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Die ersten Meldungen klangen absurd. Auf einen russischen Dissidenten, der früher in den Diensten des KGB und der Nachfolgeorganisation FSB gestanden habe, sei ein Giftanschlag in einer Londoner Sushi-Bar verübt worden. Doch als sich Litwinenkos Zustand verschlechterte und er in eine Klinik eingewiesen werden musste, nahm die Geschichte eine ernste Wendung. Am 23. November 2006 starb er an den Folgen einer Polonium-210-Verstrahlung. Zwei Tage zuvor gab er eine Erklärung ab, in der er Kreml-Funktionäre und Putin für seinen Tod verantwortlich machte. Wer war Alexander Litwinenko? Weshalb konnte…mehr

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Produktbeschreibung
Die ersten Meldungen klangen absurd. Auf einen russischen Dissidenten, der früher in den Diensten des KGB und der Nachfolgeorganisation FSB gestanden habe, sei ein Giftanschlag in einer Londoner Sushi-Bar verübt worden. Doch als sich Litwinenkos Zustand verschlechterte und er in eine Klinik eingewiesen werden musste, nahm die Geschichte eine ernste Wendung. Am 23. November 2006 starb er an den Folgen einer Polonium-210-Verstrahlung. Zwei Tage zuvor gab er eine Erklärung ab, in der er Kreml-Funktionäre und Putin für seinen Tod verantwortlich machte. Wer war Alexander Litwinenko? Weshalb konnte er nicht in seiner Heimat bleiben? Warum schwebte er auch in England, wo ihm politisches Asyl gewährt worden war, in solcher Gefahr? Wie kam er wirklich ums Leben?

Erscheint gleichzeitig in 18 Ländern: der Bericht der Witwe und des Freundes über den Mord und seine Hintergründe, der deutlich macht: Die Intrige gegen Litwinenko ist nur die Spitze eines Eisbergs.

Autorenporträt
Litwinenko, Marina
Marina Litwinenko begegnete ihrem späteren Ehemann erstmals 1993 an ihrem 31. Geburtstag. 2000 wurde der Familie politisches Asyl in Großbritannien gewährt und 2006 die britische Staatsbürgerschaft zuerkannt. Marina Litwinenko und ihr zwölfjähriger Sohn leben in London.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.06.2007

Jeder Mord hat eine Botschaft
Wie sicher ist London? Die russische Journalistin Elena Tregubowa versteckt sich in der Stadt, in der Alexander Litwinenko vergiftet wurde

LONDON, im Juni

Der Londoner Himmel benimmt sich am Tag unseres Treffens wie ein Kind: Er lacht, weint, Sonne, Wolken, Regen - und immer wieder von vorne, im Abstand von wenigen Minuten. Den Vergleich zwischen Himmel und Kind wird Elena Tregubowa ziehen, die geflüchtete russische Journalistin, die plötzlich schön und groß wie die junge Geena Davis am Fuß des Riesenrads "London Eye" auftaucht. Sie trägt ein T-Shirt, auf das zwei handgroße Katzenaugen gedruckt sind, so dass einen später, als wir uns im Café gegenübersitzen, immer zwei Augenpaare ansehen: die vom T-Shirt und die von Elena Tregubowa. Ob noch andere Augenpaare zugucken, fragt man sich. Heimliche?

Gedanken, die für viele Menschen Abendunterhaltung bedeuten, sind für Elena Tregubowa, die im April in Großbritannien Antrag auf politisches Asyl gestellt hat, Realität. Agentenfilme erträgt sie nicht. "Casino Royale kam in die Kinos, als Alexander Litwinenko im Sterben lag. Meine Freunde in Moskau und mich erinnerte Daniel Craig als James Bond nur an Putin: das konturlose Gesicht, die hellen Haare. Schrecklich." Über die Sicherheitsvorkehrungen unseres Treffens bittet sie, nichts zu schreiben: "Sie sollen sich nicht auch noch aus der Zeitung informieren." Wer "sie" sind, steht allerdings seit einigen Wochen immer wieder als Frage im Raum.

Drei Bücher sind in den letzten Monaten in Deutschland erschienen, drei putin-kritische Publikationen, die sich zuletzt in einer Person kreuzten: Andrej Lugowoi. Im März erschien zuerst postum Anna Politkowskajas nachgelassenes "Russisches Tagebuch" - die Autorin wurde im Oktober 2006 im Hausflur ihres Wohnhauses erschossen. Alexander Goldfarb und Marina Litwinenko publizierten soeben "Tod eines Dissidenten. Warum Alexander Litwinenko sterben musste" - Alexander Litwinenko wurde im November 2006 mit dem radioaktiven Polonium 210 im Londoner Exil ermordet. Und der Tropen Verlag brachte kürzlich die Neuauflage von Elena Tregubowas "Die Mutanten des Kreml" heraus, mit einem aktualisierten Vor- und Nachwort. Drei Bücher, drei Namen: Elena Tregubowa ist die Einzige, die bisher überlebt hat.

