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Dieser Briefroman, angesiedelt im antiken Griechenland, geschrieben vor 200 Jahren, ist ein politischer, ein philosophischer, ein erotischer und vor allem ein intellektueller Roman aus der Zeit der Aufklärung. Aus dem vielstimmigen Gespräch, das »Aristipp und einige seiner Zeitgenossen« miteinander führen, komponiert Wieland ein einzigartiges Kunstwerk.

Produktbeschreibung
Dieser Briefroman, angesiedelt im antiken Griechenland, geschrieben vor 200 Jahren, ist ein politischer, ein philosophischer, ein erotischer und vor allem ein intellektueller Roman aus der Zeit der Aufklärung. Aus dem vielstimmigen Gespräch, das »Aristipp und einige seiner Zeitgenossen« miteinander führen, komponiert Wieland ein einzigartiges Kunstwerk.
Autorenporträt
Wieland, Christoph Martin
Christoph Martin Wieland (1733 - 1813) war Dichter, Übersetzer und Herausgeber. Neben Lessing und Lichtenberg war er der bedeutendste und reflexionsmächtigste Schriftsteller der Aufklärung in Deutschland. Er gilt als Begründer der Tradition des deutschen Bildungsromans.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.10.2007

Freiheit mag keine Kürzungen
Jan Philipp Reemtsma liest Wielands Altersroman „Aristipp und einige seiner Zeitgenossen” Von Wilhelm Trapp
Viel weiß man nicht über den Philosophen Aristipp: Geboren um 435 v. Chr. in der griechischen Stadt Kyrene, deren Ruinen im heutigen Libyen liegen, ging er jung nach Athen, wurde Schüler des Sokrates und gründete später die kyrenaische Philosophenschule, die ihn als Vater des Hedonismus bekannt und berüchtigt machte.
Möglicherweise hat Aristipp etliche Dialoge, eine Geschichte Afrikas und illustre Abhandlungen (etwa über den Schiffbruch) verfasst, genau weiß man es aber nicht. Überliefert sind nur ein paar Sätze, ein einziger Brief, doch fest steht, dass Aristipp eine überwältigende Erscheinung, ein Kraftpol an gelassener Klugheit gewesen sein muss, Horaz vergleicht seine Ausstrahlung mit der des Sokrates selber.
Karge Daten zu einer auratischen Figur sind immer ein guter Nährboden für die Literatur, die die Wahrheit ja selbst erfindet. So regte Christoph Martin Wieland die spärliche Historie des von ihm bewunderten Philosophen zu einem Briefroman an, der 1800-01 in vier Büchern erschien (das abschließende fünfte hat er nie geschrieben). Sein Aristipp bereist die griechische Welt, besucht die olympischen Spiele, begegnet Tyrannen, Denkern und seiner Geistesschwester Lais. Diese Lais ist nicht nur die schönste, klügste, bezauberndste Frau Griechenlands, sondern überdies eine der erstaunlichsten Frauengestalten der deutschen Literatur: Souveräner als sie hat kaum jemand weibliche Freiheit vertreten. Darüber wie über alles weitere, was geschieht, was gesehen und gedacht wird, tauschen sich „Aristipp und einige seiner Zeitgenossen”, so der vollständige Titel, brieflich aus.
Der Roman ist, spürbar, ein Alterswerk. Wieland schrieb ihn auf dem 1797 erworbenen Landgut Oßmannstedt bei Weimar, zu einer Zeit, in der sich dem verehrten Horaz (auch ein Landgutbesitzer) recht nahe gefühlt haben dürfte. In Oßmannstedt lebte Wieland zwischen Bäuerlichkeit und höchster Kultur, war Landmann und Dichter zugleich, Heinrich von Kleist hat ihm hier aus „Robert Guiskard” vorgelesen. Es lag ein wenig vom Äther Arkadiens über der thüringischen Ilm, und der durchwirkt auch den Aristipp.
