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Gibt es eine Welt jenseits von Intrigen, Eifersucht und Rivalität? Doris Lessing kehrt in ihrem Roman zu den Ursprüngen der Menschheit zurück und beschreibt eine mythische Gesellschaft, die tatsächlich frei von all diesen Dingen ist: eine Gesellschaft ohne Männer. Ein alternder römischer Senator sieht sich vor der letzten großen Aufgabe seines Lebens: die Geschichte der menschlichen Schöpfung aufzuschreiben. Er berichtet über eine Gemeinschaft von Frauen, die in einer wilden Küstenlandschaft lebte: Männer kennt man bei dem Volk der "Spalten" nicht, Kinder - allesamt weiblich - werden nach den…mehr

Produktbeschreibung
Gibt es eine Welt jenseits von Intrigen, Eifersucht und Rivalität? Doris Lessing kehrt in ihrem Roman zu den Ursprüngen der Menschheit zurück und beschreibt eine mythische Gesellschaft, die tatsächlich frei von all diesen Dingen ist: eine Gesellschaft ohne Männer. Ein alternder römischer Senator sieht sich vor der letzten großen Aufgabe seines Lebens: die Geschichte der menschlichen Schöpfung aufzuschreiben. Er berichtet über eine Gemeinschaft von Frauen, die in einer wilden Küstenlandschaft lebte: Männer kennt man bei dem Volk der "Spalten" nicht, Kinder - allesamt weiblich - werden nach den Zyklen des Mondes zur Welt gebracht. Als eines Tages ein Junge geboren wird, betrachten ihn die Frauen nicht als andersgeschlechtliches Lebewesen, sondern als Missgeburt; kurzerhand überlassen sie ihn dem Tod. Doch dem ersten Jungen folgt ein zweiter, und danach kommen immer mehr. Irgendwann begreift das Volk der Frauen, dass es sich nicht um eine Laune der Natur handeln kann. Von da an ist die Harmonie der Gemeinschaft in Gefahr.
Autorenporträt
Doris Lessing, 1919 im heutigen Iran geboren und auf einer Farm in Südrhodesien aufgewachsen, lebte seit 1949 in England. 1950 veröffentlichte sie dort ihren ersten Roman und kam 1953 zu Weltruhm. In Deutschland hatte sie ihren großen Durchbruch 1978. Heute ist Doris Lessing eine der bedeutendsten Schriftstellerinnen der Gegenwart, ihr umfangreiches Werk umfasst Lyrik, Prosa und autobiographische Schriften. 2007 wurde sie mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet. Doris Lessing verstarb 2013 im Alter von 94 Jahren.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Ziemlich platt findet Rezensentin Petra Kohse Doris Lessings Roman "Kluft". Die Literaturnobelpreisträgerin lässt dort die Menschheit aus weiblichen seehundsartigen Wesen entstehen, den "Spalten", die solange am Strand herumfläzen und sich durch Wind und Wellen selbst vermehren, bis die Launen der Natur ihnen Nachwuchs mit einem "Zapfen" zwischen den Beinen bringen. Dann wird es bunter: Zwar gelingt zunächst der Versuch, sich des männlichen Wesens zu entledigen, aber dann kommen immer mehr Zapfenträger zur Welt und eines Tages werden die von den Adlern geretteten, statt gefressenen Jungs wiederentdeckt - fortan nehmen Lust und Leiden des zweigeschlechtlichen Lebens  ihren Lauf. Die matriarchale Entstehungsgeschichte vortragen darf ein "römischer Senator aus der Zeit Neros". Petra Kohse findet die Story von den mütterlichen "Spalten", den experimentierfreudigen "Zapfen" und der "Kluft" dazwischen ziemlich klischeehaft. Als Auseinandersetzung mit dem Geschlechterkampf sei das ein echter Fehlgriff.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.11.2007

