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Produktdetails
  • Herder Spektrum
  • Verlag: Herder, Freiburg
  • Seitenzahl: 319
  • Abmessung: 27mm x 132mm x 205mm
  • Gewicht: 398g
  • ISBN-13: 9783451049705
  • ISBN-10: 3451049708
  • Artikelnr.: 09515400
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.09.2001

Kennen wir uns nicht?
Christopher Brooke besichtigt großartige Klöster im Kleinformat

Wer ein Zeitalter kennenlernen will, muß es dort aufsuchen, wo es sich am deutlichsten ausspricht - sei's in Texten, sei's in Monumenten. Laien haben oft ein Gefühl dafür, daß dies für das hohe Mittelalter - sagen wir: für die Zeit vor 1200 - die Burgen und die Klöster waren. Nur wissen wir viel mehr über die Klöster als über die Burgen, denn in den Konventen lebten Menschen, die meist des Lesens und Schreibens kundig waren. Nicht wenige von ihnen haben ausführlich davon erzählt, wie man in den Klöstern damals lebte.

Das Buch von Christopher Brooke gibt eine anschauliche Einführung in diese Klosterwelt. Er schildert den Ursprung der Idee des Mönchtums; er nennt die geistigen Urheber, also Augustinus, Cassian und Benedikt. Er verfolgt die Entwicklung des Mönchtums, seine Reform im neunten Jahrhundert und dann vor allem seinen Aufstieg seit dem elften Jahrhundert. Er führt seine Leser nach Cluny und Gorze; er erklärt die Rolle des Mönchtums in der veränderten Welt des zwölften Jahrhunderts.

Das Interesse des Autors gilt der religiösen und der kulturellen Geschichte der Orden, aber ein Vorzug des Buches ist, daß es immer auch die Baugeschichte und die soziale Entwicklung der Jahrhunderte im Blick behält. Ein zentrales Kapitel handelt daher vom Beitrag der Klöster zur sogenannten "Renaissance des zwölften Jahrhunderts" - von der Architektur über das Kunsthandwerk bis zum Denken Anselms von Canterbury. Der Autor verfolgt die neue monastische Welle, die seit dem Ende des elften Jahrhunderts über Europa ging; dabei geht es vor allem um die Zisterzienser und Bernhard von Clairvaux. Die Debatten über die apostolische Lebensform, also vor allem um radikale Armut und Missionstätigkeit statt der Konzentration auf Liturgie und Kontemplation, hörten nicht auf und führten im dreizehnten Jahrhundert zu der Gründung der Bettelorden durch Franz von Assisi und Dominikus.

Der Autor bemüht sich um Anschaulichkeit. Er endet sein Buch mit der Führung durch drei Klöster: Fountains in Yorkshire/England, Mont-Saint-Michel auf der Kanalinsel und Sant'Ambrogio in Mailand. Das ist ein europäischer Rundgang; er zeigt, wie international und lokal bezogen zugleich die monastische Kultur gewesen ist. Sie zog bis etwa 1200 die mannigfaltigsten Begabungen an, Buchmaler und Baumeister, Wirtschaftsorganisatoren, Politiker und Philosophen.

Der Wechsel vom zwölften zum dreizehnten Jahrhundert markiert die Grenze, von der ab der Autor sein Interesse deutlich herabstimmt. Die Folgezeit ist nur anhangsweise behandelt; die städtische Zivilisation und die Bettelorden kommen zwar vor, werden aber nicht liebevoll ausgemalt wie Cluny oder La Grande Chartreuse.

Der Leser wird in eine Welt geführt, die heute weit abliegt und die Ruhe, ja eine gewisse Poesie ausstrahlt. Sie war nicht frei von Konflikten, und sie war nicht frei von befremdlichen Zügen. Da sieht man Mönche in Zweierreihen aufgestellt. Eine verschlossene Kiste wird einmal die Woche unter Aufsicht geöffnet; in ihr werden die Rasiermesser verwahrt. Dann rasiert die eine Reihe der Mönche die andere unter Absingung von Psalmen. Über die Badegewohnheiten im Kloster sei nicht viel zu sagen, bemerkt ein Mitmönch: "Denn wir baden nur zweimal im Jahr, vor Weihnachten und vor Ostern."

Natürlich muß man solche Mitteilungen auf die damalige Umwelt zurückbeziehen, was dem Autor durchweg gelingt. Weniger sicher sind seine Bemerkungen über die intellektuelle Geschichte der Zeit; Anselm von Canterbury wird erbaulich verzeichnet. Doch was dem Verfasser gelingt: Er zeigt, daß die monastische Welt von erstaunlicher Vielfalt war. Wer das Buch gelesen hat, wird nicht mehr den "groben Fehler" (so der Autor) machen, einen Weltgeistlichen mit einem Mönch oder einen Kanoniker mit einem Bettelmönch zu verwechseln. Er wird nicht mehr glauben, die Mönche hätten ihre Kirchen alle selbst gebaut; sogar die schönen Bücher dieser Zeit haben oft professionelle Laien ausgemalt. Es gab keine Zeit, in der nicht Laienhandwerker mit am Werk waren; seit dem zwölften Jahrhundert nahm ihr Anteil immer mehr zu.

