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Neun: die heilige Zahl der Nomaden. - Galsan Tschinag erzählt in diesem außerordentlichen historisch-psychologischen Roman mit archaischer Sprachgewalt das Leben des Dschingis Khan: In neun Tag- und Nachtträumen blickt der sterbende Weltherrscher zurück auf seine Erfolge und seine Niederlagen, auf seine Hoffnungen und seine Ängste.
Längst ist Dschingis Khan ein Mythos geworden, in der Mongolei wird der "ozeangleiche Khan" noch heute fast als Gott verehrt. Er starb im Jahr 1227, nicht durch Feindeshand, sondern - für einen Reiterfürsten schmachvoll - nach einem Sturz vom Pferd. Er, den seine
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Produktbeschreibung
Neun: die heilige Zahl der Nomaden. - Galsan Tschinag erzählt in diesem außerordentlichen historisch-psychologischen Roman mit archaischer Sprachgewalt das Leben des Dschingis Khan: In neun Tag- und Nachtträumen blickt der sterbende Weltherrscher zurück auf seine Erfolge und seine Niederlagen, auf seine Hoffnungen und seine Ängste.

Längst ist Dschingis Khan ein Mythos geworden, in der Mongolei wird der "ozeangleiche Khan" noch heute fast als Gott verehrt. Er starb im Jahr 1227, nicht durch Feindeshand, sondern - für einen Reiterfürsten schmachvoll - nach einem Sturz vom Pferd. Er, den seine Diener noch zur letzten Schlacht tragen, versinkt in Fieberträumen von Krieg, Verrat und Mord - Bilder, in tiefes Rot getaucht. Sein Blick geht nach innen, denn "auch die tausendjährige Eiche hat eines Tages mit dem end- und sinnlosen Weiterwuchern in die Ungewißheit aufzuhören". Erinnerungen an seine Kindheit werden wach, an seine Getreuen, an seine Frauen und an die Liebe, die er empfunden hat: ein Weltenbeherrscher am Ende seines Lebens, getrieben von Halluzinationen, bekenntnisbereit, aber nicht sentimental, unerbittlich auch gegen sich selbst: "Jeder Tropfen Blut, geflossen über den Rand der Kelle, jede Handvoll Asche, geflogen über den Rand der Schaufel, jeder Armvoll Fleisch und Knochen, gerutscht über den Rand des Troges - jedes anderen zugefügte Leid mußte auf meinem Weg gelegen und auf die Stunde der Vergeltung gewartet haben ..."
Autorenporträt
Galsan Tschinag wurde 1943 als jüngster Sohn einer Nomadenfamilie in der Westmongolei geboren. Er ist Stammesoberhaupt der turksprachigen Tuwa, einer ethnischen Minderheit in der Mongolei. Sein Name in der Sprache der Tuwa lautet Irgit Schynykbai-oglu Dshurukuwaa. Nach Abschluss der Schule erhielt er 1962 ein Stipendium, das es ihm erlaubte, in die DDR zu reisen. Er lernte Deutsch und Germanistik in Leipzig. Seitdem schreibt er seine literarischen Texte vor allem in deutscher Sprache. Sechs Jahre später, 1968, kehrte er in seine Heimat zurück und lehrte an der Universität in Ulan Bator deutsche Sprache und Literatur, bis er 1976 wegen "politischer Unzuverlässigkeit" Berufsverbot erhielt. In den folgenden Jahren arbeitet er als Redakteur der Zeitschrift "Journalist" und als Cheflektor bei "Mongol Kino", wo er sich um die Verfilmung mongolischer Epen bemühte. Seit 1991 lebt er als freier Schriftsteller vor allem in Ulan Bator, ist aber auch viele Monate als Nomade mit seiner Sippe im Altaigebirge in der Nordwestmongolei unterwegs. Galsan Tschinag versteht sich als Mittler zwischen den Kulturen und ist im Ausland viel auf Lesereisen unterwegs. Seine Erzählungen wurden auch in zahlreiche andere Sprachen übersetzt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.04.2007

Der Steppengeist zu Pferde
Ein Dschingis-Khan-Roman und Geschichten von Galsan Tschinag