Die Nörgelliesen der Urgesellschaft
Mann gleich Missgeburt: „Die Kluft”, der neue Roman der Literaturnobelpreisträgerin Doris Lessing, untersucht den GeschlechterkampfVon Burkhard Müller
Das neue Buch, das von einer eine Autorin auf den Markt kommt, die gerade den Nobelpreis gewonnen hat, muss in besonderer Weise die Neugier wecken; vor allem dann, wenn der Klappentext verspricht, es würde hier an das frühe Werk und dessen Schlüsselthemen angeknüpft; und so ist man gespannt auf etwas, das sich mit der Verheißung verbindet, hier schließe sich ein großer Kreis.
„Die Kluft”, Doris Lessings neuer Roman, greift weit und in mehreren Schritten in eine unbestimmte Vergangenheit zurück. Ein römischer Senator der frühen Kaiserzeit – dies ist die Rahmenhandlung – hat ein großes Konvolut historischer Quellen in die Hand bekommen und versucht daraus ächzend so etwas wie eine zusammenhängende Geschichte zu erschließen. Diese schriftlichen Quellen ihrerseits stützen sich auf die mündliche Überlieferung der „Gedächtnisse”, einer bestimmten Gruppe von Leuten, die in einer noch sehr viel älteren Kultur durch wörtliches Auswendiglernen den Fortbestand historischen Wissens zu sichern hatten.
Aus dieser komplex angesetzten Staffelung in die Tiefe der Zeit hinein macht Doris Lessing bemerkenswert wenig; das Moment der historischen Differenz tritt in der Durchführung zurück zugunsten eines recht unbeschwerten Erzählens, dem nicht annähernd so viel fraglich ist, wie es vorgibt. Ihre Prämissen nennt sie im Geleitwort: „Kürzlich hieß es in einem wissenschaftlichen Artikel, dass die Menschen grundsätzlich und ursprünglich von weiblichen Wesen abstammen und dass die männlichen erst später hinzukamen, als eine Art nachträglicher kosmischer Einfall. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das problemlos verlief. Dieser Gedanke war Wasser auf meine Mühlen, denn ich hatte mich ohnehin gefragt, ob die Männer nicht eine jüngere Art darstellen, eine untergeordnete Abweichung. Ihnen fehlt die Stabilität der Frauen, die offenbar von Natur aus mit dem Lauf der Welt in Einklang stehen. (...) Männer sind vergleichsweise labil und unberechenbar. Probiert die Natur hier etwas aus?”
Bei diesem Artikel muss Lessing etwas missverstanden haben. Dass es sich beim Menschen, ja bei allen höheren Säugetieren nicht um Blattläuse handelt und nie gehandelt haben kann, die sich durch Jungfernzeugung fortpflanzen, dürfte sie immerhin wissen. Aber was sie wünscht, ist ja auch nicht Wissenschaft und nicht Geschichtsschreibung, sondern Wasser auf ihre Mühlen. Den Teufel sind wir die besseren Menschen! hatte Alice Schwarzer warnend der Frauenbewegung zugerufen. Doris Lessing hat das nicht gehört. Frohgemut legt sie ein, man muss es doch in diesen harten Worten sagen, unerträglich selbstgerechtes Gehabe an den Tag. Und als ob das nicht genug wäre, fügt sie noch ein Motto von Robert Graves ein: „Man does, woman is.”
Sie scheint diesen Aphorismus für ein emblematisches Zeugnis weiblicher Überlegenheit zu halten. Dabei lässt sich der Satz leicht auch umgekehrt lesen. Sollte es wirklich für ein ambitioniert entworfenes Wesen wie den Menschen schon genügen, einfach in einem Zustand zu beharren? Ist es ein lebenserfüllender Inhalt, schön oder schlank oder schwanger zu sein? Der männliche Leser, der an der Kasse im Supermarkt oder beim Friseur in einer der bunten Frauenzeitschriften blättert, ist bestürzt über die Borniertheit all dieser Diättips und Wellnessempfehlungen: Da wird einer breiten Leserinnenschaft ausdrücklich und ausführlich empfohlen, bloß niemals über die eigene Nasenspitze hinauszusehen.
Gern führen diese Produkte weibliche Eigennamen im Titel, Brigitte oder Marie Claire, auch Tina oder Lisa oder Bella oder Laura. Undenkbar, dass ein Männermagazin Ronald oder Karlheinz hieße. In denen geht es um Dinge, die man blöd finden kann, Sport, Autos, Kettensägen, aber doch immer um etwas Anderes als jenes Wesen, das der Leser erblickt, wenn er in den Spiegel guckt. Lessing ermutigt die Frauen, ihre schwächste Stelle für den archimedischen Punkt des Kosmos zu halten. Das ist nicht gut; das ist sogar ausgesprochen schädlich.
