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2 Kundenbewertungen

Jaffy Brown wächst in ärmlichen Verhältnissen auf: Londons Docklands im Jahr 1857 stinken nach Moder und Unrat, sind bevölkert von Matrosen und Huren. Eines Tages begegnet Jaffy einem aus einer Menagerie entlaufenen Tiger, einem herrlichen Geschöpf auf geschmeidigen Pfoten. Eine Begegnung, die ihn in eine fremde, verheißungsvolle Welt voll exotischer Schönheit, wilder Tiere und wundersamer Geschöpfe versetzt. Und die in Jaffy Sehnsucht nach der Weite des Meeres weckt: Mit seinem besten Freund Tim heuert er auf einem Walfänger an, der sie auf eine abenteuerliche Reise führt, tief hinein in die…mehr

Produktbeschreibung
Jaffy Brown wächst in ärmlichen Verhältnissen auf: Londons Docklands im Jahr 1857 stinken nach Moder und Unrat, sind bevölkert von Matrosen und Huren. Eines Tages begegnet Jaffy einem aus einer Menagerie entlaufenen Tiger, einem herrlichen Geschöpf auf geschmeidigen Pfoten. Eine Begegnung, die ihn in eine fremde, verheißungsvolle Welt voll exotischer Schönheit, wilder Tiere und wundersamer Geschöpfe versetzt. Und die in Jaffy Sehnsucht nach der Weite des Meeres weckt: Mit seinem besten Freund Tim heuert er auf einem Walfänger an, der sie auf eine abenteuerliche Reise führt, tief hinein in die Stürme des Indischen Ozeans. Und schließlich an die Grenzen der Welt und ihres Menschseins. Carol Birch erzählt ihren aufwühlenden Roman mit herausragender Erfindungsgabe, gepaart mit einer leuchtenden sprachlichen Kraft - im Kopf das wogende Meer. Ein Gesang der Geister über den Wassern, von der Verlorenheit auf hoher See und von einer bewegenden Freundschaft, die selbst das Unfassbare überdauert.
Autorenporträt
Birch, Carol§
Carol Birch, geboren 1951, hat bereits mehrere Romane veröffentlicht und wurde unter anderem mit dem David Higham Award ausgezeichnet. Mit Der Atem der Welt stand Birch auf der Shortlist des Man Booker Prize 2011. Birch lebt in Lancaster.
Dormagen, Christel§
Christel Dormagen, geboren 1943 in Hamburg, studierte Anglistik und Germanistik. Sie ist Übersetzerin für angelsächsische Literatur und außerdem als Journalistin für Rundfunk und Printmedien tätig. Christel Dormagen lebt in Berlin.
Rezensionen

buecher-magazin.de - Rezension
buecher-magazin.de

Sebastian Rudolph leiht seine Stimme dem jungen Jaffy Brown, der Ende des 19. Jahrhunderts in der Armut des Londoner Hafens aufwächst. Rudolph ist Jaffy Brown, der seit seiner mutigen Begegnung mit einem entlaufenen Tiger als eine Art begabter Tierflüsterer gilt. Die Raubkatze hat Jaffys Abenteuerlust geweckt und so heuert er - fast noch ein Kind - gemeinsam mit seinem Freund Tim auf einem Schiff an, das aus Indonesien einen Drachen nach England bringen soll.

Carol Birch hat zwei wahre historische Ereignisse kunstvoll zu einer Geschichte verschmolzen: eine Geschichte über die Freundschaft und Konkurrenz zweier Jungen, über die Fährnisse der Natur, den Aberglauben auf hoher See, das Menschsein im Angesicht des Todes und über die Liebe. Es geht um Wagnis und Glück, um Erbarmen und Mitgefühl.

Sebastian Rudolph, festes Ensemblemitglied des Hamburger Thalia Theaters, auch bekannt aus TV- und Kinofilmen (u. a. "Der englische Patient"), sorgt dafür, dass wir als Hörer bei der Drachenjagd im Dschungel und im Sturm auf hoher See die Gefahr spüren. Die Seefahrt führt an die Grenzen der menschlichen Macht und der Humanität. Eine schaurige Erzählung, poetisch und gleichzeitig dramatisch.

