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Eine Ode an die Menschlichkeit
Während im Jahre 1969 in Amerika Abertausende für ein Ende der Gewalt in Vietnam demonstrieren, müssen sich am anderen Ende der Welt junge Männer in einem Krieg behaupten, dessen Gründe ihnen niemand erklären kann. Dies ist die Geschichte von Second Lieutenant Waino Mellas, der den Befehl erhält, einen abgelegenen Hügel an der nordvietnamesischen Grenze zu einer Kampfbasis auszubauen. Die Soldaten taufen die in kalten Monsunregen gehüllte Kuppe auf den Namen Matterhorn. Ihre Mission führt auf eine Odyssee des Grauens, auf der die Männer sich gegen die gnadenlose Natur und einen unsichtbaren Feind behaupten müssen.…mehr

Produktbeschreibung
Eine Ode an die Menschlichkeit

Während im Jahre 1969 in Amerika Abertausende für ein Ende der Gewalt in Vietnam demonstrieren, müssen sich am anderen Ende der Welt junge Männer in einem Krieg behaupten, dessen Gründe ihnen niemand erklären kann. Dies ist die Geschichte von Second Lieutenant Waino Mellas, der den Befehl erhält, einen abgelegenen Hügel an der nordvietnamesischen Grenze zu einer Kampfbasis auszubauen. Die Soldaten taufen die in kalten Monsunregen gehüllte Kuppe auf den Namen Matterhorn. Ihre Mission führt auf eine Odyssee des Grauens, auf der die Männer sich gegen die gnadenlose Natur und einen unsichtbaren Feind behaupten müssen.

Autorenporträt
Marlantes, KarlKarl Marlantes, 1944 in Oregon geboren, ist Yale- und Oxford-Absolvent. Er diente in Vietnam, brachte es bei den Marines bis zum Lieutenant und wurde mehrfach für seine Tapferkeit ausgezeichnet. Über dreißig Jahre schrieb Marlantes an seinem Roman Matterhorn, der nach seinem Erscheinen in den USA zu einem internationalen Bestseller wurde.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.11.2012

Verzückungsrausch im Gemetzel

Den Ignoranten zeigen, wie es wirklich war: Mit dem Vietnam-Kriegs-Roman "Matterhorn" legt der ehemalige amerikanische Soldat Karl Marlantes buchstäblich sein Lebenswerk vor.

Vietnam ist für Amerikaner das Trauma, das nicht vergeht. Kein anderer Krieg ist so oft Gegenstand von Romanen und Filmen geworden, keiner scheint zugleich so diskreditiert. Die Entmythisierung hat längst selbst mythische Formen angenommen: Vietnam als ungerechter Krieg, als psychedelischer Exzess wie in "Apokalypse Now", als hybride Mischung von Pop und Tod, als tiefste moralische Blamage der Weltmacht.

Als der fünfundzwanzig Jahre alte Karl Marlantes im Sommer 1970 nach seinem dreizehnmonatigen Einsatz in Vietnam durch Washington ging, geriet er in eine Gruppe von Antikriegsdemonstranten, die ihn als "Babykiller" beschimpften. Ohnmächtige Wut bis zum - noch von den Einsätzen eingespurten - Tötungsimpuls packte ihn. Wofür hatte er sein Leben eingesetzt, wofür war er schwer verwundet worden? Seitdem rumorte in Marlantes ein literarisches Projekt, das sich schließlich zum Roman "Matterhorn" auswuchs: den Ignoranten zeigen, wie es wirklich war. Es ist buchstäblich ein Lebenswerk, dessen Intensität die meisten anderen Kriegsromane übertrifft.

Hauptfigur ist der junge Second Lieutenant Waino Mellas. Er kommt frisch vom Campus und hat sich freiwillig gemeldet. Teils ist es der Wunsch, nicht als privilegierter Drückeberger dazustehen, teils auch die Vorstellung, dass der eine oder andere Orden später im zivilen Leben nützlich sein könnte.