Zu Beginn treffen wir Dschingis Khan in einer durchaus misslichen Lage. Sein Körper schwach, die Knochen gebrochen. Der Herrscher ist unbeweglich; doch sein Geist ist rege. Galsan Tschinag holt den großen Khan dort ab, wo er am kleinsten ist: in seinen letzten Lebenstagen. "Er erwartete etwas zu hören. Aber es blieb still. So beschloss er, die gespannte Stille zu brechen. ,Ich bin wieder klar im Geiste', sprach der Khan. ,Nun, was ist geschehen?' Er sei vom Pferd gestürzt. Das also, durchfuhr es ihn kalt. Der Kriegsgott zu Ross, der berittene Kriegsdämon ist vom Pferd gestürzt." Nein, das hört sich nicht gut an. Der banale Sturz vom Pferd, der das Sterben des Dschingis Khan einleitet, ist historisch verbürgt. Es müssen Momente voller Scham gewesen sein.

Doch Galsan Tschinag verweilt nicht lange beim sterbenden Khan, sondern bricht die Scham nochmals im Allerkleinsten. Sein Blick schwenkt zu Nebenfiguren: zu Oldoi, dem Zwerg, dem vertrautesten Diener. Ein Findling, ein Spaßvogel, der Sätze voller Tiefgang spricht. Jetzt läuft Oldoi mit dem Arzt auf gleicher Höhe neben der Trage mit dem verletzten Khan her und erweckt den Neid der anderen. Zwischen den Heeresführern und dem Khan gibt es keine Intimität. Nur Ehrfurcht und Angst. Der Diener Oldoi aber sagt dem Herrscher verrätselte Wahrheiten. Er begleitet klug sein physisches Verschwinden aus der Welt. Dschingis Khan und Oldoi - ein ungleiches Paar, grotesk anmutend. Dezent eingesetzt, ist dieser Ton die erzählerische Waffe gegen Mythenbildung. Galsan Tschinag trägt sie locker in der Hand und lässt uns teilhaben an einem dunklen Kapitel der Weltgeschichte.

Sein Roman "Die neun Träume des Dschingis Khans" stützt sich auf die wichtigste historische Quelle der Mongolen, die "Geheime Geschichte". Lange Zeit war sie nur Regierenden zugänglich, da sie Unehrenhaftes nicht verschweigt. Alle Zeitgenossen des legendären Dschingis Khan, seine Brüder, die Eltern bis hin zur wertvollsten Kriegsbeute, den mehrfach vergewaltigten Frauen, lässt Tschinag auftreten. Der Diener Oldoi hingegen ist die einzige fiktive Figur im Roman. Der Autor braucht sie, um sich dem gewaltigen Mythos annähern zu können, der in der Mongolei in siebzig Jahren Sozialismus erst totgeschwiegen, danach aufgebläht wurde. Tschinag schreibt diese Überhöhung nicht fort. Er übersetzt die alten Geschichten in kraftvolle Sprachbilder, blumige Beschreibungen, in lebendige Dialoge zwischen dem "berg- und ozeangroßen Khan" und seinen "läusekleinen" Opfern. Und hält doch immer die Balance.

Für den über sechzigjährigen Autor, selbst Sohn einer Nomadenfamilie in der Westmongolei, ist der Stoff eine Herzensangelegenheit. Seit Jahren versteht sich Tschinag, der in den sechziger Jahren als Austauschstudent im noch kommunistischen Leipzig studierte und viele seiner Bücher auf Deutsch schreibt, als Vermittler zwischen den Welten. Die große Form beherrscht er wie die kleine. Er unterrichtet in Ulan Bator, gibt Heilseminare und hält Lesungen in Deutschland. Viele Monate des Jahres ist er als Stammesoberhaupt der turksprachigen Tuwa in der Steppe unterwegs.

Gegen die Idealisierung der Vergangenheit verfolgt er nun die Blutspur des "heiligen" Dschingis Khan; ohne zu bewerten, ohne Chronologie, in wildem Durcheinander vorbeirasender Eindrücke, durchbrochen von sporadisch einsetzender Reflexion. Im Angesicht der Weggefährten lässt er den Khan Einsichten entwickeln und über den Unsinn seines Rauschs sinnieren. Einsam bleibt er bis zuletzt. Und machtlos über das, was man später aus ihm macht.

Dabei lässt Tschinag keinerlei Zweifel aufkommen an der Brutalität dieses Herrschers und seiner Zeit. Millionen Menschenopfer und Stätten voller Schutt und Asche hinterließen die Raubzüge des Khans, der im dreizehnten Jahrhundert ein Großreich formte. Tschinags Buch ist die Biographie eines lebenslänglichen Kräftemessens; eine Geschichte von Angst und Unterwerfung.

