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Tot oder lebendig?
Amerika, Mitte des 19. Jahrhunderts: Nachdem er im Kampf um eine Frau den Pferdedieb Lobo Bill erschossen hat, verlässt der abgebrannte Trapper und Fellhändler Zebulon Shook seine Hütte am Gila-Fluss in New Mexico und zieht Richtung Westen. Sein Weg führt ihn durch ein Land von wilder Schönheit, wo keine Gesetze gelten. Mit einer Kugel im Herzen reitet er dem letzten Sonnenuntergang entgegen.

Produktbeschreibung
Tot oder lebendig?

Amerika, Mitte des 19. Jahrhunderts: Nachdem er im Kampf um eine Frau den Pferdedieb Lobo Bill erschossen hat, verlässt der abgebrannte Trapper und Fellhändler Zebulon Shook seine Hütte am Gila-Fluss in New Mexico und zieht Richtung Westen. Sein Weg führt ihn durch ein Land von wilder Schönheit, wo keine Gesetze gelten. Mit einer Kugel im Herzen reitet er dem letzten Sonnenuntergang entgegen.
Autorenporträt
Rudolph Wurlitzer, geboren 1937 in Cincinnati, Ohio. Fünf Romane in knapp 40 Jahren. Wurlitzer lebt in New York und Nova Scotia.

Rudolf Hermstein, geboren 1940, studierte Sprachen in Germersheim und ist der Übersetzer von u.a. William Faulkner, Allan Gurganus, Doris Lessing, Robert M. Pirsig und Gore Vidal. Er wurde mit dem Literaturstipendium der Stadt München sowie mehrfach mit Stipendien des Deutschen Übersetzerfonds ausgezeichnet. 2009 erhielt Rudolf Hermstein den "Münchner Übersetzerpreis".
Rezensionen
"Die Frauen bei Wurlitzer lassen Deadwood ausschauen wie Bonanza." Robert Downey Sr.

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Begeistert hat Rezensent Frank Schäfer Rudolph Wurlitzers nun auch auf Deutsch erschienenen Roman "Zebulon" gelesen. Bereits in den 70er Jahren hatte Wurlitzer diese Geschichte als Drehbuch vorgelegt, aus dem sich Jim Jarmusch für seinen Anti-Western "Dead Man" reichlich bediente, informiert der Kritiker. Erzählt wird die Geschichte eines durch Einsamkeit und Alkohol sonderlich gewordenen "Zivilisationsrebellen" aus dem Südwesten der USA, der sich Mitte des 19. Jahrhunderts kurz vor dem Bürgerkrieg wehmütig von seiner Pionier-Zeit verabschieden muss und sich nun in der veränderten Welt eines expandierenden Staates zurechtfinden muss. Der Rezensent liest hier eine "sarkastische Abrechnung" mit den romantischen Westernmythen, in welcher die Eigenschaften des Genres wunderbar persifliert werden. Der Kritiker hat sich nicht nur von der "abgründigen" Handlung dieses "anspielungsreichen Metawesterns" in den Bann ziehen lassen, sondern hat sich mit den geradezu "existentialistischen" Dialogen auch bestens amüsiert.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.10.2012

Das Leben ist ein B-Movie
Über den Autor Rudolph Wurlitzer und seinen buddhistischen Westernroman "Zebulon"

Manchmal ist der Datumsstempel vor allem lästig. Diese beurkundete Zeitgenossenschaft, dieses beflissene Auf-der-Höhe-sein-Wollen, da wird auch ein Roman leicht zum Adabei. Hier ist das anders. Wenn dieser Roman angeschwemmt worden wäre wie eine Flaschenpost, ohne Umschlag, Klappentext, einfach so, dann hätte man eine ganze Weile darüber nachdenken müssen, ob das nun ein Gruß aus der Zukunft ist, der vierzig Jahre zu spät kommt, oder ob er derart aus der Zeit gefallen ist, dass er schon wieder in unsere Zeit passt. Sobald man dann hineingeraten ist in dieses Buch, das man auch einen buddhistischen Western nennen könnte, gesättigt von den Mythen der Frontier, gespeist aus den Tropen des Kinos, dann wird auch schnell klar, warum das so sein muss, warum da nie fester Boden unter den Füßen ist.