Auf den ersten hundert Seiten fällt kein Schuss, aber gekämpft wird trotzdem: mit dem Monsunregen und der eiternden "Dschungelfäule" auf der Haut, mit Wundbrand an den Füßen, blutigen Schnitten vom "Rasiermessergras", ewigem Dreck und Gestank, der Langeweile und der Angst und den unermüdlichen Blutegeln. Ausgiebig werden die Qualen eines Soldaten beschrieben, dem ein Egel in die Harnröhre gekrochen ist. Eine Notoperation wird improvisiert - den Leser erwartet ein urologisches Schreckensszenario. Mellas und seine Soldaten erfüllen Aufträge, deren Zweck nicht ersichtlich ist. Das Matterhorn, eine Bergkuppe mitten im Dschungel an der Grenze zu Laos und Nordvietnam, wird von Vegetation befreit und planiert, die Soldaten graben Erdlöcher und Bunker, errichten Geschütze. Kaum sind sie fertig mit der Schinderei, sollen sie das Matterhorn, diese "hässliche Knolle", auch schon wieder verlassen und im fast undurchdringlichen Dschungel nach Vietcong-Waffenlagern suchen. Über Funk erteilt der Kommandeur der taumelnden Truppe immer neue Zusatzaufträge. Es ist ein einziger Albtraum.

Grenzzustände des Menschlichen werden ausgelotet. Die eigentliche Schlacht beginnt erst nach vierhundert Seiten. Inzwischen haben sich die Nordvietnamesen auf dem Matterhorn eingenistet. Gegen die von ihr selbst gebauten Befestigungen soll die Bravo-Kompanie nun anrennen - ein absurdes Todeskommando. "Natürlich brauchten Sie den Scheißberg nicht. Sie hatten ihn ja selbst geräumt." Es geht um gegnerische Verlustzahlen, mit denen ein Kommandeur seine stagnierende Karriere voranzubringen hofft.

Mit rüder Genauigkeit wird die nicht endende Verstümmelungsorgie beschrieben, all die aufgerissenen Leiber, herausquellenden Eingeweide, abgerissenen Beine, platzenden Köpfe und weggeschossenen Unterkiefer. Das erinnert an den zeitlupenhaften Hyperrealismus der ersten zwanzig Minuten des Spielberg-Films "Der Soldat James Ryan" - mit dem Unterschied, dass Marlantes keine unbekannten Soldaten sterben lässt, sondern Figuren, die sich aus den Dialogen und Beschreibungen des Romans langsam, aber nachhaltig konturiert haben. Er schafft es beeindruckend, die unterschiedlichen Typen und Temperamente in der Truppe zu schildern.

Zum Grauen des Gemetzels kommt der "körperliche Rausch" des Kämpfens. Die extreme Adrenalinausschüttung führt zu Verzückungszuständen. Mellas läuft auf die feindliche Stellung zu: "Sein Herz, sein ganzer Körper strömte von einer Empfindung über, die er nur als Liebe bezeichnen konnte." Beklemmend stellt Marlantes die Ambivalenz der Gefühle im Kampf dar und schildert die Psychologie des Ausnahmezustands - "all jene nervösen Rituale, die man durchläuft, damit das Ich angesichts des drohenden Todes weiterfunktioniert".

Das Ausmaß gegenseitiger Aufopferung erstaunt umso mehr, als die Bravo-Kompanie nicht gerade als Hort der Eintracht gezeichnet wird. Es gärt gewaltig, vor allem zwischen "Splibs" und "Chucks", Schwarzen und Weißen. Vorurteile, Schikanen, Hass und Gewaltausbrüche sind an der Tagesordnung und werden von den Zugführern nur mühsam in Schach gehalten. Es gibt Black-Panther-Aktivisten, die Waffen für den Kampf in den amerikanischen Städten abzweigen wollen, was grotesk ist, weil es dort an Waffen nicht mangelt. Der Rassenkonflikt, der die Vereinigten Staaten damals erschütterte, ist die zweite Front - hier wird der Roman zum Gesellschaftspanorama.

Das ist er auch noch in anderem Sinn: Die Hierarchie in der Truppe erscheint als soziales Abbild. Das Missverhältnis zwischen den Kommandeuren und den Soldaten im Einsatz nimmt bisweilen die Züge einer grimmigen Komödie an. Der Hass der Soldaten richtet sich auf die Aktentaschen-Krieger in der Etappe, die "mit verschwitzten Gesichtern und glänzenden, unbenutzten Pistolen hin und her hasteten".