© BÜCHERmagazin, Sabine Stamer (sta)

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.09.2012

Das Ende des wilden Lebens

Mit acht Jahren fängt das Leben an: In ihrem Roman "Der Atem der Welt" verarbeitet Carol Birch die wahre Geschichte des kleinen Jungen, der 1850 in London den Angriff eines Tigers überlebte.

Am Anfang ist der Tiger kein Tiger, oder besser, nicht nur ein Tiger. Er ist auch "die Sonne selbst, die vom Himmel herabgestiegen ist", eine "Katze in der Größe eines kleinen Pferds", ein riesiger, samtig golden gemusterter Haufen Gefahr und Anziehungskraft, mit rosa Nüstern, gelben Augen und dicken Schnurrhaaren. Und Zähnen. Der Moment, in dem diese Zähne den acht Jahre alten Jaffy Brown erfassen, der in kindlicher Unbefangenheit das Raubtier nicht analytisch als solches identifiziert (und flieht), es stattdessen sinnlich erspürt (und ihm die Nase streichelt), markiert den Beginn einer Lebensgeschichte: "Ich wurde zweimal geboren", resümiert der Junge, "das erste Mal in einem Zimmer aus Holz, das über das schwarze Wasser der Themse ragte; das zweite Mal acht Jahre später auf dem Ratcliffe Highway, als der Tiger mich in sein Maul nahm und eigentlich alles erst richtig begann."

Tatsächlich machte im Jahr 1857 im Londoner Stadtteil Wapping ein acht Jahre alter Junge Bekanntschaft mit einem bengalischen Tiger. Auf dem Weg zur Menagerie des Tierausstellers Charles Jamrach war er aus seinem Transporter entkommen und hatte auf den Streichelversuch des Jungen wie beschrieben reagiert. Jener Moment ist Teil der Geschichte.

Das, was hier "erst richtig" beginnt, nämlich Jaffy Browns Leben, ist Teil vieler Geschichten, nicht nur der von Carol Birch, sondern auch von Dickens, Melville, Stevenson. Gegen die Kategorie "Historischer Roman" sträubt sich Birchs 2011 für den Man Booker Prize nominierter Roman "Der Atem der Welt" daher, spielt mit literarischen Genres und Traditionen. Jaffy, der dem Rachen der Raubkatze als kleiner Held und Tierflüsterer entsteigt, fortan bei Charles Jamrach die Käfige tasmanischer Teufel, Kakadus und exotischer Schlangen säubert und schließlich Richtung Niederländisch-Indien in See stich, ist zugleich Oliver Twist auf der Schatzinsel, Ishmael auf Drachenjagd, Jim Hawkins in London. Vor allem ist er ein Bursche, dessen Erwachsenwerden auch eine Vermessung der eigenen Wildheit bedeutet. So entsteht ein Roman, der zwar vor Verweisen auf schon Geschehenes strotzt, diese jedoch lediglich als Ankerpunkte nutzt, von welchen aus die Phantasie getrost ihre Flügel ausbreiten kann.

Um das London von 1850 zu erzählen, filtert Birch es zunächst durch eine dickenssche Linse, kreiert eine die Sinne überwältigende Welt voll modriger Gerüche, Unrat, armen Halbwaisen und schnarchenden Prostituierten. "Ich kannte nur dunkles Wasser und Blasen werfenden Unrat", sagt das Kind Jaffy, "und kleine Brücken über Scheißebächen, die immer schwankten, ganz gleich wie leichtfüßig man hinübersprang." Besonders im ersten Teil ihres Buches lässt Birch Jaffys kindlichen Sinneseindrücken freien Lauf. Es entstehen unbändige Assoziationsketten von Papageien in Jamrachs Menagerie, die Jaffy "bunt wie Bonbons" erscheinen, Kuchen, die wie Juwelen glänzen, Sittiche, deren runde Körper ihn an "mächtige Busen" erinnern, die wiederum "wie fahle Fleischstücke" anmuten. Zugegeben, Jaffys Analogien sind abenteuerlich. Trotzdem ist diese Ungezähmtheit der Sprache keineswegs erzählerischer Leichtsinn: In ihr zeigt sich vielmehr die große Fähigkeit der Autorin zu erspüren, dass ein Tiger oder ein klebrigsüßer Himbeerwindbeutel auf ein so viel Elend gewohntes Kind wie Jaffy so unvergleichlich wirkt, dass die Vergleiche selbst kaum zu wissen scheinen, wohin mit sich.

