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Erhart Kästner, bekannt durch seine Griechenlandbücher Ôlberge, Weinberge und Die Stundentrommel vom heiligen Berg Athos, begann 1927 seine Laufbahn als Bibliothekar an der Sächsischen Landesbibliothek in Dresden und wurde dort Leiter der Handschriftensammlung. Von 1936 bis 1938 war er Sekretär von Gerhart Hauptmann. Nach Kriegsteilnahme und Kriegsgefangenschaft leitete er 18 Jahre lang die Herzog-August-Bibliothek zu Wolfenbüttel. Er starb am 3. Februar 1974 in Staufen im Breisgau. Kästners Werk ist gekennzeichnet vom Glauben an die Würde des Menschen, von einem Humanismus, dem Geschichte und…mehr

Produktbeschreibung
Erhart Kästner, bekannt durch seine Griechenlandbücher Ôlberge, Weinberge und Die Stundentrommel vom heiligen Berg Athos, begann 1927 seine Laufbahn als Bibliothekar an der Sächsischen Landesbibliothek in Dresden und wurde dort Leiter der Handschriftensammlung. Von 1936 bis 1938 war er Sekretär von Gerhart Hauptmann. Nach Kriegsteilnahme und Kriegsgefangenschaft leitete er 18 Jahre lang die Herzog-August-Bibliothek zu Wolfenbüttel. Er starb am 3. Februar 1974 in Staufen im Breisgau.
Kästners Werk ist gekennzeichnet vom Glauben an die Würde des Menschen, von einem Humanismus, dem Geschichte und Gegenwart untrennbar verbunden sind. Aus unmittelbarem Zugang zur Natur und zur Gegenwart historischer Orte und aus der Erfahrung mit den Erinnerungstiefen alter Bibliotheken gewinnt er für sich und seine Leser eine neue Unabhängigkeit, die auch in ausgewählten Briefen ihren Niederschlag findet.
Autorenporträt
Helwig Schmidt-Glintzer, geboren 1948, ist Direktor der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel und Professor an der Universität Göttingen. Arbeitsschwerpunkt: Buddhismus und seine Geschichte.

Arnold Stadler wurde 1954 in Meßkirch geboren und wuchs auf einem Bauernhof im Nachbardorf Rast auf. Er studierte katholische Theologie in München und Rom, anschließend Germanistik in Freiburg und Köln. Seit 1995 lebt er überwiegend in Rast. 1989 erhielt er den Förderungspreis der Jürgen-Ponto-Stiftung. Es folgten zahlreiche weitere Preise und Stipendien. 1999 wurden ihm der Alemannische Literaturpreis und der Georg-Büchner-Preis zugesprochen. Arnold Stadler veröffentlichte bereits einen Gedichtband und mehrere Romane. 2009 erhielt er den Kleist-Preis, im Jahr 2010 den Johann-Peter-Hebel-Preis. 2014 wurde ihm der Bodensee-Literaturpreis für sein bisheriges literarisches Gesamtwerk verliehen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.03.2004

Souveräner Begleiter auf dem schmalen Weg der wenigen
Zelten im unbefleckten Leben: Zum hundertsten Geburtstag ist Erhart Kästner wiederzuentdecken in einer Auswahl seiner Reiseberichte und Briefe

Zum Reisen braucht er in frühen Jahren wenig, einen Rucksack, einen Schlafsack, ein Zelt. Auf Fotografien sieht man ihn in einem Faltboot über Flüsse paddeln. Erhart Kästner war ein Leben lang fern der großen Straßen unterwegs auf der Suche nach dem unbefleckten Leben. Als er dann mit der Wehrmacht in den Krieg zog, fand er sein geliebtes Griechenland. Und noch zu später Lebensstunde, als er schon lange in Amt und Würden stand, schwärmte er vom kargen Mahl der griechischen Hirten, die keine Teflonpfanne hervorkramen, sondern sich mit einer alten Ölsardinenkonserve überm kleinen Feuer zu behelfen wissen. Erhart Kästner reiste mit Wehmut gegen den Fortschrittsstrom der Zeit. Er fand sanfte rebellische Worte für den Verfall der Gegenwart - das "Weltbanale" -, während er die zeltgroßen Erinnerungsflecken eines wahren Lebens umkreiste.

In den linken intellektuellen Erregungen der Bundesrepublik stand er wie ein Pfadfinder: Er hielt die Mitte zwischen Heidegger und Bloch ein, zwischen Sein und Spur. Einer der schönsten Buchtitel der Bundesrepublik lautet: "Aufstand der Dinge". Eine letzte Utopie in den von Modernisierungsschüben durchrüttelten und in den langen Gängen der Institutionen versandenden siebziger Jahren: Es werden nicht die Arbeiter, sondern die versklavten Dinge sich eines Tages befreien und das Joch des weltweiten Verwertungsinteresses abschütteln. Das Prinzip Flohmarkt.