Der Wieland-Kenner Jan Philipp Reemtsma, der sich für die Restaurierung Oßmannstedts einsetzte und bereits zwei Wielandwerke in frische Hörstücke verwandelte, hat nun den ganzen Aristipp eingelesen, auf 24 CDs. Klar, dass es sich hier nicht um ein Haushaltshörbuch zum Bügeln handelt, sondern um das engagierte Projekt eines versierten Liebhabers. Doch wird sich selbst der Gutwillige fragen: Ob’s denn nicht auch ein paar Briefe weniger getan hätten? Sie hätten es womöglich. Doch wie so oft ist auch hier Vollständigkeit nur konsequent. Schon, weil brieflicher Austausch hier vor allem bedeutet: ungehindert Ausreden können, Antworten zu achten, im Fortgang des Gesprächs seinen Zweck zu sehen. Denn das Hauptthema des Werks ist die freie, unabschließbare Entfaltung des Denkens und Mitteilens, mithin die Freiheit schlechthin (und die mag keine Kürzungen). Unter ihrem Zeichen wird viel Kluges über die Liebe, über Tyrannentum und Demokratie, den Zweck des Sports und die Satire geschrieben. Kurz und mit Reemtsma gesagt, im Aristipp hat „Wieland für sich eine Bilanz dessen gezogen, was Aufklärung bedeutet”.
Ein philosophischer Roman also? Ja und nein. Denn dieser Aristipp ist der Realphilosoph unter den Denkern, was sich nirgendwo besser zeigt als in dem Punkt, der dem Hedonismus seinen zweifelhaften Ruf einbrachte: „Aristippen hieß die Sinnenlust ebensowohl ein Gut als irgendein anderes, er sah keinen Grund, warum er es nicht mit dem ganzen menschlichen Geschlecht halten sollte, welches stillschweigend übereingekommen ist, alles gut zu nennen, was ihm wohl bekomme” – so verteidigt ein Freund den Hedonismus: Nichts für Lüstlinge, sondern für realistische, den Körper nicht verleugnende Köpfe.
Eine fast antiphilosophische Denklehre, deren Bodenhaftung vor Spintisiererei, vor „naseweisen Klüglingen oder eingebildeten Allwissern” bewahren soll. Zu letzten Schlüssen gelangt man damit nicht, aber Aristipp sucht ja auch nicht die absolute, sondern eine pragmatische Wahrheit, und dafür ist das wie der Erörterung so wichtig wie ihr Thema: Die Briefe erlauben es Wieland, die Direktheit des Dialogs mit der Offenheit des Monologs zu größter geistiger Zwanglosigkeit zu verbinden. Dieses freischwingende Denken gibt dem Buch seinen tiefen, ruhigen Atem.
Man hört das Ungezwungene in jedem Satz. Wielands stilistische Reife äußert sich nicht in funkelnder Brillanz, sondern in ungekünstelter Sprache, die Reemtsma ganz natürlich von den Lippen fließt. Der Philologe zeigt sich wieder als ausgezeichneter, alles erfassender und gelten lassender Sprecher. Seine Stimme hat einen jugendlichen Zug, der die diversen Lebensphasen der Figuren umso echter machen könnte – doch liest Reemtsma leicht distanziert, ohne den Text theatral aufzupolieren. Sollte man das aber nicht? Sollte man nicht am besten das gute Dutzend Briefschreiber verschieden besetzen? Der naheliegende Gedanke geht am Werk vorbei, jeder Schauspieler müsste daran verzweifeln, die Korrespondenten als Charaktere zu gestalten. Reemtsma liest die Briefe nicht wie ein fiktiver Verfasser, sondern wie ein Erbe, dem sie in die Hände fielen: vertraut, aber ohne direkten Bezug. Er kommt damit Wieland äußerst nahe.
Denn anders als Goethe, dessen Werther sein tremolierendes Herz direkt in den Rhythmus seiner Sätze gießt, dient Wieland der Brief zur Abklärung. Aristipps Gelassenheit setzt Distanz zu unkontrollierten Gefühlen unbedingt voraus. Was teils zu komischen Verrenkungen führt, wenn etwa der junge, schöne Philosoph zum ersten Mal mit der noch schöneren Lais allein im Garten spaziert und es brav beim Spazieren bleibt, denn es „ist die natürliche Wirkung der vollkommenen Schönheit”, dass sie nicht „die leiseste Begierde” erweckt. Na ja.
Für Wieland, den ersten Erotiker Weimars, soll der Mensch das Ergebnis seines Denkens, nicht Fühlens sein. So ist es im ganzen Roman: Die Alabasterscheibe der Reflexion wahrt den Sicherheitsabstand zum Leben, selbst Hartes kann sie noch milchweich konturieren: Dass Lais als Hetäre endet, ist ihr letzter, stiller Sieg, da akzeptiertes Schicksal. Wieland misstraute dem Pathos, im Revolutionären wie im Tragischen.