In den Vereinigten Staaten heften sich Debatten über Kriegsromane und Kriegsfilme oft an Details: ob dieses oder jenes Schulterstück an einer Uniform korrekt sei, ob dieser oder jener Einsatz nicht in Minute dreiundzwanzig ganz anders gewesen sei und mit einem bestimmten Geschütz überhaupt aus einem ganz speziellen Winkel habe geschossen werden können. Veteranenhaarspalterei, die von jedem Autor ein Höchstmaß an "Authentizität" erfordert, wenn er sich nicht lächerlich machen will in den Augen der Wissenden. Der militärische Mikro-Naturalismus von "Matterhorn" mag einiges damit zu tun haben. Zugleich aber ist dies ein Roman, der sich darstellerische Freiheiten nimmt. Man mag bezweifeln, ob eine Kompanie im Dschungel tatsächlich sechs Tage ohne jede Versorgung mit Nahrung gelassen und trotzdem zu immer weiteren Ergänzungsaufträgen befohlen worden wäre - aber es ergibt ein erschütterndes Sinnbild kreatürlichen Leidens.

Marlantes Sprache ist nüchtern und durchsetzt mit militärischem Jargon. Mehr als die Hälfte des Romans besteht aus Dialogen, die oft ziemlich derb daherkommen. Nikolaus Stingls Übersetzung bringt das ohne Krampf und Künstlichkeit ins Deutsche, und sie transportiert auch den lakonisch-grotesken Ton, der sich geltend macht, wenn es um die Karrierespielchen hinter dem Heldentheater geht. Dieser Roman ist eine blutige Farce, ein Aufschrei des Leidens, ein Memorial für die Geschundenen und Zerfetzten eines Tages, der in der offiziellen Pressemitteilung unter "leichte Verluste" abgebucht wurde.

WOLFGANG SCHNEIDER

Karl Marlantes: "Matterhorn". Roman.

Aus dem Amerikanischen von Nikolaus Stingl. Arche Verlag, Zürich 2012. 672 S., geb., 24,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Noch einmal Vietnam? Christoph Schröder versichert, dass der Leser dieses Buch so schnell nicht vergessen wird. Das Thema ist bekannt, doch wie Karl Marlantes innenperspektivisch und hyperrealistisch, stilistisch fiebernd und nicht metaphysisch gewendet, sondern sehr konkret, wie Schröder erklärt, Tod, Leid und Sinnlosigkeit des Krieges rekapituliert, das hat den Rezensenten nachhaltig beeindruckt. Dass der Autor kein eleganter Erzähler ist, zum Überexpliziten, zu psychologischen Kurzschlüssen, ja zum Kitsch neigt, kann Schröder da verkraften.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.02.2013