Erhart Kästner wurde heute vor hundert Jahren, am 13. März 1904, in Augsburg geboren. Ein Jahr vor seinem Tod, am 3. Februar 1974, war im Insel Verlag der "Aufstand der Dinge. Byzantinische Aufzeichnungen" erschienen. Das Buch war in den Augen seines Verfassers nur ein antizyklisches Resümee, ein Alterswerk. Kästner überließ sich keinen Hoffnungen, damit noch starke Resonanz zu erzielen. Doch es kam anders. Mehrere tausend Exemplare waren rasch verkauft, und das nicht nur dank der treuen Lesergemeinde, die ihn seit seinem ersten Buch begleitete. Der Kästner-Leser war einer, der sich lieber etwas im bürgerlich-bedächtigen Abseits der Stille und der Nachdenklichkeit hielt, als mit der Mode zu flirten und zu rennen. Einer, der sich am Arm des freundlichen Erdenbruders vom heiligen Geist unterhängte, den er als einen souveränen Begleiter auf den schmalen Wegen der wenigen schätzte, während er der Meute der blinden Experten, alle am Gängelband des Wissens, eher mit Mißtrauen nachblickte.

Kästner hatte Germanistik bei Korff, dem Verfasser der mehrbändigen Studie "Geist der Goethe-Zeit", studiert. Er absolvierte darauf eine Ausbildung als Bibliothekar an der Sächsischen Landesbibliothek in Dresden. Die Bücherliebe bekam hier im Archiv Hand und Fuß. Im Jahr 1934 wird er Leiter der Handschriften-Abteilung, 1936 und 1937 weilt er, der zur Bewunderung alter Meister fähig ist, als Sekretär bei Gerhart Hauptmann. 1940 wird er zum Kriegsdienst in der Wehrmacht einberufen. Ein Jahr darauf kommt er nach Saloniki-Athen zum Luftgaukommando SO II, in dessen Auftrag er ein Buch über Griechenland schreibt. Es folgt ein zweiter Auftrag für ein Buch über die griechischen Inseln. Kästner fährt nach Samos, Chios, Lesbos, Kreta, Rhodos, Leros, Kalymnos, Kos und Patmos. Auf Rhodos wird er von den Engländern gefangengenommen und in ein Gefangenenlager in der ägyptischen Wüste gebracht.

Sonne, Sand und Sterne: Erhart Kästner schreibt in der Wüste sein "Zeltbuch von Tumilat", das im November 1947 - im Februar des Jahres war er aus der Gefangenschaft entlassen worden - bei Insel erscheint, seinem Hausverlag. Der Verleger Siegfried Unseld wird an Erhardt Kästners Grab eine Rede halten. Das Besinnungstagebuch über das unbehauste einfache Dasein und die Wahrheiten der Kunst legte den Grundstein für die Kästner-Gemeinde, die in den Ruinen saß.

Kästner hat rege am literarischen Leben der Bundesrepublik in den fünfziger und sechziger Jahren teilgenommen, hat Literaturpreise erhalten und bei deren Vergabe mitgewirkt, so als Paul Celan 1958 mit dem Bremer Literaturpreis und zwei Jahre später der junge Uwe Johnson für sein Buch "Mutmaßungen über Jakob" mit dem Fontane-Preis ausgezeichnet wurde. Schon 1950 rühmte er Heideggers Vortrag über "Das Ding".

Er hielt die Verbindung zu dem Philosophen, der in den frühen Jahren der Bundesrepublik wegen seiner berüchtigten Rektoratsrede an der Universität in Freiburg im Jahr 1933 nicht von allen Seiten mit offenen Armen empfangen wurde. In seinem Brief an Hermann Mörchen vom 15. Mai 1958 findet sich dazu eine fatale Bemerkung: "Was Sie sonst von Heidegger zu erzählen wissen, interessiert mich aufs höchste. Die Kluft zu Jaspers finde ich angemessen, die gegen Löwith, Adorno und was noch weiter remigriert ist, halb richtig, halb tut es mir leid." Woher kommt dieses letzte "was"?

Von 1950 bis 1968 arbeitete Kästner als Direktor die Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel, der er neuen Glanz bescherte. Heute steht Helwig Schmidt-Glintzer der Bibliothek vor. Er hat zum hundertsten Geburtstags Kästners eine kleine Auswahl aus dessen wenigen, recht überschaubaren Schriften vorgelegt, eine freundliche Gabe, in der auch jener Brief an Hermann Mörchen abgedruckt ist. Im wiederum sehr schmalen Briefwechsel mit Heidegger, der als Buch erschien, mußte Kästner gegen Lebensende zur Kenntnis nehmen, daß dem verehrten Philosophen die Nähe, die Kästner selbst zu ihm zu spüren meinte, nicht ganz angemessen schien. Martin Heidegger quittierte den "Aufstand der Dinge" und die dort vorgetragene Kritik an den modernen Wissenschaften mit der Bemerkung, es sei darüber doch von ihm, Heidegger, tiefer nachgedacht worden.

Erhart Kästner: "Man reist, um die Welt bewohnbar zu finden". Lebensbilder und Bewunderungen. Zusammengestellt und herausgegeben von Helwig Schmidt-Glintzer. Mit einem Essay von Arnold Stadler. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2004. 240 S., geb., 14,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Mit skeptischem Respekt begrüßt Rezensent Eberhard Rathgeb diese "kleine Auswahl" aus den "wenigen, recht überschaubaren Schriften" Erhart Kästners zu dessen hundertstem Geburtstag am 13. März 2004 Zwar lobt er Kästner, seinen Informationen zufolge von 1950-1968 nicht nur Direktor der Wolfenbüttler Herzog August Bibliothek, sondern seit auch mit Wehmut Reisender gegen den Fortschrittstrom, wegen seiner sanften, rebellischen Worte für den Verfall der Gegenwart und gegen das "Weltbanale". In einem Brief hat er jedoch auch eine fatale Bemerkung zu Adorno "und was noch weiter remigriert ist" ausgemacht.

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