Dieses Exkurses hat es bedurft, ehe der Plot vorgestellt werden kann. In ferner Urzeit also gab es ein Volk rein aus Frauen, die „Spalten”, das ohne nennenswerte Anstrengung an einem kleinen Stück Meeresküste lebte. Sie gebaren Kinder, sie wussten nicht wie, vielleicht hatte eine Woge oder ein Mondstrahl sie befruchtet. Als ihr Gleichnis ehrten sie die Kluft, sie warfen zu gewissen Zeiten rote Blumen hinein, ein gefärbter Quell trat hervor, und die Frauen bekamen ihre Regel. „Das war schon immer so.” Das Idyll wird jäh gestört, als plötzlich „Ungeheuer” zur Welt kommen, die vorn in der Leibesmitte statt der schönen Spalte einen Schlauch und einen Klumpen tragen. Ab damit! Die Quellen sprechen davon, wie diese Monster kastriert wurden, gern auch ins Meer geworfen und vorher ein bisschen gefoltert; ein paar von den Ungeheuern werden auch als eine Art Haustiere gehalten.
Doch eine wachsende Zahl der neugeborenen Jungen entgeht diesem Schicksal, indem sie von riesigen Adlern davongetragen werden. Als die Frauen endlich nachschauen, wohin der Flug ging, finden sie jenseits des Bergs ein Dorf der Flüchtlinge; zögernd setzt sich das Spiel der Geschlechter in Gang. Natürlich bleiben Misshelligkeiten nicht aus, nie gekannte Disharmonie hält Einzug unter den Frauen. Allmählich bildet sich eine Urgesellschaft auf Basis der Besuchsehe heraus. Der lange Schlussteil berichtet von einer Expedition, an der alle Männer und die älteren Jungen teilnehmen; das Ganze endet in einem ziemlichen Fiasko, etliche von den Kindern werden unterwegs verschlampt, und der Anführer Horsa muss sich von Maronna, der ranghöchsten Frau, ganz schön die Leviten lesen lassen. „Sind wir euch so gleichgültig?” heißt es immer wieder, wenn die Männer sich zum x-ten Mal als unzuverlässig erweisen und nicht an die simpelsten Konsequenzen gedacht haben.
Aber zum Schluss scheinen alle ausgesöhnt, und Horsa sinkt Maronna in die Arme. „Horsa wurde in diesem Moment erwachsen und trat auf sie zu, um sie in die Arme zu schließen, und sie öffnete die ihren für ihn. ,Armer Junge‘, wisperte sie, und er brach zusammen und weinte – der große Horsa wurde noch einmal zum kleinen Kind. Das war angenehm, ja, ich denke, das kann ich mit Sicherheit sagen. Noch einmal ein kleines Kind in den Armen der Mutter zu sein, das gestreichelt wird und dem man verzeiht . . . ”.
Die Erzählung ändert mehrfach, wie es scheint fast geistesabwesend, die Richtung. Es geht los mit dem mythischen Konstrukt des Frauenvolks und der Adler, es setzt sich fort mit dem epischen Bericht von einer Art Argonautenfahrt mit Einbäumen und Schilfbündeln; für beides findet die Autorin irgendwie nicht die angemessene Sprache, die der beschworenen fernen und fernsten Zeit gemäß wäre. Die Frauen stehen am Uranfang, die Männer sind die Abweichung; doch erscheinen die Frauen zu Beginn, als sie noch unter sich sind, in ihrer Tägheit von Grund auf als nahezu debil, später als Nörgelliesen, die sich bei jeder Neuerung quer stellen – während aller wirkliche Fortschritt von den Männern ausgeht, diesem Gesindel.
Was hatte Doris Lessing vor? Ihre Ausgangsthese hat sie zum Schluss nicht erhärtet, eher im Gegenteil; eine exemplarische Darstellung der Menschwerdung ist auch nicht daraus geworden, von einer historischen zu schweigen. Man legt dieses schweifende Buch am Ende doch einigermaßen ratlos aus der Hand.
Doris Lessing
Die Kluft
Roman. Aus dem Englischen von Barbara Christ. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2007. 239 Seiten, 19,95 Euro.
„ ,Armer Junge‘, wisperte sie, und der große Horsa brach zusammen und weinte”
„Ich hatte mich ohnehin gefragt, ob die Männer nicht eine jüngere Art darstellen, eine untergeordnete Abweichung. Ihnen fehlt die Stabilität der Frauen, die offenbar von Natur aus mit dem Lauf der Welt in Einklang stehen.” Foto: Regina Schmeken
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.10.2007