Dieser Roman von Rudolph Wurlitzer heißt "Zebulon", wie einer der Söhne Jakobs, also einer der Stammväter Israels. Daraus muss man keine große Geschichte machen. Im Original heißt der Roman "The Drop Edge of Yonder", er spielt in den Jahren des kalifornischen Goldrauschs, in der Mitte des 19. Jahrhunderts also, aber zugleich ist er verwurzelt in Postmoderne und Gegenkultur. Bevor es das Buch war, das es nun ist, nannte Wurlitzer in den siebziger Jahren ein Drehbuchprojekt mal "Zebulon", Regisseure wie Hal Ashby und Sam Peckinpah interessierten sich dafür und bekamen es nicht finanziert, was ein Jammer ist und zugleich leicht verständlich, weil die Studios nach der kurzen Blüte von New Hollywood schon die bloße Vorstellung eines metaphysischen Westerns hassten.

Rudolph Wurlitzer war eher zufällig hineingestolpert in die New-Hollywood-Welt. Vom Geld, das seine deutschstämmigen Vorfahren mit der Jukebox gemacht hatten, war in seinem Familienzweig nicht mehr viel übrig, als er 1937 geboren wurde. Er ging früh auf Reisen, fuhr mit 17 auf einem Öltanker nach Marokko und Kuweit. Er besuchte Kuba direkt nach der Revolution, ging ein paar Jahre in die Army, studierte an der Columbia-Universität und an der Sorbonne, war Sekretär des Dichters Robert Graves auf Mallorca; er las Burroughs, Beckett, Joyce, Genet und was man damals gelesen haben musste, er schrieb selber - und ließ so eine dieser Biographien entstehen, die man heute eher für die literarischen Fiktionen jener hält, die sie lebten.

Beckett als Droge

Wurlitzer war 31, als sein erster Roman erschien, "Nog", von Pynchon gelobt; ein zweiter, "Flats", folgte 1970 - Romane mit Erzählern ohne Namen, auf Reisen ohne Ziel, mit bröckelnden Identitäten und einer starken Infusion Beckett, obwohl Wurlitzer, wie er mal sagte, aufgehört hatte, Beckett zu lesen, um nicht abhängig zu werden wie von einer Droge. Wurlitzer schrieb auch an Drehbüchern mit, weil er den Regisseur Jim McBride kannte, er war mit Philip Glass befreundet und mit dem Fotografen Robert Frank. Und als dann Monte Hellman, der 1965 mit Jack Nicholson seine beiden Beckett-Western "The Shooting" und "Ride in the Whirlwind" gedreht hatte, "Nog" las, gab er Wurlitzer das Drehbuch zu "Two-Lane Blacktop". Schreib was, was ich noch nicht gelesen habe, soll Hellman gesagt haben, und Wurlitzer schrieb es um, dieses absurde Autorennen quer durch Amerika, bei dem die Charaktere nur "the driver", "the girl" oder "the mechanic" heißen und an dessen Ende der Film sich entzündet und selbst verzehrt. Autor und Regisseur waren auf dem Weg zum Star. Das Magazin "Esquire" druckte im April 1971 das ganze Drehbuch ab, mit der lapidaren Ankündigung: "The Film of the Year". Es wurde der Flop des Jahres und einer der Filme, die zum Emblem für New Hollywood taugen, für diese ungeheuer produktive, diese hingebungsvoll an der eigenen Selbstzerstörung arbeitende Bewegung.

Wurlitzer war mittendrin, in Los Angeles, ohne Drehbuchseminare, ohne Filmschule. Er schrieb für Sam Peckinpah das Drehbuch zu "Pat Garrett and Billy the Kid" (1973), jenem elegischen Spätwestern, den das Studio Peckinpah wegnahm und verstümmelte, und er schrieb einen Roman über Los Angeles, "Quake" (1974). Dann wurde es still. In den achtziger Jahren schrieb er für Alex Cox "Walker", später für Volker Schlöndorff das Drehbuch zu "Homo Faber" und für Bertolucci zu "Little Buddha", er arbeitete an lauter Drehbüchern, die nie in Produktion gingen. Irgendwann erzählte Wurlitzer auch Jim Jarmusch, den er aus der Boheme der Lower East Side kannte, von "Zebulon". Und wunderte sich sehr, dass dann 1995 auf einmal "Dead Man" herauskam, ein etwas angestrengter Arthouse-Film in Schwarzweiß, in dem ein Mann mit einer Kugel im Herzen seine letzte Reise nach Westen antritt, um am Ende in einem Kanu hinaus aufs Meer zu gleiten. Wurlitzer überlegte kurz, ob er Jarmusch verklagen sollte. Er ließ es, er nahm die Sache zum Anlass, aus seinen verschiedenen Drehbuchideen und -recherchen den Roman "The Drop Edge of Yonder" zu machen, der 2008 in Amerika erschien. Und mit der Gelassenheit des langjährigen Buddhisten hat Wurlitzer in einem Interview gesagt, inzwischen sei er Jarmusch "auf ziemlich verquere Weise dankbar".