Ins Rampenlicht gerückt ist Andrej Lugowoi, seit die britischen Behörden ihn als Hauptverdächtigen im Mordfall Litwinenko bezeichneten und seine Auslieferung beantragten. Nach eigener Aussage hatte sich Litwinenko mit dem Mord an Politkowskaja beschäftigt. Wenn Lugowoi also tatsächlich sein Killer war und Litwinenko wirklich Hinweise auf die Mörder von Politkowskaja besaß, hätte Lugowoi mit dem Giftmord gleichzeitig auch die Aufklärung von Politkowskajas Tod verhindert. Und das nicht genug: Im November 2006 - kurz darauf wurde Litwinenko vergiftet - meldete sich Lugowoi auch bei Tregubowa. Im Auftrag des Oligarchen Boris Beresowski bot er Tregubowa Personenschutz an. Sie hatte aus Kreml-Kreisen nach dem Attentat auf Politkowskaja einen Tipp erhalten, dass auch sie in Lebensgefahr sei. Wie ernst es ihre Gegner meinen, wusste Tregubowa bereits: Vor ihrer Moskauer Wohnung explodierte 2004 eine Bombe. Da war gerade ihr Buch "Die Mutanten des Kreml" in Russland erschienen, eine atemlose, oft grotesk komische Abrechnung mit Putin. Tregubowa kostete es ihren Job bei der Zeitung "Kommersant". Das Buch verkaufte sich dreihundertfünfzigtausend Mal, das Bombenattentat überlebte die Autorin durch Zufall. Als sich also wieder die Anzeichen mehrten, dass ein neuer Anschlag bevorstand, verließ sie Moskau - unter dem Schutz von Lugowoi.

Mit Lugowoi haben sich damit in den letzten Wochen Opfer und Täter in einem unentwirrbaren Knäuel verstrickt, das immer schwieriger zu entwirren ist. Ein Ausschnitt daraus: Zuletzt beschuldigte Lugowoi in der Zeitung "Komsomolskaja Pravda" den Oligarchen Boris Beresowski, den Mord an Litwinenko beauftragt zu haben und außerdem auch Tregubowa liquidieren zu wollen. Die englischen Behörden halten Lugowoi für den Hauptverdächtigen. Die Witwe Litwinenko ist sicher, dass der Kreml hinter dem Mord an ihrem Mann steckt. Und inzwischen ermittelt auch der russische Geheimdienst gegen Lugowoi. Der Verdacht: Spionage im Auftrag der Engländer.

Für Außenstehende ist das vor allem eines: verwirrend. Für Insider ist es lebensbedrohlich. Oder, andersherum: Wer überleben will, muss wissen, wer auf welcher Seite steht.

Wasser klatscht gegen die kleine Fähre, mit der wir nun die Themse hinuntertuckern. Der Motor wummert, eine Lautsprecherstimme schreit die vorbeiziehenden Sehenswürdigkeiten über Deck. Aber was ist mit Lugowoi? Für Rätsel sorgt, wenn man seine Rolle verstehen will, die Verbindung von Tregubowa zum Oligarchen Beresowski. In "Die Mutanten des Kreml" nannte Tregubowa selbst noch Beresowski den "bösen Geist der russischen Politik". Unter Jelzin habe er dafür gesorgt, dass das Staatseigentum unter einigen wenigen Oligarchen aufgeteilt wurde. Eine russifizierte Version der italienischen Casa nostra, schrieb Tregubowa. Dann kam Putin ins Amt, und Beresowski floh nach London. Von dort aus bot er Tregubowa Lugowoi als Beschützer an, denselben Lugowoi, der nun im dringenden Verdacht steht, Litwinenko ermordet zu haben. Doch Tregubowas Unschuldsargument für Beresowski geht so: Gäbe es belastendes Material gegen ihn im Fall Litwinenko, hätte es die russische Geheimdienst-Maschine aufgetrieben. Dass nichts aufgetaucht ist, obwohl Russland keinen lieber als Schuldigen darstellen würde als Beresowski, hieße: Es gibt nichts. Wo der Geheimdienst nichts findet, ist nichts. In diesem Sinne vertraut Tregubowa also nicht unbedingt Beresowski, sondern dem russischen Geheimdienst.

"Dumm?", wiederholt Tregubowa ungläubig und reißt die Augen auf. Wir sitzen jetzt in einem Straßencafé. Ob es nicht dumm gewesen sei, war die Frage, dass Putin zum Mord von Politkowskaja erst vier Tage schwieg und dann bei einem Besuch in Dresden abfällig bemerkte, der Mord an ihr habe Russland mehr geschadet als Politkowskajas Publikationen. Er hätte ja, stellt man sich vor, auch etwas Betroffenes sagen können. Es wäre folgenlos geblieben - und hätte den Imageschaden vielleicht verringert. Nur: Um Image gehe es Putin nicht, so Tregubowa. Der Mord an Politkowskaja, die abfällige Bemerkung, das alles, ist sie überzeugt, habe eine Botschaft. Die Nachricht dieser Sätze gelte den Dissidenten. Sie laute: "Im Westen könnt ihr so berühmt wie Politkowskaja sein. Schützen wird euch das nicht." Mit Litwinenkos Vergiftung sei die Aussage noch erweitert worden: "Ihr werdet sterben wie die Hunde."

Beide - Elena Tregubowa und auch die Witwe Marina Litwinenko - glauben, dass die Mörder aus dem Kreml kommen. Die Hoffnung bleibt, dass sich die Mörder irren. Dass der Westen diese Bücher nicht nur liest, sondern auch die Autoren schützt.

JULIA VOSS

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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Eine fesselnde Lektüre sieht Klaus-Helge Donath in der Lebensgeschichte des ermordeten russischen Ex-Agenten und Regimekritikers Alexander Litwinenko, die Alex Goldfarb niedergeschrieben hat. Basierend auf Berichten Litwinenkos und seiner Frau erzähle der Autor die Biografie des ehemaligen Geheimdienstlers, der Ende der 1990er Jahre aus dem FSB ausgestiegen war und die fragwürdigen Praktiken des Geheimdienstes öffentlich gemacht hatte. Donath bescheinigt dem Autor, Litwinenkos Geschichte als "spannenden Polit-Thriller" darzustellen. Über die Hintergründe des mysteriösen Giftmordes selbst allerdings hat er in dem Buch kaum Neues erfahren.

© Perlentaucher Medien GmbH