Hellwach im Dreckloch
Der amerikanische Vietnam-Veteran Karl Marlantes hat 25 Jahre lang an seinem
Roman „Matterhorn“ geschrieben – und zeigt darin alle Fronten und Facetten des Krieges
VON CHRISTOPH SCHRÖDER
Leichte Verluste, das ist ein Euphemismus, der die Öffentlichkeit eines Landes im Kriegszustand beruhigen soll. Leichte Verluste hatte die Bravo-Kompanie des 42. Marineinfanterieregimentes bei der Rückeroberung jenes „Matterhorn“ genannten Berges im vietnamesischen Dschungel zu verzeichnen. Nach offiziellen Angaben. Was sich hinter dem manipulativ verwendeten (und durch absurde Rechenspiele überhaupt erst zu rechtfertigenden) Begriff verbirgt, das erzählt Karl Marlantes, geboren 1944 und selbst mehrfach mit Auszeichnungen bedachter Teilnehmer am Vietnamkrieg in den Jahren 1968 und 1969, in seinem knapp 700-seitigen Roman, den zu schreiben ihn etwa 25 Jahre seines Lebens gekostet hat. Wer fragt, warum man noch etwas über diesen Krieg lesen sollte, dem sei Marlantes’ Buch empfohlen. Nicht dass es als Kunstwerk perfekt wäre, das ist es nicht. Aber es fächert aus einer Innenperspektive und in einem geradezu hyperrealistischen, fiebernden Stil sämtliche Facetten von Tod, Leid und der Sinnlosigkeit des Kriegsalltags auf.
  Waino Mellas heißt der Protagonist des Romans; eine Figur, die von Beginn an ambivalent angelegt ist: Ein kluger Kopf, frisch vom College gekommen, der sich freiwillig zum Dienst in Vietnam gemeldet hat, nicht zuletzt aus der taktischen Überlegung heraus, dass sich das für seine spätere Karriere im Zivilleben positiv auswirken würde. Zu Beginn, als die Tage träge dahinfließen und die Feinde keine Soldaten, sondern das Wetter, die Dschungelfäule, die die Haut eitern lässt, und die Blutegel sind, ist das Denken in Kategorien von Ruhm und Heldentum noch möglich.
  Später nicht mehr. Denn anders als bei Denis Johnson, in dessen opulentem Roman „Ein gerader Rauch“ die Pointe eher darin besteht, dass nichts passiert und niemand weiß, was er tut, werden die Schrecken des Kampfes bei Marlantes schnell konkret. Mellas’ Einheit erhält den Auftrag, den „Matterhorn“ getauften Berg (der „Eiger“ ist nur wenige Kilometer entfernt) als Gefechtsstand auszubauen. Als das geschehen ist, wird die Kompanie abgezogen und zur Aufklärung in den Dschungel geschickt, um später den Befehl zu erhalten, das mittlerweile von der nordvietnamesischen Armee besetzte Matterhorn zurückzuerobern.
  Der Mittelteil des Romans, in dem der noch unerfahrene Mellas, getrieben von den Befehlen einer unbarmherzigen Armeeführung, seinen Zug über Tage hinweg ohne Nahrung und ohne Wasser am Rande der Erschöpfung und der Halluzination durch das Dickicht führen muss, auf jede Bewegung, jedes Geräusch reagieren müssend, sind glänzend und von schwer erträglicher Anspannung. Die zermürbende Hölle wird nicht metaphysisch überhöht. Sie bleibt genau das, was sie ist – ein lebensgefährliches Dreckloch. Nach und nach schält Marlantes aus den zahlreichen Namen, die zu Beginn ein Höchstmaß an Konzentration erfordern, um den Leseanschluss nicht zu verlieren, Charaktere heraus. Marlantes geht es um die Rehabilitierung des Einzelnen als Kontrast zu Dienstgraden und -nummern, deren Verwendung es einfacher macht, sie in Form von toten Körpern in die Heimat zurückzufliegen. Und es geht ihm darum, dass der Krieg das Menschsein in allen Facetten zum Vorschein bringt, auch in unguten, unerwünschten: Man weiß, dass man hier ist, um zu töten; man findet Gefallen daran: „Mellas’ Sinne waren hellwach. Ein Schauer der Erregung überlief ihn. Er fühlte sich wunderbar mächtig und gefährlich.“
  Das Gelingen oder Misslingen einer Mission entscheidet sich letztendlich hauptsächlich anhand der Zahl der getöteten Feinde. Das (fiktive) 42. Marineinfanterieregiment ist gleichzeitig aber auch ein Spiegel der Gesellschaft ihrer Zeit. Der Krieg verläuft streng genommen an drei Fronten. Denn nicht nur nebenbei schwelen die Konflikte zwischen den weißen und den schwarzen, der Black-Power-Bewegung nahestehenden Soldaten und entladen sich immer wieder in Gewalttätigkeiten innerhalb der Truppe. Zum anderen wächst bei den Soldaten das Bewusstsein dafür, in der Heimat für das, was sie tun, nicht als Helden verehrt zu werden. Die Perspektiven heißen Tod, Verachtetwerden oder Verrat.
  Karl Marlantes ist kein eleganter Erzähler. Er hat hin und wieder eine Neigung zum Überexpliziten und auch zu psychologischen Kurzschlüssen. Die schwächsten Passagen in „Matterhorn“ sind nicht ganz zufällig diejenigen, in denen gelegentlich aus der Innenansicht einzelner Soldaten Erinnerungen an die Kindheit oder die Familie zu Hause evoziert werden. Da gerät Marlantes in die Nähe der Klischees. Das ist aus der Binnenperspektive des Romans erklärbar – so weit weg ist diese friedliche Parallelwelt, dass sie sich nur noch aus Fertigbausteinen zusammensetzen lässt.
  Mindestens fragwürdig ist auch der etwas bizarre Versuch einer Engführung von Kriegshandlung und Holocaust: „Plötzlich verstand er, warum die Opfer der Konzentrationslager so ruhig in die Gaskammern gegangen waren. Im Angesicht des Grauens und des Wahnsinns war es das einzig Menschliche, was sie tun konnten.“ Schließlich war die Invasion in Vietnam ein Angriffskrieg. Wie Marlantes allerdings davon erzählt, wird man so schnell nicht vergessen.
Karl Marlantes: Matterhorn. Ein Vietnam-Roman. Aus dem Englischen von Nikolaus Stingl. Arche Verlag, Zürich 2012. 672 Seiten, 24,95 Euro.
Die Soldaten wissen,
dass sie in der Heimat
keine Helden sind
Im Roman wird der erinnerte Krieg sichtbar: Eine Gedenkveranstaltung für in Vietnam gefallene amerikanische Soldaten in Washington D. C., im Juli 2009.
FOTO: DPA
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