Traumatische Ereignisse, Demütigungen in einer kurzen Zeit der Gefangenschaft des kindlichen Khans oder schlicht das selbstverständliche Hineinwachsen in die ihm zugedachte Rolle umranden die blutigen Taten - doch nach letzten Erklärungen verlangt der Roman nicht. Gerade deshalb gelingt ein irritierender Spagat: Tschinag holt den Herrscher würdevoll vom Sockel und zeigt in den Schwächen zutiefst Menschliches. Das Fremde geht ein in den allgemeinen Kreislauf von Werden und Vergehen. Entschuldigt wird dadurch nichts - aber offengelegt.

Zeitgleich erscheinen Erzählungen des Autors unter dem Titel "Auf der großen blauen Straße" im Unionsverlag. Ist es Zufall, dass auch hier ein am Ende des Lebens stehender Erzähler die kurzweiligen Geschichten in Gang bringt? "Die Muskeln sind erschlafft, der Geist ist trübe - ich bin wohl schon im Versinken." Im Verschwinden lässt sich das Leben doppelt nieder. Galsan Tschinags Texte zeugen von dieser Lebensfrische. Noch einmal, wie in vielen seiner früheren Erzählungen, schlägt er einen Bogen von seiner Heimat zum sächsischen Gastland. Er schreibt mit leichter Geste die Geschichte seines Namens nieder, einer im Munde der vielen Anverwandten immer wieder freizügig veränderbaren Lautfolge, passend gemacht für den Träger wie für den Rufenden.

Dass schließlich "Galsan" daraus wurde, scheint einem Schreck geschuldet, der dem Erstklässler den nie verlässlichen Namen aus dem Gedächtnis trieb. Der schnell als Ersatz erfundene Name soll im Tibetanischen nun "das gute Geschick" bedeuten - und das schadete offensichtlich nicht. Denn Galsan Tschinag hat ein Gespür dafür, den Blick des hier ankommenden Studenten in unverbrauchte Bilder zu übersetzen; ihm liegt die Gunst des Staunenden, selbst wenn es um Bürokratie und sture Zugbeamte geht, die keinen Zentimeter weit abrücken vom durch und durch geregelten Leben im Oststaat.

Tschinags Momentaufnahmen sind bizarr - doch nicht nur wegen der Stoffe, sondern wegen der feinsinnigen Art ihrer Schilderung. Wenn er berichtet, wie er auf dem Hofe des Schriftstellers Erwin Strittmatter, der sein Talent entdeckte, vorführen soll, wie man mit dem Lasso Pferde fängt, treffen Klischees und Wirklichkeit in einer Weise aufeinander, die einen schmunzeln lässt. Von seinen Blicken auf die Welt sollte man sich etwas abschauen. "Auf der blauen großen Straße" entführt nicht in diese Welten, sondern an den Ort dazwischen. Hier hat die Prosa des Autors ihren festen Platz.

ANJA HIRSCH

Galsan Tschinag: "Die neun Träume des Dschingis Khan". Roman. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2007. 252 S., geb., 17,80 [Euro].

Galsan Tschinag: "Auf der großen blauen Straße". Erzählungen. Unionsverlag, Zürich 2007. 155 S., geb., 14,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Lobend beurteilt Anja Hirsch diesen Roman um den legendären Dschingis-Khan, den Galsan Tschinags vorgelegt hat. Wie sie berichtet, stützt sich der Roman auf die wichtigste historische Quelle der Mongolen, die "Geheime Geschichte". Auch die im Roman auftretenden Zeitgenossen des Dschingis-Khan sind laut Hirsch historisch verbürgt - mit Ausnahme der Figur von dessen Diener Olgoi, die Tschinag gegen die Mythenbildung einsetze. An einer Fortschreibung des Mythos nämlich ist dem Autor nach Ansicht von Hirsch nicht gelegen. Sie attestiert ihm, jede Idealisierung des grausamen Mongolen-Herrschers zu vermeiden, ihn aber auch nicht zu verurteilen. Tschinags Spagat, Dschingis-Khan "würdevoll vom Sockel" zu holen und in seinen Schwächen "zutiefst Menschliches" zu zeigen, scheint Hirsch vollauf gelungen.

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