Der englische Kirchenhistoriker Brooke führt mit sicherer Hand; er erzählt in angenehm englischer Manier, konkret und distanziert. Immer wieder kehrt er zu sichtbaren Monumenten zurück. Solche Beschreibungen unterbrechen den Fluß der Erzählung, und als das Buch noch ein Bildband war, kam dies dem Leser zugute. Ohne großformatige Bilder der genannten Klöster wirkt dieser Gang zu den Monumenten eher als trockene Aufzählung. Die sprachliche Form und die ästhetische Präsentation liegen bei dieser Neuausgabe in einem peinlichen Konflikt.

Früher konnte man an dem Buch seine Freude haben, jetzt hat der Verlag mit ihm eine ärgerliche Politik getrieben. Das fängt schon mit der Falschdatierung an: Bei einem aus dem Englischen übersetzten Buch kann der Leser verlangen, daß ihm Titel und Erscheinungsjahr mitgeteilt werden. Der Herder Verlag glaubte, das sei nicht nötig. Ich habe recherchiert und den Original-Titel gefunden: The Monastic World, London 1974. Es handelt sich also um ein Buch ehrwürdigen Alters, und das soll der Leser offenbar besser nicht wissen. In der Tat sind im Text weder die Forschungen von Georges Duby mit seinem grundlegenden Buch über die Kunst der Zisterzienser noch Arno Borst berücksichtigt. Die Frauenklöster sind nicht in dem Umfang berücksichtigt, in dem man das heute verlangen muß. Das Vorwort trägt einige wenige neuere Literatur nach; aber insgesamt bleibt der Text auf dem Stand der beginnenden siebziger Jahre stehen.

Nun sind Platons Dialoge noch ein wenig älter, und man liest sie dennoch mit Gewinn; das könnte ja auch diesmal zutreffen. Wäre da nicht ein anderer Eingriff des Verlags: Er hat aus einem älteren großformatigen Bildband eine Taschenbuchausgabe gemacht; die Bilder sind zu mausgrauem Kleinformat geschrumpft. Als Bildband hieß das Buch noch: Die große Zeit der Klöster. Der Verlag hat es in mehreren Auflagen verkauft; aber jetzt hat er das Buch verkleinert und kurz vor dem Verramschen mit den hochtönenden Titeln "Geist, Kultur, Geschichte" aufgepeppt.

Das Impressum gibt nur eine einzige Jahreszahl: 2001. Die Vorgeschichte des Buches scheint getilgt; das Vorwort des Autors trägt kein Datum; auf Seite zehn erfährt der Leser, daß es das Buch seit den siebziger Jahren gibt. Auf manches Buch der sechziger Jahre wird als auf den neuen Forschungsstand verwiesen. So mißhandelt man einen Autor, und so führt man Leser in die Irre. Ich schlage jedem Interessierten vor, das Buch im Regal liegen zu lassen. Denn dort gehört es hin. Der alte Bildband steht in vielen Bibliotheken; dort kann man ihn sich ausleihen, kann sein Herz ohne Haß vor modernen Usancen verschließen und getrost genießen, was die alten Mönche gebaut und gebraut haben. Beim Anblick romantisch gelegener Klöster und benediktinischer Baukunst vergißt der Leser vielleicht den Ärger, den die schlaumeierische Verlagspolitik des einstmals so angesehenen Herder Verlags mit ihrem allerneuesten Schrumpfprodukt bereitet.

KURT FLASCH

Christopher Brooke: "Die Klöster". Geist, Kultur, Geschichte. Aus dem Englischen von Regine Klett. Herder Verlag, Freiburg im Breisgau 2001. 319 S., Abb., br., 32,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ein Muster, das man bei Rezensionen häufiger antrifft: Der Inhalt des Buches wird gelobt, aber Aufmachung, Lektorat oder Übersetzung werden niedergemacht. In diesem Fall zeigt sich Kurt Flasch begeistert von Brookes "Klöster"-Buch, das für ihn eine äußerst anschauliche Einführung in die monastische Welt Europas im Mittelalter darstellt, die sich inhaltlich erst mit dem Aufkommen der städtischen Zivilisation erschöpft. Um so ärgerlicher aber, meint Flasch, sei es, dass es sich um die vom Verlag nirgendwo vermerkte Wiederauflage eines Buches handelt, das noch aus den 70er Jahren stammt und somit kaum auf dem Stand der neuesten Forschung sein könne. Und völlig unverzeihlich findet es der Rezensent, dass der einstige Bildband auf Taschenbuchformat geschrumpft wurde und damit der konkreten Schreibweise des Autors die visuelle Basis entzieht. Er empfiehlt statt Buchkauf den Gang in die Bibliothek, wo es die alte Auflage bestimmt noch gebe.

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