Das muss man als Leser auch sein, nachdem die Idee zu diesem Roman durch die Jahrzehnte gegeistert ist wie Zebulon Shook durch die verschwindende Welt des Westens, in den um 1850 Recht und Ordnung und Kapitalismus einziehen. Die Wildnis ist zivilisiert, die Frontier, jene Grenze, hinter der das Neue, das Abenteuer lockten, hat sich bis an den Pazifik verschoben, die große Leere wird gefüllt, und während dieser Prozess sich noch vollzieht, beginnt die untergehende Welt sich in den Augen mancher Betrachter schon leicht zu verklären. Die Outlaws werden Legenden im Moment ihres Aussterbens.

Wurlitzers Zebulon ist ein Trapper aus den Bergen, ein Mann von Mitte dreißig, er lässt den Pelzhandel hinter sich, der nichts mehr abwirft, zieht auf Umwegen nach Kalifornien und wird verflucht von einer Halbblutfrau namens "Nicht-hier-nicht-da", weil er ihren Tod verschuldet: "Von nun an wirst du wie ein Blinder zwischen den Welten treiben, ohne zu wissen, ob du tot oder lebendig bist, ob die unsichtbare Welt existiert oder ob du träumst. Drei Mal wirst du vor dir selbst verschwinden, und vor allen, die du kennst."

Tod bei Full House

Diese Motive des Übergangs, des Gefangenseins zwischen Leben und Tod, der Reise ins Nichts, geben dem Roman seine eigentümliche Richtung. Er bewegt sich fort wie ein Western, es wird geschossen, geritten und gestorben - und zugleich wiederholt sich für den Helden die eine Situation, der er nicht mehr entkommt, mit minimalen Variationen: dieselbe Klaviermusik, derselbe Saloon, dieselbe Frau, von der er nicht lassen und mit der er nicht leben kann, dasselbe Pokerblatt, ein Full House, das gegen den Straight Flush mit Dame verliert, der Schusswechsel im Dunkeln, bei dem nie klar wird, wer auf Zebulon geschossen hat, das Aufwachen in einem Graben, Auge in Auge mit dem Ziegenbock, der mit melancholischem Blick Abfälle frisst und der Zebulon an seinen Vater erinnert.

So krümmt sich der lineare Verlauf immer wieder, bis Zebulons Weg zirkulär wird, um dann aufs Neue voranzuschreiten. "War er in Wirklichkeit längst tot und träumte sein Leben und wie es gewesen war oder hätte sein können?", fragt sich der untote Held, ohne jemals in die Nähe einer Antwort zu kommen. Dass es einem in dieser Zeitschleife auf dreihundert Seiten nicht langweilig wird, hat einen simplen Grund: Wurlitzer schreibt eine knappe, klare Prosa, voller Eleganz und Drastik, voll absurdem Witz in den Dialogen und mit Gespür für Plot. Da ist, wenn man es an den üblichen Parametern misst, genug Action für mindestens einen Western, da werden Männer gehängt und Schusswechsel bis zum letzten Mann ausgetragen; "riesige Moskitos kamen in Schwärmen durch die offenen Bullaugen und taten sich auf freiliegendem, wundem Fleisch gütlich", während Klaviergeklimper "sich in die Alpträume der Gefangenen drängte wie ein betrunkener Chirurg, der das Fleisch von den Knochen kratzt".

Und weil man, zumindest bei einem großen Teil der Leser, noch immer die Bildwelten des Westerns voraussetzen kann, entsteht beim Lesen der grandiose Effekt, dass die vertraute Topographie durch Wurlitzers Prosa in ein ganz eigenes, seltsames Licht getaucht wird: Es lässt das Vertraute wie eine große Halluzination erscheinen, und im Umkehreffekt erscheint der Zustand zwischen Leben und Tod, zwischen Realität und Traum, wie ein Western, den der B-Movie-König Roger Corman produziert haben könnte.

PETER KÖRTE

Rudolph Wurlitzer: "Zebulon". Roman. Deutsch von Rudolf Hermstein. Residenz-Verlag, 304 Seiten, 22,90 Euro

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