Letzteres holte ihn schließlich doch ein. Der Aristipp hat das lichte Blau über Oßmannstedt festgehalten, aber der Roman bricht ab, als dieser Himmel zerreisst. 1801 war Wielands Frau Anna Dorothea, im Jahr zuvor die junge Sophie Brentano auf Oßmannstedt verstorben. Wieland verkaufte das Gut, zog nach Weimar, und so heikel derartige Vermutung auch sind: Nach diesen Schlägen hat ihm wohl die seelische Kraft gefehlt, um das anstrengende, noch den Tod denkend überwindende Werk zu beenden. Das wäre nämlich die Vollendung des auch formal gewaltigen Aristipp-Experiments gewesen: Es kommen ja mit der Zeit zu den Briefen Aristipps und Lais’ immer neue Stimmen hinzu – bis der Denker selbst im fünften Buch vermutlich aufgegangen, aufgehoben worden wäre im hochgestimmten Chor der Freunde, im immerwährenden Echo seiner Klugheit. In dieser Tradition dürfte sich der Vermittler, der bahnbrechende Übersetzer Wieland (der Shakespeare zum deutschen Klassiker machte, der in Oßmannstedt Horaz übertrug) selbst gesehen haben. Sein Aristipp ist das große Zeugnis des festen Glaubens, dass eine frohe, lebenslustige Vernunft, die sich mit der Sinnlichkeit verbündet, statt sie zu bekämpfen, das Rohe im Menschen besiegen könne.
Christoph Martin Wieland
Aristipp und einige seiner
Zeitgenossen
Gelesen von Jan Philipp Reemtsma, Hoffmann und Campe, Hamburg 2007. 24 CDs, 99,95 Euro.
Hedonismus ist nichts für Lüstlinge. Freie Köpfe verleugnen den Körper nicht
Es ist die natürliche Wirkung der vollkommenen Schönheit, dass sie keine Begierde weckt
„Aristippen hieß die Sinnenlust ebensowohl ein Gut als irgendein anderes, er sah keinen Grund, warum er es nicht mit dem ganzen menschlichen Geschlecht halten sollte, welches stillschweigend übereingekommen ist, alles gut zu nennen, was ihm wohl bekomme.” 435 von Christus soll der Philosoph Aristipp in Kyrene geboren worden sein. Wieland erkor ihn zum Helden seiner Aufklärungsbilanz in Romanform, die er auf seinem Gut Oßmannstedt verfasste. Oben: eine Muse in Kyrene, heute Libyen, unten: eine Büste von Christoph Martin Wieland im Innern des Gutes in Oßmannstedt bei Weimar. Fotos: Corbis, dpa
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Wolfgang Schneider zeigt sich in seiner Besprechung nicht nur begeistert über Wielands Briefroman selbst, sondern ist auch ehrlich angetan von der Einlesung durch Jan Philipp Reemtsma. Zum einen ist Wieland für Schneider (und man vermutet: auch Reemtsma) Kronzeuge einer anderen Rezeption der griechischen Klassiker als Goethe und Schiller, zum anderen empfindet er die weibliche Hauptfigur Lais als so souveräne und selbstbewusste Frau, dass sie eigentlich zu "den Kronzeuginnen des Feminismus gehören" sollte. Sowohl das Philosophieren als auch der "menschlich-allzumenschliche Unterbau" der Philosophen kommen bei Wieland auf ihre Kosten, findet Schneider. Reemtsma wird gelobt für seine Verdienste um Wieland, dessen Werke er herausgegeben habe und um dessen Gut (bei Weimar) er sich verdient gemacht habe. Durch den Briefstil, der wenig Stimmvariation fordere, sei Reemtsma zudem ein guter Vorleser des "Aristipp", und manchmal sei durch "ein ganz leichtes Vibrato" seiner Stimme eine "Romanze zwischen Buch und Vorleser" spürbar.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Ein reiches Panorama wird in diesem meisterhaft komponierten Briefroman aufgeblättert. (...) in einer kunstvoll ungekünstelten und dennoch tiefen Sprache, deren Melodie einen sofort in den Bann zieht.« (Georg Patzer, Badische Neueste Nachrichten, 08.02.2023)