Schock und Schande, es ist ein Junge!

Der neue Roman der Nobelpreisträgerin Doris Lessing erzählt von einer mythischen Frauenwelt, die sich ganz ohne Männer fortpflanzt. Doch dann wird ein Knabe geboren, und der moderne Geschlechterkampf beginnt.

Doris Lessings besondere Kunst besteht darin, dass sie ihre Leser auch dann zu fesseln weiß, wenn sie von Menschen, Umständen und Taten erzählt, die unserem eigenen Erfahrungsbereich entrückt sind. Sie ist sozusagen eine literarische Dolmetscherin, die die Verständigung zwischen dem Alltäglichen und dem Besonderen, dem Gewohnten und dem Exotischen möglich macht. Vielleicht hängt das damit zusammen, dass auch ihr privater Werdegang sich weitgehend zwischen solchen Polen zutrug. Doris Lessing wurde 1919 in Persien geboren. 1924 zog die Familie nach Rhodesien, dem heutigen Simbabwe, und lebte dort auf einer Farm. Erst als Dreißigjährige wechselte die Tochter in Verhältnisse, die uns Europäern vertrauter sind; sie ging nach England. Gleich darauf begann sie, Bücher zu schreiben und zu veröffentlichen. Das tat sie bis zum heutigen Tag und wird es wohl weiterhin tun, solange das Schicksal ihr ihren Atem lässt.

In ihrem jüngsten, soeben erschienenen Roman "Die Kluft" entreißt die Autorin Lessing uns vollends allem vertrauten Dasein. Nichts von dem, was wir kennen, woraus wir unsere Identitätsgefühle beziehen, finden wir in dieser Lektüre wieder. In welche Lebenswelt werden wir entführt? Die Frage bleibt bis zum Ende unbeantwortet, denn um eine Erdengegend und eine Epoche, die wir irgendwo in der Menschheitsgeschichte ausfindig machen könnten, geht es in diesem Buch nicht. Vielmehr nimmt uns die Autorin mit in phantastische Wolkenkuckucks-Areale, die nichts mit Realität, dafür eine Menge mit Glauben zu tun haben. Sollen wir etwa an sie glauben? Das hatte Doris Lessing wohl nicht im Sinn, schließlich ist sie die Zeitgenossin ihrer Leser und kann sich ausrechnen, was heute geglaubt werden kann und was nicht.

Infolgedessen schaffte sie sich - und uns - einen Vermittler, der imstande ist, Ratio und Phantastik miteinander zu versöhnen. Diese Mittlerfigur ist ein Römer des klassischen Zeitalters, ein angejahrter Senator mit literarischen und historischen Ambitionen. Er möchte seine verbleibende Lebenszeit dazu nutzen, die Geheimnisse der menschlichen Schöpfung zu entschlüsseln. Auf Grund der Äußerungen, die er über Kaiser Nero, die als staatsfeindlich verdammte Christenlehre, den Ausbruch des Vesuvs vom 24. August 79 macht, darf man ihn ungefähr der zweiten Hälfte des ersten nachchristlichen Jahrhunderts zuordnen. Also glaubte er sicherlich an Jupiter und dessen Göttergefolge, und weit ältere Mythen schienen ihm auch eine Portion Glauben, gewiss aber eine gründliche Aufarbeitung wert.

Dieser Senator beruft sich auf uralte Zeugnisse. Welcher Art die sein könnten, lässt der Roman offen. Denn der mythische Nebel, den der römische Forscher zu lüften trachtet, wabert unvorstellbar weit ins Vergangene zurück. Aber vor der schriftlichen gab es die mündliche Überlieferung. Und es gibt die Bereitschaft, Legenden, an die man glauben möchte, für echte Ergebnisse tradierten Wissens zu halten. In dieser Hinsicht ist der Senator nicht törichter als manch einer unserer Zeitgenossen.

