich von lebenden Personen inspirieren ließ, um seine literarischen Figuren Leben und Liebe einzuhauchen: So bedingen sich die Schwester Cornelia und die weiße Dame, Friederike zeigt sich als Gretchen oder Käthchen, Helena hat Züge von Schwiegertochter Ottilie.Christa Bürger, geboren 1935, war von 1973 bis 1998 Professorin am Institut für deutsche Sprache und Literatur an der Universität Frankfurt.
Autorenporträt
Christa Bürger, geboren 1935, war von 1973 bis 1998 Professorin am Institut für deutsche Sprache und Literatur an der Universität Frankfurt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.01.2009

Abgründiges Liebeswissen

Bettine steht im Vordergrund, Christiane bleibt als "Bettschatz" zu blass: Die Germanistin Christa Bürger erforscht Goethes komplexes Verhältnis zu den Frauen.

Goethes Eros - welch ein Thema! Ein monumentales Lebenswerk und dazu die erdrückende Menge von Ansichten und Deutungen, also die "Goethe-Literatur", fordern Mut, Distanz und vor allem lange Erfahrung im Umgang mit beidem. All das nun darf Christa Bürger durchaus für sich beanspruchen: Von 1973 bis zu ihrer Emeritierung 1998 war sie Professorin für deutsche Literatur in Frankfurt am Main. Das Goethe-Haus allerdings hat sie, wie sie schreibt, während der vielen Jahre an der Goethe-Universität kein einziges Mal betreten. Erst später hat sie ein "warmer Sommertag im Gartensaal" zu diesem Buch inspirierte.

Es ist ein sehr persönliches Buch geworden, aufbauend auf einer Reihe vorausgehender Arbeiten zu Goethe, der im Blick durch ideologiekritische Brillen nicht immer gut wegkam. Um die Theorien ist es stiller geworden, und so ist nun, in der Ungebundenheit eines neuen Lebensabschnitts, für Christa Bürger das Bedürfnis entstanden, mit Goethe ins Reine zu kommen, ihm als Frau gegenüberzutreten und ihn auf seinen Umgang mit ihrem Geschlecht zu prüfen.

Man erschrickt zunächst über ihre Ankündigung, sie wolle "Literatur in Leben zurückschreiben" und "Dichtung und Leben ineinanderspiegeln". Gerade dies war ja lange Zeit von populärer Goethe-Exegese bis zum Übermaß getrieben worden, wenn hinter jeder Verszeile, jeder Dramen- oder Romangestalt die "wirklichen" Personen gesucht wurden. Das zum Glück ist Bürgers Anliegen nicht. Ihr ist es vielmehr um Diffizileres zu tun. Künstlerisches Gestalten - das ist ihre These - schafft eine eigene Wirklichkeit, die von der Realität des Lebens entfremdet, was anderen gegenüber oft Ungerechtigkeit und Verrat bedeutet, vom Dichter selbst aber Entsagung verlangt. Um "das Leben in Literatur verwandeln zu können", kann man es nicht zugleich ausleben.

Bürger stellt "Dichtung und Wahrheit", also Goethes Autobiographie, in den Mittelpunkt und setzt sie in Beziehung zu Briefen, aber auch zu einer Reihe literarischer Werke. Sie zitiert viel und umfangreich, vor allem natürlich aus Goethes Werk. Aber indem sie die Zitate in das Gefüge ihres Nachdenkens und ihrer Kommentare einbettet, lehrt sie zugleich, Goethe mit der Lupe zu lesen. So erscheint manch Bekanntes und Bekanntestes neu.