Dementsprechend liegen die Schiffe, die auf Jaffy eine ebenso magische Anziehungskraft ausüben wie bengalische Tiger, "wie reinrassige Pferde" im Hafen von London. Auf einem von ihnen sticht der Junge in See, heuert auf dem knarzenden Walfänger Lysander (angelehnt an die 1820 nach einem Walangriff gesunkene Essex, die schon Hermann Melville Modell stand) an, um für den Tieraussteller einen Komododrachen (seinerseits angelehnt an Moby Dick, der schon Captain Ahab das Fürchten lehrte) aus der Ferne nach England zu holen. Der Triumph von Mensch über Tier gelingt, wie ein begehrtes Luxusobjekt wird der Drache gefangen genommen. Jaffy soll ihn ruhig halten, würde ihn aber viel lieber "gesund pflegen und zum Leben erwecken und ein Wesen voll wilder Herrlichkeit nach England bringen". Dass der Inbegriff wilder Herrlichkeit in einem Käfig aus Stahl festgehalten wird, widerstrebt ihm. Doch auch Jaffy hat an Wildheit eingebüßt: "Jetzt bin ich vernünftig und würde mich niemals auch nur in die Nähe eines Tigermauls begeben. Jetzt würde und könnte ich nie mehr dort hineinwollen." Erwachsenwerden ist eben nicht rückgängig zu machen.

Nach der Drachenflucht und dem Schiffsunglück sagt sich Jaffy also los von den Weltmeeren und der Wildheit, liest auf festem Boden Darwins "Das Variieren der Tiere und Pflanzen im Zustande der Domestikation", baut Käfige für Vögel, wird sesshaft mit seiner Jugendliebe und konstruiert, so hätte sein kindliches Ich aus dem Maul des Tigers vielleicht geurteilt, einen Käfig für sich selbst.

KATHARINA LASZLO

Carol Birch: "Der Atem der Welt". Roman.

Aus dem Englischen von Christel Dormagen. Insel Verlag, Berlin 2012. 393 S., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Viele Geschichten entdeckt Katharina Laszlo in diesem Buch von Carol Birch. Die Autorin, meint sie, kann mit Dickens-, Melville- und Stevenson-Zitaten umgehen, mit literarischen Traditionen und Genres ebenso. Als Historischen Roman möchte sie Birchs Arbeit darum nicht bezeichnen. Der Held, erklärt Laszlo, ist Oliver Twist, Ismael und Jim Hawkins in einem, Tierflüsterer, Drachenjäger, Seefahrer. Die Geschichte vom Erwachsenwerden im London von 1850 erzählt Birch der Rezensentin mit der gebotenen Farbigkeit. Huren, Waisen, Moder, Gestank - Laszlo staunt über die geschilderten Sinneswahrnehmungen des Jungen, über wilde Assoziationsketten und abenteuerliche Analogien, die die Autorin, wie sie versichert, aber jederzeit souverän im Griff hat.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Birch zieht den Leser hinein in eine Welt der Sinne, von den schmutzigen Straßen des viktorianischen London bis zu den Wellen der Südsee ... Eine Fabel über die Freundschaft, ein Tribut an den menschlichen Überlebensgeist. Was für ein herrlich geschriebener und fesselnder Roman!«
Jay Parini