Was schält er nun aus dem Nebelgewoge? Zunächst eine Population, die nur aus Frauen besteht. Die Weibergruppe bewohnt die Küste einer wilden Insel, wahrscheinlich irgendwo im Mittelmeer, Genaues weiß keiner. Eine Höhle ist ihr Heim, eine Felsenkluft der Ort, wo sie zuweilen überirdischen Wesen ein Kind zum Opfer bringen. Denn, und das ist besonders seltsam, sie gebären Kinder, obwohl es weit und breit keine Männer gibt und offenbar auch noch nie gegeben hat.

Vermutlich ist es der Mond, der sie befruchtet, wenn seine Scheibe voll am Himmel steht. Lange Zeit bringen sie nur Mädchen zur Welt und halten das für selbstverständlich. Bis eines Tages ein Junge geboren wird - Schock und Schande! Er wird sofort in die Opferkluft geworfen. Aber bald folgen neue Jungengeburten, und ehe die Kluft wiederum in Anspruch genommen werden kann, kommen von einem nahen Adlerfelsen die majestätischen Vögel und retten die Knaben.

Was uns hier vorgeführt wird, ist der Beginn der Menschenordnung, wie wir sie kennen. Natürlich entlockt die phantastische Geschichte uns kein gläubiges Staunen, geschweige denn eine erkenntnisgetränkte Überzeugung. Selbstverständlich reagieren wir auf die wundersame Parthenogenese mit kopfschüttelnder Verblüffung, desgleichen auf die rettenden Eingriffe der Adler und die Bereitschaft liebevoller Hirschkühe, die männlichen Säuglinge mit ihrer Milch zu nähren. Doch gedeiht die Skepsis nie so weit, dass wir das Buch verärgert beiseitelegen möchten. Denn es weist eine Eigenschaft auf, die man der bloßen Fabel nicht entnehmen kann. Die Autorin weiß ihre phantastische Szenerie so eindrucksvoll zu malen und ihre krausen Einfälle so spannend vorzutragen, dass man sich, je länger man liest, desto lieber von ihr gefangennehmen lässt.

So begleiten wir Männer wie Mädchen, die sich dem neuen, dem zweigeschlechtlichen Menschentum ergeben, bereitwillig auf ihren Wegen zu nie gekannten Triumphen und nie geahnten Problemen. Denn problematisch ist das so ganz andere Dasein durchaus. Zwischen Männern und Frauen gibt es nicht bloß neue Lust, sondern auch neuen Ärger. Die Geschlechter sind verschieden, ihre Meinungen auch, das reine Glück bescheren sie einander nicht - na ja, darüber unterrichteten uns schon unzählige andere Romane. Aber hier geht es nicht um dramatische oder komödienhafte Beziehungsgeschichten, sondern um das Ausgraben einer Wahrheit, dieser nämlich: Was der Mensch als Erfolg begreift, erwächst nicht aus lässigem Vorsichhinträumen, wie es die weibliche Urgruppe pflegt. Vielmehr entsteht der Erfolg aus der Bewältigung aller möglichen Probleme, deren erst eine zweigeschlechtliche, auf Probleme orientierte Gesellschaft innewird und die durchaus verknüpft sein können mit Blut, Schweiß und Tränen.

Also führt uns Doris Lessing, bei aller Märchenhaftigkeit ihrer Romangeschichte, durchaus in eine Art Realität, deren Grundgesetze noch heute gelten. Ob sich die Ahnen, die sie uns vorführt, tatsächlich auf die beschriebene Weise an die Bewältigung der Aufgaben machten, die die Erde ihren Bewohnern stellt, ist nicht so wichtig. In vielem könnten sie so vorgegangen sein. Der Rest bleibt Traum, und das ist ja sowieso das einzige Medium, mittels dessen wir zu ihnen Kontakt aufnehmen können.

SABINE BRANDT.

Doris Lessing: "Die Kluft". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Barbara Christ. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2007. 240 S., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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