Das Buch beginnt mit Betrachtungen zu Goethes schwierigem Verhältnis zu seiner Schwester Cornelia und führt dann weiter zu anderen Frauen in Leben und Werk, so zu den diversen Charlotten in Wetzlar und Weimar, im "Werther" und den "Wahlverwandtschaften". Romanfiguren im "Wilhelm Meister" werden durchleuchtet und ebenso die Schwiegertochter, die am Frauenplan schaltete, waltete und liebte. Am auffälligsten tritt Bettine von Arnim hervor und macht zuweilen Goethe selbst zur Nebenfigur. Eine empfindliche Lücke bleibt leider. Lediglich beiläufig wird dreimal "Christiane" erwähnt. Gemeint aber ist Christiane von Goethe, Goethes Lebenspartnerin und spätere Ehefrau, die Mutter seiner Kinder. War sie also - trotz allem, was wir inzwischen an Achtunggebietendem von ihr wissen - irrelevant für Goetheschen Eros und eben nur der "Bettschatz" für Küche, Keller, Kammer, als den sie das engstirnige Weimar einst ansah und Hunderte Goethe-Biographen danach? Hätte sie nicht wenigstens in diesem von einer Frau um der Frauen willen geschriebenen Buch die Würde ihres vollen Namens verdient?

Für die persönliche, unprofessorale Annäherung an Goethe hat sich Christa Bürger selbst in mehrfacher Form in dieses Buch eingebracht, als eine ichsagende Autorin und in der dritten Person als "die Leserin". Wohl an die hundertmal erfahren wir, dass die Leserin sich erinnert, hin und her geht, zurückblättert, Bücher holt, beiseiteschiebt, sich etwas fragt, während sie liest oder ihr Walter Benjamin einfällt. Für uns, aber ist Christa Bürger nicht "Leserin", sondern eine Schreibende an Schreibtisch oder Computer. Wir glauben ihr also die Erkenntnisprozesse beim Hin-und-her-Laufen einfach nicht, einmal des irreführenden Präsens wegen, letztlich aber vor allem, weil uns ihre Gedanken und Argumente wichtiger sind als deren zufälliger Entstehungsvorgang. Ob sie will oder nicht - sie ist Wissenschaftlerin, nicht Erzählerin. Und da gibt es subtilere Mittel, seine Anwesenheit als Autor dem Publikum bemerkbar zu machen, als dauernd auf sich selbst zu verweisen.

Und Goethes Eros also? War Goethe wirklich ein zur Liebe Begeisternder, der selbst die Liebe nicht hatte, weil sie aufgesogen war vom Schreiben? Dass Bürger diese Frage stellt, sie provozierend stellt, ist das Verdienst dieses Buches. Wer einmal das Privileg hatte, in Goethes Bibliothek am Frauenplan jenes Exemplar des "Divan" von Hafis in der Hand zu halten, das die Geheimcodes enthielt für das intime Gespräch mit Marianne von Willemer, mag anderer Meinung sein als Christa Bürger, aber ist ihr doch dankbar zugleich für die anspruchsvolle Suche nach den Quellen, aus denen "sich ein so abgründiges Liebeswissen wie das Goethes speist".

GERHARD SCHULZ

Christa Bürger: "Goethes Eros". Insel Verlag, Frankfurt am Main 2009. 361 S., br., 12,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Das Thema haut den Rezensenten schier von den Socken. Wieviel Mut, Distanz und Erfahrung es braucht, um Goethes Eros zu erkunden, scheint Gerhard Schulz ermessen zu können. Christa Bürger allerdings traut Schulz diesen Kraftakt durchaus zu. Im großen Ganzen wird er nicht enttäuscht. Wie Bürger etwa Goethes Autobiografie zitierfreudig in Beziehung setzt zu seinen Briefen und anderen seiner Werke, hat Schulz manch Bekanntes in neuem Licht sehen lassen. Dabei fällt ihm der persönliche Ansatz auf, mit dem Bürger Goethes Verhältnis zu seiner Schwester oder zu den diversen Charlotten erkundet. Der in immer wieder einfließenden Kommentaren vermittelte Vorgang des Nachdenkens jedoch geht dem Rezensenten irgendwann auf die Nerven. Lieber hält er sich an Argumente, an die Wissenschaftlerin, nicht an die Erzählerin Bürger. Das Buch ist für ihn eine provokante wie anspruchsvolle Quellensuche. Dass Goethes Eros so ganz vom Schreiben absorbiert worden sein soll, muss Schulz ja nicht unbedingt glauben.

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